Berlin
Was die Regierung mit der Vorratsdatenspeicherung plant und wie die Umsetzungschancen sind

Die Bundesregierung unternimmt einen neuen Anlauf, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Zur Bekämpfung von Kriminalität sollen Internetanbieter künftig IP-Adressen drei Monate speichern. Das geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums hervor, der dem Deutschlandfunk vorliegt. Ein Überblick über die Pläne.

    Netzwerkkabel stecken in einem Serverraum in einem Switch.
    Die Vorratsdatenspeicherung sorgt nach wie vor für Diskussionen. (dpa / Matthias Balk)

    Weshalb sind IP-Adressen für die Strafverfolgung wichtig?

    Wenn Straftaten im Internet - etwa Betrugsfälle oder die Verbreitung von Kinderpornographie - begangen werden, sind IP-Adressen oft die einzige Spur, die ein Täter hinterlässt. Das Gerät, mit dem der Täter im Netz unterwegs ist, kommuniziert mit anderen Geräten. Dabei wird regelmäßig die dem Anschluss zugewiesene IP-Adresse hinterlassen.
    Allerdings: IP-Adressen werden nur vorübergehend vergeben. Deshalb reicht die IP-Adresse allein noch nicht aus, um einen Internetanschluss und dessen Inhaber zu identifizieren. Die Ermittlungsbehörden müssen in Erfahrung bringen, welchem Anschluss die fragliche IP-Adresse zur Tatzeit zugeordnet war. Über diese Information verfügen grundsätzlich
    die Internetanbieter. Daher sieht der Gesetzentwurf auch eine sekundengenaue Speicherung vor.
    Bislang kämen Täter kommen viel zu oft ungestraft davon, sagte Justizministerin Hubig (SPD) der "Bild am Sonntag". Dies solle durch die genaue und mehrere Monate lange Speicherung geändert werden. Auch Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) sprach sich für eine Vorratsdatenspeicherung aus, etwa zur Terrorabwehr.

    Welche Daten sollen Internetanbieter nach dem Gesetzentwurf vorsorglich speichern?

    Die Anbieter sollen verpflichtet werden, vorsorglich die Information darüber zu speichern, welchem Internetanschluss eine IP-Adresse zu einem fraglichen Zeitpunkt zugeordnet war. Diese Daten sollen für drei Monate gespeichert werden. Standortdaten sollen nicht vorgehalten werden. Gleiches gilt für sonstige Daten: also zum Beispiel Informationen darüber, mit wem oder wann oder wie lange von einem bestimmten Anschluss aus kommuniziert worden ist.

    Unter welchen Voraussetzungen sollen Strafverfolgungsbehörden die gespeicherten Daten bei den Internetzugangsdiensteanbietern abfragen können?

    Der Gesetzentwurf sieht hierbei keine Neuerung vor: Die Strafverfolgungsbehörden sollen - wie bislang - Auskunft über die Bestandsdaten eines Anschlussinhabers verlangen können, sofern dies erforderlich ist, um einen Sachverhalt zu erforschen. Notwendig ist der Anfangsverdacht einer bestimmten Straftat.

    Wie fallen die Reaktionen zu den Plänen aus?

    Da auch die Daten von Unverdächtigen gesammelt werden, ist die Vorratsdatenspeicherung umstritten. Die Grünen bewerten das neue Vorhaben als falsch und sprechen von einer "anlasslosen Massenüberwachung im Internet". Die Linken sehen Grundrechte und die Vertraulichkeit der Kommunikation in Gefahr.
    Das Justizministerium tritt bereits im Gesetzentwurf Kritik entgegen und erklärt, dass über die IP-Adresse hinaus nicht alle Verkehrs- und Standortdaten gespeichert würden und sich daher z.B. keine Bewegungsprofile des Surfverhaltens erstellen ließen.
    Bei der Polizei teilt man die Bedenken ebenfalls nicht. Die Gewerkschaft der Polizei wünscht sich noch eine längere Speicherzeit. Ermittlungen bei Straftaten seien oft so umfangreich und international, dass drei Monate nicht ausreichten, sagte der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei und Zoll, Roßkopf, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Da seien monatelange Verfahren, Absprachen und Recherchen oftmals keine Seltenheit.
    Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte Claus begrüßt die Pläne der Bundesregierung. Claus sagte dem Evangelischen Pressedienst, der Vorstoß sei eine entscheidende Wende. IP-Adressen seien oft der einzige Schlüssel, um Täter und Täterinnen nachverfolgen zu können. Gerade wenn Ermittlungsbehörden Hinweise auf bislang unbekanntes Material hätten, könne der genutzte Rechner über IP-Adressen identifiziert werden. So könnten Pädokriminelle gestoppt und gefährdete Kinder aus akuten Missbrauchskonstellationen befreit werden.

    Wie stehen die Chancen auf eine Umsetzung der Pläne?

    Bis 2017 gab es die Vorratsdatenspeicherung bereits. Sie wurde ausgesetzt, nachdem der Europäische Gerichtshof die damalige Regelung für für europarechtswidrig erklärte. Mit einer Entscheidung von 2022 erlaubte der EuGH aber unter bestimmten Voraussetzungen eine begrenzte Datenspeicherung.
    Die Hauptstadtstudio-Korrespondentin des Deutschlandfunks, Nadine Lindner, geht davon aus, dass die Bundesregierung die Vorratsdatenspeicherung beschließen wird. Es seien allerdings noch nicht alle Details abschließend geklärt. Sobald das Gesetz im Laufe der kommenden Monate in Kraft treten werde, könnte es zudem erneut zu Klagen kommen. Dann sei der Ausgang der Gerichtsverfahren entscheidend.
    Diese Nachricht wurde am 22.12.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.