Gefährliche Stoffe
Wie Weichmacher die Gesundheit schädigen können

Weichmacher sind in Alltagsgegenständen wie Sonnencreme und Spielzeug enthalten. Einer der Stoffe, DnHexP, ist in der EU verboten, weil er als bedenklich eingestuft wurde. Doch wurde er im Urin vieler Kinder entdeckt. Welche Wirkung haben Weichmacher?

    Projektleiterin Yvonni Chovolou, Toxikologin des Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) Nordrhein-Westfalen nimmt tiefgefrorene Urinproben aus einem Gefrierschrank in einem Labor. Mit ihrem Team konnte sie den Weichmacher Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP), der die Fruchtbarkeit schädigen soll, in zahlreichen Urinproben von Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen nachweisen.
    Spuren eines Weichmachers wurden im Urin von Kindern nachgewiesen. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Der Weichmacher DnHexP (Di-n-hexyl-Phthalat) ist seit 2013 in der EU in Kosmetik, in Spielzeug und auch in Lebensmittelverpackungen verboten. Er steht auf der Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe.
    Trotzdem ist er jetzt in vielen Urinproben nachgewiesen worden. Bei der immer noch laufenden 6. Deutschen Umweltstudie zu gefährlichen Stoffen ist ein Abbauprodukt des Weichmachers entdeckt worden – und zwar in etwa 37 Prozent der Proben.
    Im Urin ist der Stoff als sogenannter Metabolit MnHexP nachweisbar. Dabei dürfte man so einen Stoff laut Bundesumweltamt-Experten nicht im Körper finden. Laut Experten ist das besonders für Kinder und Jugendliche gefährlich. Dass Behörden und Forscher jetzt bundesweit ganz genau hinschauen, liegt daran, dass es in Nordrhein-Westfalen vermehrt auffällige Urinproben gab.

    Inhalt

    Was sind Weichmacher und wofür werden sie verwendet?

    Weichmacher sind Stoffe, die spröden Materialien zugesetzt werden, um sie biegsam oder dehnbar zu machen. Als Weichmacher setzt die Industrie nach Angaben des Umweltbundesamts unterschiedliche Stoffe ein. Mengenmäßig überwiegen demnach sogenannte schwerflüchtige Phthalsäureester. Es können aber auch Weichharze, ölartige Stoffe oder Naturstoffe wie Kampfer-, Rizinusöl oder Zitrate genutzt werden.
    Phthalate sind laut Bundesinstitut für Risikobewertung eine Familie chemischer Verbindungen, die in der Vergangenheit in großem Maßstab vor allem als Weichmacher für harte und brüchige Kunststoffe verwendet wurden. „Die Zugabe von 30 bis 40 Prozent Weichmacher zum Kunststoff verleiht beispielsweise dem eigentlich harten und spröden PVC (Polyvinylchlorid) elastische Eigenschaften und macht es flexibel (Weich-PVC).“
    Phthalate wie das in Urinproben gefundene DnHexP wurden oder werden deshalb zum Beispiel in Kabeln, Folien, Fußbodenbelägen, Schläuchen, Sport- und Freizeitartikeln, Medizinprodukten und Deckeldichtungen von Schraubgläsern für Lebensmittel eingesetzt. Phthalate werden auch verwendet in Bekleidung, Klebstoffen, Dichtungsmitteln, Farben, Gummimaterialien, Verpackungen sowie als Beschichtungen, Lösungsmittel oder Hydraulikflüssigkeiten. Inzwischen ist die Verwendung von Phthalaten allerdings in vielen Produkten untersagt oder ihr Einsatz streng reglementiert.

    Wie und worüber nehmen wir Weichmacher auf?

    Mit der Zeit können diese Stoffe aus den Produkten entweichen und so gelangen sie dann auch in unseren Körper. Weil Phthalate in der Vergangenheit in großen Mengen produziert und eingesetzt wurden, kann man sie nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung zudem „nahezu überall in der Umwelt und als Verunreinigung (Kontamination) in vielen Lebensmitteln nachweisen“.
    Die Hauptgefahr bei Kosmetikprodukten im Sinne von hormonell wirksamen Stoffen seien unter anderem Phthalate als Weichmacher, die „aus der Packung in die Kosmetik hineingehen“ könnten, sagt Johanna Hausmann von der Nichtregierungsorganisation „Women Engage for a Common Future“, die das Thema Frauengesundheit als Anliegen hat.
    Phthalate machen Kunststoffe weich, zum Beispiel bei Tuben für Zahnpasta oder Hautcremes. Wenn so ein Stoff in das Produkt übergeht, nehmen Menschen winzige Mengen davon auf – genau wie bei Plastikspielzeug und vielen Verpackungen.
    Die Weichmacher können laut Umweltbundesamt aus Material austreten: „Sie gelangen dabei in die Umwelt und aus verschiedenen Produkten auch in die Nahrung. Daher können sie in nennenswertem Umfang mit der Nahrung aufgenommen werden. Die direkte Aufnahme über die Haut ist nur bei den kurzkettigen Phthalatestern ausgeprägt, bei den übrigen Phthalatestern ist sie beim Menschen von untergeordneter Bedeutung.“

    Was besagen die jüngsten Untersuchungen?

    Die Fachleute sind durch Proben bei Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen erst auf dieses Problem aufmerksam geworden. Hier wird nämlich alle drei Jahre der Urin von jeweils 250 Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren auf verschiedene Schadstoffe hin analysiert. Dabei wurde der gefährliche Weichmacher zuerst entdeckt.
    Weil 61 Prozent der Urinproben aus dem Jahr 2020/21 den Stoff enthalten, hat das zuständige Landesamt in NRW auch ältere Proben auf den Stoff hin noch einmal untersucht - und dabei ist rausgekommen: Drei Jahre vorher waren deutlich weniger Proben von Kindergartenkindern damit belastet. Auch die Konzentration im Urin war damals noch deutlich geringer. Bei hochbelasteten Kindern habe sie sich in etwa verzehnfacht. Die Expertin beim Bundesumweltamt, Marike Kolossa, sieht ein Problem „größeren Ausmaßes“.
    Die Experten müssen nun klären, warum so viele Proben belastet sind. Bei der Auswertung der Untersuchungsergebnisse zeige sich eine Belastung über ganz NRW, teilte das Landesumweltamt mit. Ein Zusammenhang zwischen dem Wohnort der Kinder und der individuellen Belastung liege nicht vor.
    Möglicherweise könnte der Weichmacher unbemerkt in einem Importprodukt von außerhalb der EU sein. Eine andere Möglichkeit wäre, dass er noch in alten Restbeständen von Produkten aus der EU enthalten ist, die vor dem Verbot produziert wurden. „In unseren ersten, sondierenden Analysen sehen wir einen Zusammenhang zwischen der Belastung mit MnHexP und Kosmetika, darunter insbesondere Sonnenschutzmitteln“, sagte Kolossa Anfang Februar 2024. Auch viele Cremes, darunter Nachtcremes, enthalten laut Kolossa Sonnenschutzmittel.
    Die Erkenntnisse reichten zu diesem Zeitpunkt aber nicht für eine „Maßnahmenempfehlung“. Man suche weiter auf voller Ebene in ganz Deutschland. Das Umweltbundesamt arbeite auch eng mit EU-Behörden zusammen, um die Quelle ausfindig zu machen. Anlass für die Untersuchung von Ende 2023 waren nach Behördenangaben Recherchen einer Journalistin gewesen, die bei Untersuchungen erhöhte MnHexP-Belastungen in Einzelfällen festgestellt habe.

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    Welche gesundheitlichen Schäden bewirken Weichmacher?

    Phthalate sind Weichmacher, die im menschlichen Körper wie Hormone wirken. Sie können bei Männern zu einer geringeren Spermienzahl führen und der Stoff soll sich auch auf die Geschlechtsorgane von männlichen Babys im Mutterleib auswirken.
    Tierversuche haben außerdem gezeigt, dass der Weichmacher bei Erwachsenen das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöht. Zudem stehen Phthalate schon seit Längerem im Verdacht, Krebs auszulösen. Je nach ihrer chemischen Struktur können Phthalate unter anderem auch die Funktion der Leber beeinflussen. Allerdings treten diese Effekte erst bei bestimmten Konzentrationen auf.
    Die Gesundheitsschädlichkeit ist nach Angaben der Expertin Kolossa zudem additiv mit anderen Phthalaten, das heißt, die Wirkungen einzelner Phthalate addierten sich zu einer Gesamtwirkung.

    Welche Grenzwerte für Weichmacher gibt es?

    Für die verschiedenen Phthalate gibt es laut Bundesinstitut für Risikobewertung je nach Anwendungsbereich unterschiedliche Grenzwerte, um die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. „In manchen Produkten wie Spielzeug oder Lebensmittelverpackungen ist der Einsatz bestimmter Phthalate seit Jahren verboten oder sehr stark eingeschränkt. Entsprechend sind für diese Phthalate in den vergangenen Jahren sowohl die Produktion in Europa als auch die Aufnahme der Phthalate durch die Bevölkerung rückläufig“, so das Institut auf seiner Webseite.
    Der Weichmacher DnHexP könne trotz Verbots dennoch in der EU auftreten, etwa in Importerzeugnissen, die den Stoff enthalten, sagte Chemikalienexperte Lars Tietjen vom Umweltbundesamt. Er könne möglicherweise auch in alten in der EU produzierten Produkten erhalten sein. „Hinweise auf größere verarbeitete Mengen liegen mir nicht vor, aber ausschließen kann man es nicht.“

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