Die ersten Menschen, die Weihnachten gefeiert haben, waren die drei Weisen aus dem Morgenland, die zum Stall von Bethlehem kamen, um dem neugeborenen Jesuskind zu huldigen. Zu dem abgelegenen Stall im abgelegenen Bethlehem hat sie ein hell leuchtender Stern geführt, so steht es jedenfalls im Matthäus-Evangelium. Zweitausend Jahre später strahlen in unseren Städten und Dörfern Tausende elektrischer Weihnachtssterne und Straßenlaternen und Neonreklame und verschmutzen den Himmel mit ihrem Streulicht. Den Stern von Bethlehem würde man gar nicht mehr sehen, oder doch? Gerhard Richter ist der Frage nachgegangen, und zwar im brandenburgischen Westhavelland. Dort entsteht Deutschlands erster Sternenpark, weil der Himmel dort besonders dunkel ist.
Nur wenige Straßenlaternen beleuchten das kleine Dorf Gülpe, dafür strahlt der Himmel mit seinen Tausenden Sternen in voller Pracht. Die Milchstraße zieht sich als helles Band quer übers Firmament. Andreas Hänel hält eine kleine schwarze Box hoch, groß wie eine Zigarettenschachtel. Es ist ein astronomisches Messinstrument, ein Sky -Quality-Meter:
"So jetzt machen wir mal ne Messung der Himmelhelligkeit, und das zeigt mir jetzt einen Wert an, und 21,3 heißt also Größenklassen pro Quadratbogensekunde, das ist die astronomische Flächenhelligkeit des Himmels und das wird mit diesem Gerät gemessen."
Die 21,3 auf dem Display ist ein Spitzenwert. So dunkel wie hier in Gülpe ist es fast nirgendwo in Deutschland. Auf der schwäbischen Alb oder in der Rhön gibt es einen ähnlich finsteren Himmel mit ähnlich vielen Sternen. Für Andreas Hänel, den Leiter der Osnabrücker Sternwarte, ist das ein Schatz, den er unbedingt bewahren will. Dabei hilft ihm Kordula Isermann, die den Naturpark Westhavelland leitet. Das ist ein 1.300 Quadratmeter großes Gebiet mit feuchten Wiesen und Wäldern, die Havel fließt träge durch und bietet Lebensraum für Tausende Tiere, darunter Deutschlands letzte Großtrappen. Künstliches Licht stört die Lebensräume von Vögeln, Insekten sogar von Fischen, sagt Kordula Isermann:
"Hier an der Havel, an der Schleuse, an ökologisch sensiblen Bereichen, wo Licht teilweise ist, das hat ja eine richtige Staubsauger-Wirkung und ich freu mich über jedes Licht, was nicht erforderlich ist und dann auch ausgemacht wird."
An Weihnachten ist das natürlich schwer zu vermitteln, wo sich fast jeder nach Licht sehnt und sein Haus mit Lichterketten und Sternen schmückt. Das schafft zwar eine zeitgenössisch-moderne Weihnachtsstimmung, verhindert dadurch aber den Blick auf die Sterne. Und zu viel Kunstlicht am Abend kann auch uns Menschen schaden. Unser Körper braucht klare Unterschiede zwischen Tag und Nacht, damit unsere innere Uhr richtig tickt, sagt Chronobiologe Thomas Kantermann.
"Künstliches Licht nach dem Sonnenuntergang gaukelt unserer inneren Uhr vor: Wir haben noch Tag."
Und das kann das empfindliche Hormonsystem durcheinanderbringen, welches regelt, zu welcher Zeit, was in unserem Körper passiert.
"Das sind biochemische Prozesse, das ist Verdauung, das ist Konzentrationsleistung, das ist Schlaf-Wachrhythmus, da hängt alles mit dran, und auch unsrer Stimmung. Und wir brauchen das Licht, um das richtig zu takten, und wenn das außer Bahn gerät, durch Schichtarbeit, durch Zeitumstellung, durch Jetlag, dann wird dieser Terminkalender durcheinandergebracht."
Ein künstlicher Weihnachtsstern vor dem Schlafzimmerfenster bringt also nicht Heil und Segen, sondern Müdigkeit und schlachte Laune. Also zum Schlafen besser abschalten. Der Blick in den funkelnden Sternenhimmel dagegen erhellt das Gemüt, findet Bob Parks, der Präsident der Dark Sky Association, also der Vereinigung zum Schutz des dunklen Himmels. Die Milchstraße zeigt uns, dass wir auf der Erde am Rande einer Galaxie leben, irgendwo im riesigen Universum.
"Wir brauchen diese Perspektive. Wir müssen unseren Platz kennen, und das ist nicht der Mittelpunkt von allem. Wenn wir den Himmel ausblenden, blenden wir unseren Platz im Universum aus. Und kulturell haben wir das leider die letzten 50 Jahre gemacht."
Der Blick in die Sterne hat uns über Jahrtausende inspiriert, sagt Bob Parks. So wie in der Bibelgeschichte die drei Weisen aus dem Morgenland, die einem Stern gefolgt sind. Welcher Stern das gewesen sein könnte, darüber gibt es einige Theorien. Der Komet Hale Bob war damals unterwegs, aber schon 12 Jahre vor Christi Geburt. Andere glauben, die Geschichte bezieht sich auf eine Konjunktion aus den Planeten Jupiter und Saturn, die im Jahr 6 vor Christi Geburt dreimal sehr nahe beisammenstanden und deshalb wie ein besonders heller Stern wirkten. Zuletzt war diese "Weihnachtsstern"-Konjunktion 1981 zu sehen, und: Und sie war so hell, dass man sie tatsächlich auch an lichtverschmutzten Großstadthimmeln sehen konnte. Das nächste Mal wird sie erst wieder im Jahr 2238 am Himmel auftauchen. Bis dahin kann man am klaren Gülper Nachthimmel andere Wunder bestaunen:
"Und jetzt, wenn wir nach oben gucken, genau über uns kann man so einen diffusen Nebelfleck erkennen, das ist der Andromeda-Nebel, und dieser Nebelfleck, das ist eigentlich das fernste Licht, was wir sehen können, das ist jetzt über zwei Millionen Jahre unterwegs gewesen"
Und das Andreas Hänel das sehen kann, verdankt er nur der spärlichen Beleuchtung im Westhavelland, dem ersten Sternenpark Deutschlands.