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Wenn Menschen mit Maschinen reden

Die Sprache ist der große Unterschied zwischen Tier und Mensch. Es gibt aber Grauzonen: Zeichensprache, auf die auch Schimpansen trainiert werden können, oder klein kindliches Brabbeln. Neuerdings ist sogar eine Art Kommunikation mit Robotern möglich.

Von Volkart Wildermuth | 08.08.2013
    Ein Schimpanse gibt seinem Unmut Ausdruck. Eine Form der Kommunikation, aber eine ganz einfache, denn hier setzt sich ganz direkt ein Gefühl um in eine Äußerung. Wenn Schimpansen komplexere Botschaften übermitteln wollen, dann nutzen sie nicht ihre Stimme, sondern ihre Hände. "Komme her", "Gibt etwas ab", "Lass uns lausen," über 60 Gesten hat die Verhaltensforscherin Catherine Hobaiter im Budongo Wald in Uganda beobachtet.

    "”Junge Affen probieren all diese Gesten aus. Manche führen schneller zum Ziel: Ältere Tiere verwenden deshalb nur wenige, aber effektive Gesten.""

    Das ist vergleichbar mit den menschlichen Sprachlauten. Babys können die Phoneme aller Sprachen verstehen, doch schnell nutzen sie nur noch die ihrer Muttersprache. Deshalb haben Chinesen Schwierigkeiten mit L und R, umgekehrt lassen sich chinesische Laute von deutschen Ohren schlecht unterscheiden. Die Gesten der Schimpansen sind trotz dieser Ähnlichkeit keine direkten Vorläufer der menschlichen Sprache. Im Urwald geht es immer um Befehle und Wünsche nicht um ein wechselseitiges Gespräch. Vor allem eine Geste fehlt im Repertoire der Schimpansen, das Zeigen mit dem Finger.

    "”Warum machen sie das nicht? Zeigen ist so nützlich, besonders im Urwald: da ist die Frucht, lass uns dorthin gehen. Aber in über sechs Jahren aber wir nur zwei, drei Mal eine Zeigegeste beobachtet.""

    Kinder sind da ganz anders. Sie zeigen ständig, um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern oder Spielkameraden zu lenken. Für den Leipziger Anthropologen Michael Tomasello ist die Zeigegeste die Wurzel des menschlichen Sprachvermögens.

    "Menschliche Kommunikation entwickelte sich im Kontext der Kooperation. Ich zeige dir etwas, um dir zu helfen und mir hilft es auch, denn wir machen das gemeinsam."

    Das Zeigen öffnet einen gemeinsamen Raum der Aufmerksamkeit, ermöglicht so wechselseitige Kommunikation und damit letztlich ein Gespräch. Und erst die Sprache unterscheidet den Menschen vom Affen. Wenn menschliche Babys und Schimpansen auf die Welt kommen, dann haben sie ein ganz ähnliches intuitives Verständnis von Objekten, von handelnden Akteuren und soziale Konstellationen, von Geometrie und Mengen. Das konnte die Entwicklungspsychologin Elisabeth Spelke an der Harvard-Universität nachweisen. Doch irgendwann entwickelt sich bei den Kleinkindern aus einem Gefühl für Zahlen so etwas wie ein mathematisches Verständnis.

    "Das Erlernen einer Sprache ist entscheidend für solche Entwicklungssprünge. Sie sind einzigartig für Menschen und erklären, warum unsere Art, die doch in vielen Fähigkeiten so den Tieren gleicht, ganz neue Systeme des Wissens entwickelt, die sich so von den Tieren unterscheiden. Damit das möglich ist, muss die Fähigkeit zum Spracherwerb weitgehend angeboren sein."

    Diese These wird unter den Kognitionsforschern durchaus kontrovers diskutiert. Unstrittig war aber in Berlin, dass die Sprache den Horizont des Menschen gewaltig erweitert, dass aber die ursprünglicheren Kommunikationsformen wie Mimik oder Gestik ihre Bedeutung behalten. Das zeigt sich besonders deutlich ausgerechnet im Umgang mit Robotern. Cynthia Breazeal hat mit ihrer Personal Robots Group am MIT in Boston einen ganzen Zoo von autonomen Maschinen gebaut. Leonardo sieht aus wie ein pelziger Yoda, Aida wie ein Transistorradio mit Augen, MDS gleicht einem kleinen Kettenfahrzeug mit Armen und einem großen Schaufensterpuppenkopf. Entscheidend ist, dass all diese Roboter Kommunikationssignale aussenden, Blickkontakt aufbauen, bestätigend Nicken.

    "”Der soziale Aspekt ist wichtig, wenn Roboter mit Menschen zusammenarbeiten sollen und nicht nur als Werkzeug genutzt werden.""

    Cynthia Breazeal nutzt die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie als Inspiration für die sozialen Programme ihrer Roboter. Sie können Verhalten imitieren und die Perspektive von anderen einnehmen, die neueste Generation ist sogar in der Lage, aus der Körpersprache abzuleiten, ob ein Mensch vertrauenswürdig ist oder nicht. Wenn Menschen ins Labor von Cynthia Breazeal kommen, können sie gar nicht anders, als die Maschinen als soziales Gegenüber wahrzunehmen, ihnen Absichten und Gefühle zuzuschreiben. Obwohl da natürlich keine Gefühle sind, nur Code.

    "Das ist keine Täuschung, die Roboter modellieren menschliches Verhalten, aber sie sind offensichtlich keine Menschen. Sie sprechen und unterstützen bei Aufgaben, aber die Leute betrachten sie eher als Gehilfen, wie im Comic. Ich bin der Superheld, und sie sind der Sidekick. Der Roboter hilft dem Menschen, seine Ziele zu erreichen."

    Und das gelingt tatsächlich besser, wenn Roboter soziale Signale aussenden, das konnte Cynthia Breazeal bei einem Experiment nachweisen, bei dem Menschen mit zwei Robotern zusammenarbeiten mussten.

    "Waren die sozialen Signale eingeschaltet, waren die Menschen weniger gestresst, sie arbeiteten schneller und das Team löste seine Aufgabe besser."

    Auch in der Beziehung Mensch-Roboter wirken soziale Signale als Schmierstoff. Kein Wunder, dass der erste soziale Roboter den Sprung vom Labor in den Markt geschafft hat. Für 200 Dollar hilft Autom beim Abnehmen. Der kleine Roboter hat einen Touchscreen auf dem Bauch, dort trägt man Gewicht, Mahlzeiten und Bewegung ein. Autom gibt dann passende Ratschläge, gleichzeitig nimmt er über seine beiden großen Augen Blickkontakt auf.

    "Dank seiner sozialen Fähigkeiten stellt der Roboter eine Beziehung her. Die Leute hatten mit dem Roboter mehr Erfolg, als mit einem bloßen Computerprogramm. Das zeigt, diese sozialen Elemente sind wichtig für die Leute."