Christiane Kaess: Mit zusätzlichen Milliarden-Hilfen will die Staatengemeinschaft den Wiederaufbau in Afghanistan unterstützen. Minister aus 65 Staaten und Vertreter von 15 internationalen Organisationen sind zu einer Geberkonferenz in Paris zusammengekommen. Darunter ist auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Der afghanische Präsident Hamid Karsai hat eine nationale Entwicklungsstrategie bis 2013 vorgelegt, mit der Armut und Korruption bekämpft, die Sicherheit verbessert und die Rechtstaatlichkeit gestärkt werden sollen. Heute Morgen beurteilte Verteidigungsminister Franz-Josef Jung die Erfolge in Afghanistan aus seiner Sicht so:
Jung: Ich finde wir sind hier mit der internationalen Gemeinschaft auf einem erfolgreichen Weg. Es sind wieder statt einer Million Kinder sieben Millionen in den Schulen. Wir haben dort Universitäten. Wir haben das Einkommen verdoppelt. Wir haben 80 Prozent der Grundversorgung der Bevölkerung. Fünf Millionen Flüchtlinge sind wieder in dieses Land zurückgekehrt. Die Menschen sagen auch nach einer Umfrage der Freien Universität Berlin, wir fühlen uns wieder sicherer in Afghanistan.
Kaess: Verteidigungsminister Franz-Josef Jung heute Morgen im Deutschlandfunk. - Am Telefon ist jetzt Theo Riedke. Er ist Regionalgruppenleiter für Zentralasien bei der Welthungerhilfe. Guten Tag Herr Riedke.
Theo Riedke: Guten Tag Frau Kaess.
Kaess: Herr Riedke, decken sich diese Einschätzungen von Verteidigungsminister Jung mit Ihren Erfahrungen in Afghanistan?
Riedke: Nicht ganz. Ich möchte vielleicht kurz darauf zurückkommen, was auch von Präsident Karsai zitiert wurde, dass diese Konferenz ein Meilenstein auf einem langen Weg ist und eine Mammutaufgabe vor einem liegt. Ich denke das ist ganz wichtig, wenn man über Afghanistan diskutiert, zu verstehen, wie komplex und wie schwierig die Rahmenbedingungen sind und die Aufgabe ist, und einen ganz anderen Zeithorizont zu haben, um Sachen zu erreichen, wie das bisher der Fall war.
Kaess: Welchen Zeithorizont schlagen Sie da vor?
Riedke: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ganz viele Strukturen in Afghanistan neu aufgebaut werden müssen, dass es das vorher nicht gab, zusätzlich zu dem, was während der 20 Jahre Bürgerkrieg zerstört wurde. Wenn wir von dezentralen Verwaltungsstrukturen, von Distrikten, die ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen können, sprechen und dies fordern, das muss alles neu aufgebaut werden. Das gab es in dem Maße gar nicht.
Kaess: Das heißt wir sprechen über einen Zeitraum von Jahrzehnten?
Riedke: Ich denke schon, ja.
Kaess: Wofür werden die Milliarden ausgegeben, die auf diesen Geberkonferenzen versprochen werden?
Riedke: Das fragen wir uns auch manchmal. Es gibt große Kritik an der Vergabe dieser Mittel im Hinblick, dass es nicht transparent geschieht und dass es nicht koordiniert geschieht. Sie haben gerade den Außenminister zitiert oder eingespielt, der auch eine bessere Koordination der Gebermittel fordert. Das ist eine Forderung, die Nichtregierungsorganisationen schon seit langer Zeit erheben.
Kaess: Welche Koordination wäre das genau, zwischen ausländischen Regierungen und afghanischer Regierung oder den NGOs?
Riedke: Zwischen den ausländischen Regierungen, dass nicht jede Regierung auf ihre eigenen Schwerpunkte besteht, vielleicht noch die Mittelvergabe an die Präsenz eigenen Militärs und spezieller Regionen knüpft, sondern dass man sich an dem Bedarf der Afghanen teilweise so wie er formuliert ist von der afghanischen Regierung orientiert, aber auch darauf achtet, dass es gleichmäßig über das Land verteilt ist und sich zum Beispiel nicht konzentriert auf Regionen, wo die meisten Unsicherheiten sind.
Kaess: In diesem Zusammenhang gibt es auch die Beschwerde, das Geld werde vor allem von den NATO-Truppen genutzt, um sich selbst zu schützen. Können Sie das bestätigen?
Riedke: Dazu kann ich jetzt nichts sagen. Davon gehe ich jetzt eigentlich auch nicht aus, dass Entwicklungshilfegelder von den NATO-Truppen genutzt werden, um sich zu schützen. Was ein Problem ist, dass überhaupt zivile Wiederaufbauprojekte teilweise von Militärs durchgeführt werden. Das ist auch eine Forderung der Nichtregierungsorganisationen, dass man da ganz klar trennen sollte und die Militärs bei ihren Aufgaben bleiben, die Sicherheit zu unterstützen und aufzubauen, die afghanischen Institutionen auszustatten, zu beraten und die Wiederaufbauprojekte wirklich den staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen übertragen werden.
Kaess: Den Punkt Transparenz haben Sie auch angesprochen. Wo liegt da genau das Problem?
Riedke: Es gibt immer noch große Mittel. Es gibt Untersuchungen die sagen, bis zu zwei Drittel der Mittel, dieser Milliarden, die dort in Paris diskutiert werden, gehen an der afghanischen Regierung vorbei im Sinne davon, dass sie weder an der Planung noch an der Durchführung noch an dem Monitoring dieser Projekte in irgendeiner Weise beteiligt ist.
Kaess: Hat das auch etwas mit Korruption zu tun?
Riedke: Das hat sicherlich auch etwas mit Korruption zu tun. Das hat damit zu tun, dass afghanische Fachleute in allen Ebenen fehlen. Das ist auch immer wieder eine Forderung, dass man die Reform des öffentlichen Dienstes - vernünftige Gehälter, Weiterbildung - endlich auf den Weg bringen müsste - und zwar nicht nur in Kabul und in den großen Städten, sondern vor allen Dingen auch auf dem Land.
Kaess: Herr Riedke, werden die Erfolge des Wiederaufbaus auch gemessen und damit belegt?
Riedke: Nein. Das findet bis jetzt so auch noch nicht statt. Es gibt eine Kommission, eine Institution zusammen mit der UN, die dies messen soll und beurteilen soll und für Transparenz sorgen soll. Dieser Bereich ist unterbesetzt und auch finanziell nicht entsprechend ausgestattet, um seiner Aufgabe auch wirklich nachkommen zu können.
Kaess: Theo Riedke war das von der Welthungerhilfe. Vielen Dank für das Gespräch.
Jung: Ich finde wir sind hier mit der internationalen Gemeinschaft auf einem erfolgreichen Weg. Es sind wieder statt einer Million Kinder sieben Millionen in den Schulen. Wir haben dort Universitäten. Wir haben das Einkommen verdoppelt. Wir haben 80 Prozent der Grundversorgung der Bevölkerung. Fünf Millionen Flüchtlinge sind wieder in dieses Land zurückgekehrt. Die Menschen sagen auch nach einer Umfrage der Freien Universität Berlin, wir fühlen uns wieder sicherer in Afghanistan.
Kaess: Verteidigungsminister Franz-Josef Jung heute Morgen im Deutschlandfunk. - Am Telefon ist jetzt Theo Riedke. Er ist Regionalgruppenleiter für Zentralasien bei der Welthungerhilfe. Guten Tag Herr Riedke.
Theo Riedke: Guten Tag Frau Kaess.
Kaess: Herr Riedke, decken sich diese Einschätzungen von Verteidigungsminister Jung mit Ihren Erfahrungen in Afghanistan?
Riedke: Nicht ganz. Ich möchte vielleicht kurz darauf zurückkommen, was auch von Präsident Karsai zitiert wurde, dass diese Konferenz ein Meilenstein auf einem langen Weg ist und eine Mammutaufgabe vor einem liegt. Ich denke das ist ganz wichtig, wenn man über Afghanistan diskutiert, zu verstehen, wie komplex und wie schwierig die Rahmenbedingungen sind und die Aufgabe ist, und einen ganz anderen Zeithorizont zu haben, um Sachen zu erreichen, wie das bisher der Fall war.
Kaess: Welchen Zeithorizont schlagen Sie da vor?
Riedke: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass ganz viele Strukturen in Afghanistan neu aufgebaut werden müssen, dass es das vorher nicht gab, zusätzlich zu dem, was während der 20 Jahre Bürgerkrieg zerstört wurde. Wenn wir von dezentralen Verwaltungsstrukturen, von Distrikten, die ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen können, sprechen und dies fordern, das muss alles neu aufgebaut werden. Das gab es in dem Maße gar nicht.
Kaess: Das heißt wir sprechen über einen Zeitraum von Jahrzehnten?
Riedke: Ich denke schon, ja.
Kaess: Wofür werden die Milliarden ausgegeben, die auf diesen Geberkonferenzen versprochen werden?
Riedke: Das fragen wir uns auch manchmal. Es gibt große Kritik an der Vergabe dieser Mittel im Hinblick, dass es nicht transparent geschieht und dass es nicht koordiniert geschieht. Sie haben gerade den Außenminister zitiert oder eingespielt, der auch eine bessere Koordination der Gebermittel fordert. Das ist eine Forderung, die Nichtregierungsorganisationen schon seit langer Zeit erheben.
Kaess: Welche Koordination wäre das genau, zwischen ausländischen Regierungen und afghanischer Regierung oder den NGOs?
Riedke: Zwischen den ausländischen Regierungen, dass nicht jede Regierung auf ihre eigenen Schwerpunkte besteht, vielleicht noch die Mittelvergabe an die Präsenz eigenen Militärs und spezieller Regionen knüpft, sondern dass man sich an dem Bedarf der Afghanen teilweise so wie er formuliert ist von der afghanischen Regierung orientiert, aber auch darauf achtet, dass es gleichmäßig über das Land verteilt ist und sich zum Beispiel nicht konzentriert auf Regionen, wo die meisten Unsicherheiten sind.
Kaess: In diesem Zusammenhang gibt es auch die Beschwerde, das Geld werde vor allem von den NATO-Truppen genutzt, um sich selbst zu schützen. Können Sie das bestätigen?
Riedke: Dazu kann ich jetzt nichts sagen. Davon gehe ich jetzt eigentlich auch nicht aus, dass Entwicklungshilfegelder von den NATO-Truppen genutzt werden, um sich zu schützen. Was ein Problem ist, dass überhaupt zivile Wiederaufbauprojekte teilweise von Militärs durchgeführt werden. Das ist auch eine Forderung der Nichtregierungsorganisationen, dass man da ganz klar trennen sollte und die Militärs bei ihren Aufgaben bleiben, die Sicherheit zu unterstützen und aufzubauen, die afghanischen Institutionen auszustatten, zu beraten und die Wiederaufbauprojekte wirklich den staatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen übertragen werden.
Kaess: Den Punkt Transparenz haben Sie auch angesprochen. Wo liegt da genau das Problem?
Riedke: Es gibt immer noch große Mittel. Es gibt Untersuchungen die sagen, bis zu zwei Drittel der Mittel, dieser Milliarden, die dort in Paris diskutiert werden, gehen an der afghanischen Regierung vorbei im Sinne davon, dass sie weder an der Planung noch an der Durchführung noch an dem Monitoring dieser Projekte in irgendeiner Weise beteiligt ist.
Kaess: Hat das auch etwas mit Korruption zu tun?
Riedke: Das hat sicherlich auch etwas mit Korruption zu tun. Das hat damit zu tun, dass afghanische Fachleute in allen Ebenen fehlen. Das ist auch immer wieder eine Forderung, dass man die Reform des öffentlichen Dienstes - vernünftige Gehälter, Weiterbildung - endlich auf den Weg bringen müsste - und zwar nicht nur in Kabul und in den großen Städten, sondern vor allen Dingen auch auf dem Land.
Kaess: Herr Riedke, werden die Erfolge des Wiederaufbaus auch gemessen und damit belegt?
Riedke: Nein. Das findet bis jetzt so auch noch nicht statt. Es gibt eine Kommission, eine Institution zusammen mit der UN, die dies messen soll und beurteilen soll und für Transparenz sorgen soll. Dieser Bereich ist unterbesetzt und auch finanziell nicht entsprechend ausgestattet, um seiner Aufgabe auch wirklich nachkommen zu können.
Kaess: Theo Riedke war das von der Welthungerhilfe. Vielen Dank für das Gespräch.