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Wahlen in Rumänien
Viele Oberbürgermeister unter Korruptionsverdacht

Am 5. Juni wählen die Rumänen neue Bürgermeister und Stadträte. Ändern wird sich aus Sicht vieler Bürger nichts, das Land steckt zu tief im Korruptionssumpf. Selbst ein Ex-Stadtteilbürgermeister, dem die Staatsanwaltschaft eine Mitschuld an dem Brand in einem Bukarester Klub mit 60 Toten vorwirft, hat gute Chancen auf einen Wahlerfolg.

Von Annett Müller | 03.06.2016
    Zwei Hände. Die eine Hand gibt der andere mehrere Euroscheine.
    Am 5. Juni werden in Rumänien bei den Kommunalwahlen Macht und Geld neu verteilt. Ändern wird das aber afgrund der anhaltenden Korruption kaum etwas. (dpa/ picture-alliance/ Franziska Kraufmann)
    Sich einen Tee aufbrühen, den Toast alleine schmieren, Einkaufstüten tragen - all das kann Mariana Oprea nicht mehr seit dem verheerenden Brand im Bukarester Musikclub "Colectiv".
    "Ich konnte nicht glauben, was passiert war. Als ich mich aus dem Klub gerettet hatte, sah ich meine zerstörten Hände. Die Haut hing von den Fingern und Nägeln herunter.
    Ich habe gehofft, man könne das mit einer Creme oder mit einer etwas längeren Behandlung retten. Ich habe nicht gedacht, dass mir fast alle Finger amputiert werden müssen."
    Den Abendbrottisch muss daher die Mutter decken, die die 29-jährige Mariana seitdem unterstützt.
    Aufgeben kommt nicht infrage
    Aufgeben will die junge Frau aber nicht: Sie hat kürzlich vor Gericht versucht, die Kandidatur eines Bukarester Lokalpolitikers bei den anstehenden Kommunalwahlen zu verhindern - jedoch erfolglos.
    Konkret geht es um den zurückgetretenen Stadtteilbürgermeister Cristian Popescu Piedone. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm eine Mitschuld an der Brandkatastrophe vor. Dennoch tritt er bei den Wahlen jetzt wieder an - diesmal als Kandidat für den Stadtrat in seinem Stadtteil. Mariana Oprea hält das für anstandslos:
    "Er hat dem Klub eine Betriebsgenehmigung erteilt, auch wenn dort jeglicher Brandschutz fehlte. 64 Menschen starben, mehr als 150 wurden verletzt und sind nun teils ein Leben lang verstümmelt. Es sollte uns sehr zu denken geben, wenn Leute wie Piedone wieder an die Macht kommen. Sie werden uns weiter auf den falschen Weg führen."
    Piedone ist nicht der einzige umstrittene Kandidat bei der Kommunalwahl am kommenden Sonntag. In knapp einem Drittel aller Kreisstädte in Rumänien kandidieren Bürgermeister, gegen die gerade wegen Korruption oder Amtsmissbrauchs ermittelt wird.
    Glaubt man Wählerumfragen, haben sie wie Piedone beste Chancen auf einen Wahlsieg - trotz der schwerwiegenden Vorwürfe gegen sie.
    Ein Interview lehnt Piedone ab. Er will sich nicht erklären – er braucht es auch nicht. In seinem Bukarester Stadtteil kennt man ihn nach acht Jahren Amtszeit als Bürgermeister:
    "Wenn er in unsere Straße kommt, zollen wir ihm alle Respekt. Er hat uns Sozialwohnungen gegeben. Wir lieben ihn deswegen. Ob er nun korrupt war? Wer weiß das schon. Und Korruption hin oder her, das Leben geht weiter."
    "Klar macht das keinen guten Eindruck, dass er wieder kandidiert, doch überraschend ist das für unsere politische Klasse nicht. Wir haben eh den Eindruck, dass alle korrupt sind und sich nicht zügeln können."
    Viele Diskussionen, keine Ergebnisse
    Noch vor gut einem halben Jahr schien das Land entschlossener zu sein. Rumänien war nach der verheerenden Brandkatastrophe in einem Schockzustand. "Korruption tötet" riefen Tausende empörter Demonstranten und stürzten mit ihrem Protest die Regierung von Premier Victor Ponta. Seither ist viel über eine Erneuerung der politischen Klasse diskutiert worden. Geschehen sei aber wenig, meint der Soziologe Mircea Kivu:
    "Die Revolte und den Zorn gibt es immer noch. Die Leute wissen, dass sich etwas ändern muss. Was bislang nicht klar ist, ist, was ist die Alternative? Ich hatte gehofft, dass die jungen Leute, die damals auf die Straße gegangen sind, neue Parteien gründen, um bei dieser Wahl anzutreten. Doch nur wenige sind diesen Weg gegangen."
    Erstmals Bürgerrechtsbewegungen
    Immerhin gibt es bei der Wahl erstmals Bürgerrechtsbewegungen, die sich vor wenigen Monaten unter anderem in Bukarest oder in Iasi gegründet haben. Ob sie am Sonntag aber eine Chance haben werden, ist fraglich. Denn gerade die junge, urbane Wählerschaft in Rumänien gilt als politikverdrossen. Zudem haben die etablierten Parteien das Wahlgesetz abgeändert: Es wird bei der Abstimmung nur einen Urnengang geben. Rumänische Wahlforscher vermuten, dass damit die amtierenden Bürgermeister zumeist im Amt bleiben werden.
    Der Wunsch nach mehr Unterstützung
    Bleibt in den politischen Machtstrukturen also alles beim Alten? Für Mariana Oprea wäre das eine sehr bedrückende Vorstellung. Sie hat die korrupten Machenschaften in ihrer Stadt am eigenen Leib zu spüren bekommen. Unlängst ist sie mit anderen Brandopfern auf die Straße gegangen, um mit den Wählern darüber zu diskutieren:
    "Sie waren schockiert, als sie unsere Wunden gesehen haben. Sie wussten nicht, wie schwer es für uns ist: Für die, die überlebt haben. Irgendwie hatte ich den Eindruck, die Leute haben das Unglück schon vergessen. Sie haben uns damals mit ihren Protesten moralisch unterstützt. Sie haben sich politisch eingemischt. Wir wünschten