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"Was ist uns die Gesundheit der Kinder wert?"

Jüngst litten Tausende ostdeutsche Schulkinder an Brechdurchfall, wahrscheinlich wegen verunreinigter Erdbeeren im Schulessen. Ursula Tenberge-Weber von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung fordert besseres Hygienemanagement und Verpflegungskonzepte mit höherem Qualitätsanspruch.

Das Gespräch führte Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Wie gut ist das Essen in unseren Schulen? Das ist eine Frage, die sich in diesen Tagen eine Menge Eltern in Deutschland stellen, eine Frage, die sich aufdrängt nach der Brechdurchfall-Epidemie in Ostdeutschland in den vergangenen Wochen. Der Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt hat 200 Schulkantinen untersucht und seine Schlussfolgerung ist eindeutig.

    O-Ton Volker Peinelt: "Das gesamte Angebot ist so schlecht, dass es vom Schüler ungern oder nicht angenommen wird und dass es letztendlich auch von dem, was es erreichen soll, nämlich eine Vollwertigkeit, die Erhaltung der Leistungsfähigkeit, diesen Zweck nicht erfüllt."

    Armbrüster: Soweit also der Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt. – Bei den Nachforschungen zur jüngsten Epidemie ist nun nicht nur herausgekommen, dass Erdbeeren aus China eine Rolle gespielt haben, sondern auch, dass eine deutsche Schulmahlzeit im Schnitt nur 2,50 Euro kosten darf, mehr nicht, also ungefähr das, was man für einen Cappuccino to go ausgibt. Was Schüler an deutschen Ganztagsschulen essen, ist damit auf einmal zu einem Politikum geworden, und am Telefon ist jetzt Ursula Tenberge-Weber von der Verbraucherzentrale NRW. Sie leitet dort die Vernetzungsstelle Schulverpflegung, sie kennt sich also bestens aus mit Schulkantinen in Deutschland. Einen schönen guten Morgen.

    Ursula Tenberge-Weber: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Frau Tenberge-Weber, wie viel Euro muss man mindestens ausgeben, um ein gutes Schulessen zu bekommen?

    Tenberge-Weber: Diese Frage kann ich Ihnen so eindeutig nicht beantworten, weil der Mahlzeitenpreis setzt sich ja aus vielen Komponenten zusammen. Wir haben die Kosten für die Lebensmittel, für die Waren also, für das Personal, für die Betriebskosten, Investitionen. Also das kann ganz unterschiedlich sein. Es kommt auch darauf an, ob es ein großer Caterer ist, der andere Preise vielleicht machen kann und kalkulieren kann als ein kleinerer Anbieter. Also das ist letztendlich nicht eindeutig zu beantworten. Wenn man alle Kostenarten zusammennimmt, kommt man aber bei den Vollkosten auf einen Preis, der zwischen sechs und acht Euro liegt. Das ist natürlich nicht das, was jetzt die Eltern zahlen müssen, sondern Eltern und Schulträger teilen sich diese Kosten. Das, was die Eltern zahlen, das ist in der Regel der Wareneinstandspreis, also für die Lebensmittel, und die anteiligen Kosten.

    Armbrüster: Und Ihrer Erfahrung nach sind Eltern nicht bereit, einen solchen Preis, sechs bis acht Euro, für ein gutes Schulessen für ihre Kinder zu bezahlen?

    Tenberge-Weber: Ich denke, das wird überall nicht machbar sein, sechs bis acht Euro, aber das ist im Grunde genommen, denke ich, auch nicht unbedingt die Forderung, dass sie diesen Vollkostenpreis übernehmen müssen, sondern da muss man eben gemeinsam gucken mit dem Schulträger, wie man die Kosten aufteilen kann. Aber letztendlich, auch wenn man sich anschaut, wie viel von dem Preis, den die Eltern zahlen, letztendlich für die Waren, für die Lebensmittel, für den Bezug der Lebensmittel eingesetzt werden - das sind in der Regel ein Drittel dieser Kosten, ausgehend beispielsweise von drei Euro, die Eltern zahlen, sind das etwa 75 Cent abzüglich der Mehrwertsteuer, die dann nur für die Lebensmittel zur Verfügung stehen.

    Armbrüster: Das heißt, selbst wenn wir zwischen sechs bis acht Euro ausgeben für ein Schulessen, fließen davon nur 75 Prozent in die eigentlichen Lebensmittel?

    Tenberge-Weber: Das ist etwas komplizierter. Gehen wir einfach jetzt mal vom Elternpreis aus, also das, was die Eltern zahlen. Die Eltern zahlen 2,50 bis drei Euro. Sie übernehmen damit im Grunde genommen die Waren, die Kosten für die Waren, für die Lebensmittel, und anteilig die Kosten für die fixen Kosten, also für die Investitionskosten und so weiter. Von diesem Preis, von diesen 2,50 bis drei Euro, steht rund ein Drittel für die Waren zur Verfügung. Bei drei Euro sind das ungefähr 75 Cent. Und mit diesem Geld müssen qualitativ gute Lebensmittel beschafft werden, und das ist natürlich eine große Herausforderung für die Lieferanten, das ist schwer möglich.

    Armbrüster: Jetzt haben wir gehört, dass diese Erdbeeren aus China gekommen sind, also einmal um den halben Globus transportiert werden. Ist das eigentlich zu verantworten?

    Tenberge-Weber: Das war ein großer Caterer, der diese Erdbeeren bezogen hat. Der kocht mehrere Tausend Essen täglich, der braucht natürlich große Mengen und diese Mengen bekommt er vielleicht auf dem europäischen Markt nicht und bezieht sie dann eben aus China. Aber grundsätzlich kommt bei Erdbeeren zur Winterzeit oder zur Herbstzeit ja schon die Frage, ist das notwendig. Das ist sicherlich nicht notwendig ...

    Armbrüster: Ja, vor allen Dingen, wenn es in Deutschland jede Menge anderes Obst gibt.

    Tenberge-Weber: Richtig. Aber das Problem, was mit diesen Erdbeeren passiert ist, das kann grundsätzlich auch mit Obst aus Deutschland passieren. Wenn Sie Apfelkompott bezogen hätten aus einer deutschen Produktion, diese Hygienemängel hätten auch dort auftreten können. Das ist jetzt nicht abhängig davon, dass das Obst aus China kommt.

    Armbrüster: Das heißt, Sie von der Verbraucherzentrale würden auch einem Caterer nicht davon abraten, so etwas zu machen?

    Tenberge-Weber: Grundsätzlich empfehlen wir schon, möglichst regionale Produkte zu beziehen. Man muss einfach nur differenzieren: Einmal im Grunde genommen, wo kommen meine Waren her, was möchte ich? Ich möchte schon die Regionalität auch unterstützen. Aber das Problem der Hygiene nämlich, das kann ich überall haben, und uns ist daran gelegen, auch im Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen klarzumachen, dass man sich ganz stark um die Hygiene auch kümmern muss in den Schulen, im Grunde genommen bei den Caterern, damit solche Probleme, wie sie jetzt mit den Erdbeeren aus China aufgetreten sind, nicht auch hier auftreten.

    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, darum haben sich die Schulen in den vergangenen Jahren genügend gekümmert?

    Tenberge-Weber: Hygiene ist ein großes Thema auch in unserer Beratungsarbeit und wir stellen immer wieder fest, dass es da doch große Mängel auch noch gibt, weil einfach qualifiziertes Personal fehlt, um da ein professionelles Hygienemanagement aufstellen zu können, und da müsste unserer Meinung nach doch noch einiges passieren, damit man wirklich auch sicher sein kann, dass solche Dinge nicht vorkommen können.

    Armbrüster: Wie sehr interessieren sich denn die Eltern für dieses ganze Problem?

    Tenberge-Weber: Die Eltern jetzt speziell für die Hygiene, das ist eher, denke ich mal, für die Eltern kein Thema. Das bekommen sie im Grunde genommen gar nicht mit. Eltern haben natürlich ein Interesse daran, dass ihre Kinder gesunde Lebensmittel, gute Mahlzeiten bekommen. Grenzen gibt es allerdings dann beim Preis. Die Bereitschaft, mehr zu zahlen für ein Essen, ist nicht überall gegeben, wobei man auch sagen muss, dass es auch Familien gibt, die das wirklich auch nicht zahlen können oder auch mehr nicht zahlen können. Aber da haben wir ja auch die Möglichkeit, dass sie Zuschüsse bekommen.

    Armbrüster: Sehen Sie denn da aufseiten der Schulen und auch der Kommunen die Bereitschaft, etwas zu tun, Geld noch mal zuzuschießen, um die Qualität des Essens an deutschen Ganztagsschulen zu verbessern?

    Tenberge-Weber: Wir nehmen es so wahr, dass die Kommunen und auch die Schulen oder viele zumindest ein großes Interesse auch an diesem Thema haben. Die finanziellen Mittel sind natürlich immer die Grenzen und da würden wir uns auch mehr wünschen, dass bei der vertraglichen Regelung mit Caterern beispielsweise die Qualität eine größere Rolle spielt, dass man bei Ausschreibungen nicht hingeht und den billigsten Anbieter unbedingt nimmt und verpflichtet, sondern darauf achtet, wie wirtschaftlich er ist, das heißt, dass Qualität und Preis stimmen. Das kann man im Vorfeld, denke ich mal, schon gut einspielen, sage ich jetzt mal, dass man Qualitätskriterien in die Ausschreibung mit aufnimmt und dann auch die Möglichkeit hat zu vergleichen bei den einzelnen Anbietern und dann schauen kann, dass ich für das, was ich dann zahlen muss, auch eine gute Qualität bekomme.

    Armbrüster: Und was ist denn Ihr Eindruck? Gibt es da aufseiten der Politik Bereitschaft, so etwas zu machen, stärker auf die Qualität zu achten und nicht nur auf den Preis?

    Tenberge-Weber: Das ist auch ganz unterschiedlich. Das hängt natürlich auch von der Finanzkraft der einzelnen Kommunen ab und auch von der Bereitschaft wie gesagt der Eltern, dass sie da mehr Geld investieren. Also das ist ein sehr schwieriges Thema, das so klar zu beantworten, so grundsätzlich zu sagen, dass die Bereitschaft da ist. Ich denke, das ist einfach auch ein Thema, das gesellschaftlich auch jetzt sehr stark diskutiert wird, und ich glaube, dass es wichtig ist, sich klarzumachen, Prioritäten zu setzen, was ist uns die Gesundheit der Kinder wert, wie viel investieren wir da, auch mit Blick auf die Langzeitentwicklung der Kinder. Von daher ist es wichtig, das Thema zu diskutieren, und unser Anliegen ist es, auch den Schulträgern klarzumachen, in Ausschreibungen Qualitätskriterien aufzunehmen, sich zentral darum zu kümmern und das nicht einzelnen Schulen, einzelnen Vereinen zu überlassen, sondern wirklich die Verantwortung annehmen und gemeinsam mit den Schulen Verpflegungskonzepte und Verpflegungsangebote zu organisieren.

    Armbrüster: ... , sagt Ursula Tenberge-Weber von der Verbraucherzentrale NRW. Besten Dank, Frau Tenberge-Weber, für das Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.