Stephanie Rohde: Zumindest in einem sind sich die Spitzenpolitiker in Österreich einig: Dass dieser Wahlkampf so niveaulos war, das war unnötig. Tatsächlich dominierten gegenseitige Diffamierungen der sozialdemokratischen SPÖ von Christian Kern und der konservativen ÖVP von Sebastian Kurz. Zu lachen gab es tatsächlich kaum etwas in diesem Wahlkampf, das hält aber jemanden wie Gerhard Haderer nicht davon ab, sich diesem Wahlkampf humoristisch anzunähern.
Der Karikaturist, der auch als Hades bekannt ist, hat ein satirisches Heft veröffentlicht, ein Schundheftl mit einem Bastelbogen mit Karikaturen der wichtigsten Spitzenkandidaten. Und diese Figuren wollen ausgeschnitten, bemalt und mit einem Zahnstocher beklebt werden und dann zu spannenden Personengruppen zusammengestellt werden, und Haderer empfiehlt, diese Politiker-Zahnstocherfiguren am besten in Blumentöpfen zu drapieren. Vor der Sendung wollte ich von ihm wissen, warum Blumentöpfe und was sagt uns das über den österreichischen Wahlkampf?
Gerhard Haderer: Na gut, wir haben vorgeschlagen, diese kleinen Figürchen sich irgendwo hinzustecken, möglicherweise auch in Blumentöpfe und andere wieder haben sie ins Aquarium geworfen, also was immer, das war natürlich ein Spielchen, weil das, was ich mache, sind Cartoons, sind Karikaturen, aber immer wieder dahinter die Aufforderung an viele Menschen gerichtet, bitte sich einzumischen, auch in diese politischen Entscheidungen.
"Viele haben in spielerischer Art und Weise Dampf ablassen können"
Rohde: Und wie haben sich Menschen eingemischt, also was war die beste, interessanteste Drapierung von Politikern?
Haderer: Es gab wirklich ein paar unglaublich tolle kleine Videos, aber was immer wieder durchkam, ist natürlich klar, dass man das kommentiert hat, was alle Österreicher in den letzten Wochen erlebt haben, nämlich diese Überfülle der Präsenz der sogenannten Rampenfiguren. Diese Lichtgestalten, die stehen für eine bestimmte Partei, und das war eine Überfülle, weil nicht so wie in Deutschland, wo sich ja die Kanzlerin sogar rar gemacht hatte in Fernsehauftritten, gab es ja bei uns gezählte 40 Auftritte der Bundespolitiker, und das war natürlich zu viel. Und da haben sich sehr viele auch in dieser spielerischen Art und Weise den Dampf ablassen können.
Rohde: Sie meinen damit jetzt auch die Spitzenkandidaten der Konservativen, also Sebastian Kurz, und auch der Sozialdemokraten, Christian Kern. Wie sahen die Figuren denn aus?
Haderer: Na ja, sie sahen im Wesentlichen so aus, wie diese Herrschaften auch aussehen, also es ist ein ziemlich naturalistisches Porträt gewesen, das ist keine Frage, aber ich bin im Augenblick der Meinung, dass man mit einer herkömmlichen Sofortbildkamera in Österreich die schärfsten Cartoons zeichnen könnte, die man sich ja gar nicht in der Fantasie ausmalen kann.
Rohde: Warum?
Haderer: Weil die Grotesken, die hier abgehen – und das haben Sie sicher mitgekriegt, man nennt es in einer zarten Umschreibung Dirty Campaigning ...
Rohde: Also dreckige Kampagnen.
Haderer: Es ist ein wirklich schmutziger Wahlkampf abgelaufen, speziell in den neuen Medien, und das ist nicht mehr satirisch zu kommentieren, sondern das ist eine schreckliche Realität, die uns wirklich nicht besonders angenehm stimmt alle miteinander.
"Der Staatsbürger in mir ist nicht wirklich begeistert davon"
Rohde: Sebastian Kurz hat ja in diesem Wahlkampf auf seine Bewegung und vor allen Dingen auch auf sich selber gesetzt, aber auch auf bestimmte Ideen, die er von den Rechten geklaut hat, wenn man so möchte. Was bedeutet das denn jetzt, wenn wir mal auf die Verschiebungen gucken, was bedeutet das für die Rechte, also für die FPÖ in diesem Wahlkampf?
Haderer: Zum einen ist wirklich auffällig, mit welcher Unverschämtheit sich dieser 31-jährige, sehr sprachbegabte, telegene junge Mann dort die Inhalte dieser rechtspopulistischen Partei FPÖ zu eigen gemacht hat. Das ist ja eine Entwicklung, die - na gut, manche haben sie positiv gesehen, weil er gesagt hat, na ja, wenigstens gibt es hier ein nettes Auftreten, aber dahinter steht wirklich immer noch diese radikalen Professionen der Rechtspopulisten, und das ist ganz schlimm, wenn man sich überlegt, dass jetzt ein telegenes Bubi mit einem Rechtspopulisten mir erklären sollte, wie es in der Politik weitergehen soll.
Das kann einen Karikaturisten zwar fröhlich stimmen, weil solche Themen auf dem Tisch legen, aber der Staatsbürger in mir ist nicht wirklich begeistert davon.
Rohde: Trotzdem hat er natürlich die Zustimmungswerte, und da würde ich gern einen Vergleich ziehen zu Deutschland. Die CSU, die hat eine ähnliche Strategie verfolgt im Wahlkampf, mit Anleihen von, sagen wir mal, Politikern der Rechten, hat teilweise Begriffe übernommen zum Beispiel, und trotzdem hat die CSU ja nicht den Erfolg feiern können, den sie eigentlich feiern wollte bei dieser Wahl.
Zeigt das dann nicht, dass die Menschen am Ende doch lieber das Original wählen statt die Kopie, und damit verknüpft die Frage, warum sollte das in Österreich anders sein, warum sollten sich dann die Leute für Sebastian Kurz entscheiden und eben nicht für die FPÖ?
Haderer: Das ist ganz richtig, was Sie sagen, da gibt es tatsächlich Parallelen, aber in Österreich ist es so, dass es eine konservative Stimmung gibt in diesem Land und dass man natürlich immer wieder, wenn es um sehr konkrete Themen geht, lieber den Schmied wählt als den Schmiedl – das ist eine österreichische Ausdrucksweise. Aber Sebastian Kurz schafft es tatsächlich, in Wählergruppen vorzudringen, die dem Rechtspopulisten Strache bisher verwehrt geblieben sind, und da darf man sich nicht wundern, wenn da eine zarte Mehrheit zustande kommt.
Rohde: Es gibt ja verschiedene Koalitionsoptionen, eine Koalition der FPÖ ist nicht nur mit den Konservativen denkbar, sondern möglicherweise jetzt auch mit den Sozialdemokraten. Was denken Sie, wie wird da in Österreich in nächster Zeit drüber debattiert werden, ist das noch ein Tabu mit den Sozialdemokraten oder ist das einfach Realität jetzt?
Haderer: Das ist eines dieser Themen, das die Sozialdemokraten mittlerweile implodieren lässt. Also das heißt, in dieser Partei gibt es diese und diese Strömungen und sie sind völlig unvereinbar, also wenn es eine Koalition geben sollte zwischen Rot und Blau, dann kann ich mir gar nicht vorstellen, dass das ohne ganz große Brüche innerhalb dieser Sozialdemokraten über die Bühne geht. Aber die wesentlich klarere und realistischere Option ist ja wohl Schwarz-Blau, das heißt die Konservativen mit eben der FPÖ.
Haderer: Die Menschen werden immer apolitischer
Rohde: Sie haben ja in Linz die politische Denkfabrik Schule des Ungehorsams gegründet – mit welchem Ungehorsam kann man denn von Ihnen rechnen, wenn es eine Koalitionsbeteiligung der FPÖ gibt?
Haderer: Ich will von mir und meiner Arbeit mal ganz weggehen, aber die Schule des Ungehorsams wird tatsächlich eröffnet jetzt Mitte November, weil wir alle der Meinung sind, dass die Wurzel des Übels das ist, dass die Menschen immer apolitischer werden und sich irgendwelchen Hypes hingeben.
Ich meine, alles, was Mainstream ist, alles, was den Menschen eingeredet wird, sollte man persönlich hinterfragen. Diese Art von Ungehorsam ist das, das wir eigentlich als Programm entworfen haben, weil wir der Meinung sind, dass Ungehorsam immer wieder der Motor jeder Entwicklung oder jeder Vorwärtsentwicklung gewesen ist.
Das ist natürlich ein Spaßprojekt, wir werden eine Menge Party haben miteinander, wir werden aber auch einige kluge Gedanken abholen, weil so etwas wie Haltungen bitte sollte es doch wohl in Zukunft auch noch geben.
"Ich orientiere mich nicht nach Umfragen, die in den Medien veröffentlicht werden"
Rohde: Wenn Sie jetzt am Montag eine Karikatur zeichnen müssen, was würde man darauf sehen?
Haderer: Das kann ich Ihnen am Sonntag um 20 Uhr beantworten, aber davor wirklich nicht, weil ich orientiere mich nicht nach Umfragen, die in den Medien veröffentlicht werden, sondern aus meinem privaten Umfeld. Und hier es noch gar nicht so klar, wie die Wahlen ausgehen werden, also es ist wirklich spannend hier in Österreich.
Aus diesem Grund habe ich mir zwei Tage jetzt Frischluft verordnet, bin ich am Attersee, warte auf den Sonntag, und dann werden wir, glaube ich, ziemlich kräftig in die Tube greifen.
Rohde: Wunderbar, vielen Dank für das Gespräch!
Haderer: Ich danke auch schön!
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