Samstag, 03. Juni 2023

Umwelt und Verkehr
Was bringt ein Tempolimit auf Autobahnen?

Ob Energiekrise, schlechte Luft oder die Erderwärmung: Ein Tempolimit würde sich in vielerlei Hinsicht positiv auswirken. Auch die Verkehrssicherheit dürfte sich verbessern. Einige Fakten und Zahlen.

05.05.2023

    Ein Straßenwärter hält an der Autobahn A81 am Hegaublick ein Schild mit der Aufschrift "130" in den Händen
    Nach Umfragen befürwortet die Mehrheit der deutschen Bevölkerung inzwischen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. (dpa / Patrick Seeger)
    Was haben die britische Insel Isle of Man, Nepal, Nordkorea, Haiti, Mauretanien und Deutschland gemeinsam? Sie gehören zu den wenigen Orten auf der Erde, in denen es noch keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gibt.
    Hierzulande ist die Forderung nach „Tempo 130“ für manche immer noch ein Reizthema. Dabei gilt eigentlich der Grundsatz: Je langsamer die Geschwindigkeit, desto besser für Umwelt und Sicherheit.
    In der Bundesregierung gibt es dennoch unterschiedliche Haltungen dazu. Grüne und SPD sind dafür, die FDP ist dagegen. Durch die wahrscheinliche Verfehlung von Klimazielen und hohe Energiepreise kommt die Debatte darüber immer wieder auf die politische Agenda.

    Wie viel CO2 könnte durch ein Tempolimit eingespart werden?

    Ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen könnte die Treibhausgasemissionen jährlich (je nach Ausgestaltung) um 1,9 bis 5,4 Millionen Tonnen verringern. Das hat das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie ermittelt. Je geringer das Tempolimit, desto höher das jährliche Einsparpotenzial:
    130 km/h = 1,9 Millionen Tonnen (CO2-Äquivalente)
    120 km/h = 2,6 Millionen Tonnen
    100 km/h = 5,4 Millionen Tonnen
    Zur Einordnung: Der mittlere Wert von 2,6 Millionen Tonnen (Tempolimit 120) entspricht rund 6,6 Prozent der jährlichen Emissionen von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf Autobahnen.

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    Wie viel emittiert der gesamte Verkehrssektor? Weil durch Corona das Verkehrsaufkommen zeitweise gesunken war, hier ein Vergleich mit dem Vorpandemie-Jahr 2019: Damals war der deutsche Verkehrssektor für rund 164 Millionen Tonnen Treibhausgase (berechnet als CO2-Äquivalente) verantwortlich und trug damit rund 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei.

    Welchen Einfluss hätte ein Tempolimit auf die Luftqualität?

    Verbrennermotoren erzeugen eine ganze Palette unterschiedlicher Abgase, die die Luftqualität mehr oder weniger stark belasten – zum Beispiel Stickoxide (NOx) wie Stickstoffdioxid (NO2), aber auch Feinstaub (PM10). Stickoxide, die aus dem Verkehrsbereich freigesetzt werden, können in Kombination mit starker UV-Strahlung die Ozonwerte in der Atmosphäre ansteigen lassen.
    Ab ungefähr 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft löst das Gas Ozon beim Menschen verstärkt gesundheitsgefährdende Symptome aus – darunter Husten, Kopfschmerzen, tränende Augen und Schleimhautreizungen. Bei empfindlichen Personengruppen - Asthmatiker, Senioren, Kinder - können solche Folgen schon ab etwa 100 Mikrogramm auftreten. 
    Was bedeutet das für den Autoverkehr? Schnelles Fahren sorgt nicht zwangsläufig für mehr Schadstoffe. Ein Tempolimit kann dennoch einen reduzierten Ausstoß von beispielsweise Stickstoffdioxid bewirken. Allerdings führt das Bundesumweltamt dies auf einen Nebeneffekt zurück: Bei konstanter Geschwindigkeit wird weniger beschleunigt.
    „Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass auch die Qualität des Verkehrsflusses einen großen Einfluss auf die Luftschadstoffbelastung hat. Kann eine Verstetigung des Verkehrsflusses erreicht werden, sind auch deutliche Reduktionen der Luftschadstoffe möglich“, schreibt das UBA in einer Untersuchung. Durch die gleichmäßigere Geschwindigkeit würden sogenannte Staus aus dem Nichts auf Autobahnen außerdem wahrscheinlich seltener.

    Wie stark schont ein Tempolimit den Geldbeutel?

    Je schneller ein Auto fährt, umso mehr Sprit verbraucht es – denn mit zunehmender Geschwindigkeit erhöht sich der Luft- und Roll-Widerstand eines Fahrzeugs. Oder andersherum: Je langsamer man unterwegs ist, desto weniger Benzin wird im Verhältnis zur Wegstrecke benötigt – und das schont auch das Portemonnaie.
    Nach Angaben des Umweltbundesamtes würde beispielsweise ein Tempolimit von 100 Stundenkilometer auf Autobahnen (und zusätzlich 80 Stundenkilometer außerorts) deutschlandweit zu einer jährlichen Spritersparnis in Höhe von 3,5 bis 4,2 Milliarden Euro führen – abhängig davon, wie viele Menschen sich tatsächlich an die Vorgabe halten.

    Welche weiteren Vorteile hat ein Tempolimit?

    Verkehrssicherheit: Langsamer ist sicherer. Je schneller ein Fahrzeug unterwegs ist, desto länger dauert es, bis es auf null runtergebremst werden kann. Zahlen aus dem Unfallatlas der statistischen Ämter des Bundes zeigen: Je eine Milliarde gefahrener Kilometer sind auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit 0,95 Todesfälle zu verzeichnen. Auf Abschnitten ohne Tempolimit sind es 1,67 Unfälle mit Todesopfern – und somit rund 75 Prozent mehr.
    Weniger Stress: Wer auf der linken Spur ein anderes Auto überholen möchte und dabei 130 fährt, wird immer wieder von hinten bedrängt, schneller zu fahren oder die Bahn freizugeben. Große Tempounterschiede sorgen für Stresssituationen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass ausnahmslos alle Drängler durch ein Tempolimit ihr Naturell ändern würden, aber zumindest bestünde zusätzliche Abschreckung durch das Gesetz.
    Einfache Umsetzbarkeit: Um ein Tempolimit durchzusetzen, sind ein politischer Beschluss und eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung nötig. Zusätzlich müssten die bisherigen Beschilderungen auf den Autobahnen angepasst und Aufhebungsschilder entfernt werden. Die notwendigen Investitionen würden sich also in Grenzen halten.

    Wer ist für und wer gegen ein Tempolimit?

    Einer Umfrage des Umweltbundesamts zufolge spricht sich die Mehrheit der Deutschen deutlich für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen aus.
    Gegen ein Tempolimit werden vor allem die Interessen der deutschen Automobilindustrie ins Feld geführt. „Es geht dabei um die Produktion von besonders schnellen, schweren und spritverschwendenden Fahrzeugen“, sagt Dlf-Wirtschaftsredakteur Georg Ehring. „Besonders diese Fahrzeuge werden von deutschen Herstellern stark verkauft – damit geht es auch um die Arbeitsplätze.“
    Quellen: Umweltbundesamt, Bundesanstalt für Straßenwesen, 16th Road Safety Performance Index Report, Georg Ehring, Dagmar Röhrlich, jma