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Weltenergiebericht 2019
Die Zügellosigkeit beim Energieverbrauch ist ungebremst

Obwohl die globale Erwärmung energisches Gegensteuern erfordere, steige die Emissionen von CO2 noch immer, warnt die Internationale Energieagentur im neuen Bericht. Hauptursachen seien fossile Energieerzeugung - und SUVs. Weltweit vereinbarte Nachhaltigkeitsziele würden langfristig deutlich verfehlt.

Von Volker Mrasek | 13.11.2019
Ein Bagger arbeitet vor dem Kraftwerk Weisweiler im RWE Braunkohle Tagebau Inden.
Ein Bagger vor dem Kraftwerk Weisweiler im RWE Braunkohle Tagebau Inden: Die Kohlekommission hat ein Konzept für einen Kohleausstieg bis spätestens 2038 vorgelegt. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
In ihrem neuen Welt-Energie-Ausblick beschreibt die IEA wie gewohnt mögliche Entwicklungspfade in der Zukunft. Diesmal blicken die Fachautoren der Internationalen Energieagentur aber auch zurück in die Vergangenheit:
"Seit dem Jahr 1919 ist die Weltbevölkerung von unter einer Milliarde auf weit über sieben Milliarden gewachsen. Und wir verbrauchen heute, hundert Jahre später, zehn Mal soviel Energie! Bisher ging es vornehmlich darum, den steigenden Energiebedarf zu decken, statt den Verbrauch von Brennstoffen zu reduzieren."
Der britische Wirtschaftswissenschaftler Tim Gould. Er ist einer der Hauptautoren des Berichts. Darin beklagen die IEA-Experten ein starkes Missverhältnis. Obwohl die globale Erwärmung energisches Gegensteuern erfordere, stiegen die Emissionen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid noch immer. Hauptursache: die Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas:
"Es ist interessant zu sehen, was die CO2-Emissionen in letzter Zeit hochtreibt. Das ist vor allem die fossile Energieerzeugung und an zweiter Stelle sind es SUVs. Die Geländewagen verbreiten sich viel schneller als Elektroautos. Mehr als 200 Millionen sind derzeit auf den Straßen unterwegs, aber nur knapp über fünf Millionen Elektroautos. Allein 2018 wurden weltweit 33 Millionen SUVs verkauft. Diese Fahrzeuge lassen sich nur schwer elektrifizieren und sie verbrauchen rund ein Viertel mehr Energie als normale Mittelklassewagen."
Einsatz fossiler Energieträger nimmt weiter zu
In ihrem Report präsentieren Gould und seine Kollegen verschiedene Szenarien für die Zukunft. Eines davon zeigt, was geschähe, wenn die Regierungen alles umsetzten, was sie sich vorgenommen haben, um Energie effizienter zu nutzen und Emissionen zu reduzieren.
Selbst dann, so das Ergebnis, würde der globale Energiebedarf bis 2040 weiter zunehmen, und zwar um ein Prozent jährlich. Damit verbunden wären dann auch weiter steigende CO2-Emissionen.
Die Politik betreibe den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger wie Windkraft und Photovoltaik nicht mit dem nötigen Nachdruck, folgert Tim Goulds Kollegin, die italienische Umweltingenieurin Laura Cozzi:
"Noch immer bilden Kohle-Kraftwerke das Rückgrat der Energieerzeugung. Ihr Anteil liegt nach wie vor bei fast 40 Prozent. Weltweit sind Anlagen mit einer Leistung von über 2.000 Gigawatt installiert. 170 Gigawatt werden derzeit zugebaut, und es gibt Pläne für weitere Kraftwerke. Die meisten dieser Anlagen stehen in Asien und sollen 40 Jahre oder länger laufen."
Afrika rückt stärker in den Blickpunkt
Es gebe mehrere Wege, um die Emissionen der ganzen Kohlemeiler zu verringern, heißt es im neuen Welt-Energie-Ausblick. Man könne die Anlagen mit einer CO2-Abscheidung nachrüsten, oder sie auf die Ko-Verbrennung von Biomasse umstellen, wie es zum Beispiel in Großbritannien geschieht. Und natürlich könne man sie auch vorzeitig außer Betrieb nehmen.
Erstmals legt die IEA in ihrem Ausblick ein besonderes Augenmerk auf Afrika. Nirgendwo sonst werde die Bevölkerung in den nächsten zwanzig Jahren so stark wachsen, sagt Laura Pozzi:
"40 Prozent aller zuletzt neuentdeckten Erdgasvorkommen liegen in Afrika, und immer mehr Menschen dort werden bald Gas anstelle von Biomasse zum Kochen verwenden. Dabei könnte man auch die Solarenergie auf dem Kontinent kräftig ausbauen. In Afrika schlummern 40 Prozent des weltweiten Potenzials von Photovoltaik-Anlagen. Ausgeschöpft ist bisher aber gerade mal ein Prozent."
Von einer wirklich nachhaltigen Energieversorgung, so das Fazit des Berichts, ist die Welt noch immer riesige Schritte entfernt.