Freitag, 29. März 2024

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Geplantes Werbeverbot
Saures für den Sport

Nutella, McDonalds, Coca-Cola: Bundesernährungsminister Cem Özdemir will Werbung für ungesunde Lebensmittel zukünftig einschränken, die sich speziell an Kinder richtet. Dem organisierten Sport könnten dadurch wichtige Gelder verloren gehen.   

Von Sabine Lerche | 26.03.2023
Mannschaften laufen ein - Länderspiel USA vs. Deutschland, RFK Stadium, GER v.li.: Miroslav Klose, Marc Andre ter Stegen, Marcell Jansen, Sven Bender, Andre Schürrle, Per Mertesacker, Lars Bender, Stefan Reinartz
McDonald's war mehrmals Sponsor der Einlaufkinder bei Nationalspielen. (imago sportfotodienst / imago sportfotodienst)
Ob nun die deutsche Fußballnationalmannschaft Nutella zum Frühstück isst oder dank Cola Manuel Neuer auf dem Sofa erscheint: Werbebeispiele für ungesunde Getränke oder Lebensmittel finden sich auch im Sport. 
"Aus Sicht eines Süßwarenherstellers macht Werbung im Sport, macht Sportsponsoring sehr häufig sehr viel Sinn", erklärt Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie an der Deutschen Sporthochschule. "Weil sie über den Sport eben an interessante Zielgruppen herankommen und gleichzeitig ihr Image positiv darstellen können."

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Daher gebe es neben Werbespots auch Kooperationen des Sports mit Lebensmittel-Konzernen: McDonald’s sponsorte bei der Fußball-WM 2014 und der EM 2016 die Einlaufkinder und einer der größten Fan-Gemeinschaften im Fußball ist der Coca-Cola Fanclub Nationalmannschaft. Der Getränkehersteller ist nicht nur Premium-Partner des DFB, sondern auch Sponsor der Olympischen Spiele.

Einschränkung internationaler Werbepartner unrealistisch

Wären international relevante Werbekooperationen überhaupt von einem Werbeverbot in Deutschland betroffen? Nein, solche Gesetzesvorgaben würden nur nationales Recht betreffen und keine internationalen Sportveranstaltungen, sagt Sportmarketing-Experte Peter Rohlmann. Er leitet eine Marketingagentur im Bereich Sportbusiness:
"Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, dass das, was jetzt dort in Gang gebracht worden ist, dass das auch nur eine kleine Chance einer Realisierung hat." Es gebe in seinen Augen zu viele Punkte, die nicht bedacht seien: internationale Werbevorgaben, Verluste durch ins Ausland abwandernde Werbetreibende und die schlechte Kontrolle von Internetwerbung.
"Wir machen kein allgemeines Werbeverbot, auch für Chips und Schokolade darf weiter geworben werden," stellte Bundesernährungsminister Cem Özdemir in seinem Gesetzesvorschlag klar: "Aber diese Werbung darf sich eben nicht mehr gezielt an Kinder richten."

Konsum von Süßigkeiten auch vom Umfeld abhängig

Aber welche Werbung richtet sich denn gezielt an Kinder? Gehören Sportler und Sportlerinnen auf kinder-Produkten der Firma Ferrero nicht dazu?
Doch, findet Peter Rohlmann, der sich auch mit Kinder-Marketing im Fußball befasste: "Die sehen in diesen Sporthelden, die sie verehren und die auch für bestimmte Produkte auftreten, erstmal Heroes. Das sind Ideale, das sind Vorbilder, denen sie nacheifern möchten. Die wollen so sein wie Schweinsteiger."

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Das allein reiche aber noch nicht, Begehren nach dem Produkt zu wecken, erklärt Rohlmann: "Ich muss durch meine Bedingungen eine Aufnahmebereitschaft haben: Oh ja, die Chips, die möchte ich jetzt auch essen! Das heißt: Wenn ich also durch meine Eltern erzogen bin, dass ich jeden Morgen erst mal meine Möhren rasple und mein Müsli esse, dann geht das an mir vorbei. Das heißt, das ist nicht immer eins zu eins der Fall. Dafür sind die Menschen viel zu unterschiedlich."
Auf Anfrage des Deutschlandfunks an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, welche Werbung im Sportbereich konkret unter das angestrebte Werbeverbot fallen würde, antwortet ein Sprecher schriftlich:
"Reguliert werden soll nur ein kleiner Teil des Sponsorings, nämlich das an Kinder gerichtete Sponsoring im Kontext mit konkreten Lebensmitteln mit hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehalten. Die Bewerbung von Marken, das heißt auch Lebensmittelmarken, kann weiterhin im Rahmen des Sponsorings erfolgen. Produkt- und Verpackungsgestaltung werden durch den Gesetzentwurf nicht erfasst."
Ziel des Gesetzes soll sein, Kinder vor ungesunder Ernährung zu schützen.

Werbeverbot könnte Arbeit im Breitensport erschweren

Neue Verbote in der Werbebranche könnten aber auch dazu führen, dass Gelder für gesundheitsfördernde Sportangebote fehlen, prognostiziert Sportökonom Breuer:
"Werbeverbot für Süßwaren wäre sicherlich nicht der Tod des organisierten Sports. Aber es würde die Arbeit in einigen Bereichen schwieriger machen, in denen die Arbeit ohnehin schon schwierig ist. Gutes Beispiel hierfür sind die Maßnahmen im Bereich des Sportabzeichens."
Wäre man konsequent, müsste man wohl auch Einnahmen durch Kuchenverkauf in der Vereinskasse oder von Süßwaren-Produzenten finanzierte Breitensport-Projekte einschränken. Letzteres befürchtet auch der DOSB. Auf Deutschlandfunk-Anfrage antwortet der Verband schriftlich:
"Wir werden uns in die politische Diskussion intensiv einbringen und dabei deutlich machen, dass der Sport, der in unvergleichlicher Breite und Vielfalt in unserer Gesellschaft Angebote für Bewegung und Gesundheit schafft, auch die Möglichkeit haben muss, sich über Sponsoring zu refinanzieren.“
Ein Beispiel für so ein Angebot ist die Kampagne "Joy of Moving". Eine Zusammenarbeit von DOSB und Ferrero, die Kinder für das Deutsche Sportabzeichen begeistern soll. Für den Sport allerdings ein zweischneidiges Schwert, weiß Breuer aus der Sponsoring-Forschung:
"Weil dieser Imagetransfer in beide Richtungen wirkt, sieht der Sport nicht immer so gesundheitsförderlich aus, wie er eigentlich ist. Also wenn ein Süßwarenhersteller lange Zeit intensiv einen Teilbereich des Breitensports bewirbt, dann kann in der Wahrnehmung von der Öffentlichkeit durchaus auch der Eindruck entstehen, dass das vielleicht gar nicht so gesundheitsförderlich alles ist."
Nicht jede Werbung für Süßigkeiten verführt gleich zum Naschen. Umgekehrt geht aber auch nicht jeder Mensch gleich joggen, weil auf der Chipstüte für den Sportverein geworben wird, erklärt Breuer:
"Ob das dann tatsächlich funktioniert, ob dann noch sportabstinente Kinder tatsächlich zum Sport bewegt werden können nur durch diese Information? Gleichwohl ist es natürlich insgesamt positiv, wenn an vielen Stellen sozusagen über die Möglichkeiten des Kinder- und Jugendsports berichtet wird."