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Whistleblower
Bedrohte Art oder ausreichend geschützt?

Korruption, Mitarbeiterüberwachung, Steuerflucht: Whistleblower decken Missstände in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf. Somit sind sie Ausdruck journalistischer Freiheit. Doch gibt es für sie ausreichenden Schutz? Nein, meinen manche und fordern ein Whistleblower-Schutzgesetz. Andere wiederum halten die Idee für kontraproduktiv.

Von Peggy Fiebig | 24.02.2018
    Kleine Figur flüstert in das Ohr eines Mannes
    Aktuell wird über einen besseren Schutz für Whistleblower diskutiert (imago / Ikon Images)
    "Ich mochte den Begriff "Leak" eigentlich nie. Das klingt einfach nicht gut. Und insbesondere meiner Frau gefiel es nie, dass man mich einen "Leaker" nannte. Sie fand, das höre sich so an, als sei ich inkontinent."
    Als "undichte" Stelle, als "Leaker", wurde der US-Amerikaner Daniel Ellsberg 1971 über Nacht berühmt. Er, der Mitarbeiter eines Forschungszentrums im Verteidigungsministerium, hatte geheime Dokumente seines Arbeitgebers – die sogenannten Pentagon-Papers – an die Öffentlichkeit gespielt. Durch die Publikation in der "New York Times" und später auch in der "Washington Post" wurde klar, dass die Regierung die Bevölkerung jahrelang belogen hatte. Anders als mehrere Präsidenten der Öffentlichkeit hatten weismachen wollten, war der Vietnamkrieg von langer Hand geplant worden. Als Teil der Strategie des Kampfes gegen den Kommunismus.
    Ellsberg wurde so zum so genannten Whistleblower – einem Informanten, einem Skandalaufdecker. Zu einer Person, die gesellschaftlich eine wichtige Funktion übernimmt, meint Ulf Buermeyer, der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte, eines Vereins, der sich der Durchsetzung von Grundrechten verschrieben hat.
    "Ich denke, dass Whistleblowing in einer Demokratie eine ganz wichtige Rolle erfüllen kann, weil es nämlich eine Warnfunktion wahrnimmt. Und das gilt sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Häufig ist es aufgrund verschiedenster Zwänge unglaublich schwer, auf den normalen dafür vorgesehenen Wegen – politischen Wegen oder auch innerhalb eines Unternehmens – Missstände abzustellen, einfach weil zu viele Menschen von diesen Missständen profitieren.
    Und in solchen Situationen kann es notwendig sein, Öffentlichkeit herzustellen über die Presse, um auf diese Art und Weise den notwendigen Druck zu erzeugen, damit Missstände wirklich abgestellt werden."
    Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org
    Der Journalist Markus Beckedahl hat den Blog netzpolitik.org gegründet (Horst Galuschka)
    Markus Beckedahl ist Journalist in Berlin. Er hat den Blog netzpolitik.org gegründet und leitet heute dessen mehrköpfige Redaktion. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie Staat oder auch Unternehmen auf whistleblowing reagieren. 2009 hatte der Blogger ein Protokoll der Deutschen Bahn veröffentlicht, aus dem hervorging, dass das Ausmaß, in dem das Unternehmen den E-Mail-Verkehr seiner Mitarbeiter kontrollierte, deutlich größer war als zuvor bekannt.
    Die Bahn reagierte prompt und schickte Beckedahl eine Abmahnung. Der Vorwurf: Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Zwar machte die Deutsche Bahn nach wenigen Tagen einen Rückzieher und nahm die Abmahnung zurück. Allerdings lastete da bereits großer medialer Druck auf dem Unternehmen. "Blogger-David trotzt Bahn-Goliath" titelte beispielsweise "Spiegel online".
    Markus Beckedahl:
    "Das war ganz klar ein Papier, was uns von einem Whistleblower geschickt wurde, was wir online gestellt haben, mit dem Ziel, dass sich mehr Menschen aus Originalquellen über das Ausmaß dieses Überwachungsskandals informieren können."
    Vorwurf des Landesverrates
    Deutlich größeres Geschütz fuhr der Staat auf, als netzpolitik 2015 ein als geheim eingestuftes Budgetpapier des Bundesverfassungsschutzes veröffentlichte. Auch dieses Dokument wurde der Redaktion über einen Whistleblower zugespielt. Daraus ging hervor, dass der Geheimdienst erhebliche Mittel zur Internet-Massenüberwachung einsetzen wollte. Weil sie die Papiere veröffentlicht hatten, ermittelte nun der Generalbundesanwalt gegen Markus Beckedahl und einen seiner Redaktionskollegen: Wegen Landesverrats – es drohte eine erhebliche Freiheitsstrafe.
    "Viele Menschen denken, wir hätten total Schiss gehabt, als wir das damals gehört hatten. Hatten wir aber nicht. Das lag daran, dass das so surreal war. Zu realisieren, dass wir für unsere Arbeit als investigativ arbeitende Journalisten in Deutschland mit mindestens zwei Jahren Gefängnis bedroht werden, dafür, dass wir halt den Mächtigen auf die Finger schauen."
    Zusammenarbeit mit Whistleblowern ist tägliches Geschäft
    Für Journalisten wie Markus Beckedahl ist die Zusammenarbeit mit Whistleblowern tägliches Geschäft. Er ist darauf angewiesen, dass ihm Menschen Dinge erzählen, die sonst nicht ans Tageslicht kämen. Er hat deshalb gemeinsam mit anderen Journalisten und der Organisation Reporter ohne Grenzen Verfassungsbeschwerde gegen den neuen Paragrafen 202d Strafgesetzbuch eingelegt, der unter dem Schlagwort "Datenhehlerei" die Weitergabe von Daten unter Strafe stellt.
    Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und ihr Vorsitzender Buermeyer unterstützen die Verfassungsklage der Journalisten. Die 2015 beschlossene Neuregelung könne für Journalisten gefährlich werden, so Buermeyer. Obwohl sie eigentlich ursprünglich nur die Weitergabe von Kreditkartendaten im Blick hatte.
    "Problematisch wird es aber, wenn man diesen Straftatbestand anwendet auf die Daten von Whistleblowern. Typischerweise sind die Informationen, die Whistleblower weitergeben eben heute auch Daten. Das heißt also, der Straftatbestand der Datenhehlerei stellt prinzipiell die Arbeit von Journalisten mit geleaktem Material unter Strafe und deshalb hat der ganz gravierende Auswirkungen auf die Pressefreiheit."
    Für Buermeyer, der im Hauptberuf Richter ist, ist das Whisteblowing gefährdet, wenn Informanten oder diejenigen, die die so erhaltenen Informationen veröffentlichen, Gefahr laufen, sanktioniert zu werden.
    "Das Ökosystem des Whistleblowing ist natürlich ein sehr sensibles. Der Whistleblower oder die Whistleblowerin macht sich möglicherweise Sorgen, dass er mit der Strafgesetzgebung in Konflikt kommen könnte, oder, dass er oder sie seinen Arbeitsplatz verliert. Das heißt für denjenigen, der auf Missstände hinweist, sind damit typischerweise bestimmte Risiken verbunden."
    Besserer Schutz für Whistleblower gefordert
    Seit Jahren wird daher darüber diskutiert, ob Whistleblower besser geschützt werden sollten und wenn ja, wie. Eine Möglichkeit, die in den letzten Jahren auch in Deutschland mehr und mehr Verbreitung gefunden hat, ist die Einrichtung einer Anlaufstelle für Whistleblower, bei der – und das ist das Wichtigste – die Anonymität des Hinweisgebers gewahrt bleibt. "Ombudsmann" oder "Vertrauensanwalt" heißen solche Stellen häufig. Wie so vieles kommt auch diese Idee aus den Vereinigten Staaten. Hier sind große Unternehmen seit langem sogar gesetzlich verpflichtet, solche Strukturen einzurichten. In Deutschland gibt es nur für einige Branchen die gesetzliche Verpflichtung eine Ombudsstelle zu installieren – zum Beispiel für Banken und Versicherungen. In der Regel geschieht das daher freiwillig.

    Ein Junge hält den Finger vor den Mund.
    Ombudsstellen sollen Whistleblowern mehr Schutz bieten (dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Rechtsanwalt Reiner Frank ist ein solcher Ombudsmann oder Vertrauensanwalt. Er ist unter anderem für die Berliner Charité, die Behörden der Stadt Potsdam und das Energieunternehmen Vattenfall tätig. Er kennt daher auch die Motivation von Unternehmen, ein Hinweisgeberschutzsystem aufzubauen. Reiner Frank:
    "Wir wissen, dass wann immer ein Korruptionsfall auftaucht, es danach immer Leute gibt, die sagen, sie hätten das ja schon vorher gewusst, dass der Mitbewerber oder Kollege korrupt ist. Und es gibt natürlich ein Interesse, an diese Informationen zu kommen. Ein Unternehmen möchte natürlich einen vermeintlichen Korruptionsfall bei sich selbst selbst entdecken und aufklären und möchte nicht, dass die Staatsanwaltschaft kommt und das aufklärt."
    Aber nicht nur große Unternehmen richten solche Hinweisgeberstellen ein, auch öffentliche Behörden. Und nach und nach beginnen auch mittelständische Unternehmen auf diese Form der Kontrolle zu setzen.
    Reiner Frank wird von Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen beauftragt. An ihn können sich Mitarbeiter auch im bloßen Verdachtsfall wenden. Also auch dann schon, wenn noch nicht feststeht, ob es sich wirklich um, sagen wir, einen Korruptionsfall handelt.
    "Beispielsweise nimmt ein Mitarbeiter wahr, dass ein Vorgesetzter oder Kollege auffällig wird. Dass er die Tür immer geschlossen hält, wenn er geschäftliche Gespräche führt. Dass die Dokumentation in Akten auffällig wird, dass er plötzlich ein großes Auto fährt oder der Werkunternehmer, der für die Firma arbeitet, am privaten Haus plötzlich das Dach deckt oder den Zaun setzt. Und das führt bei Mitarbeitern zu Störgefühlen.
    Und die Menschen tragen sich oft recht lange damit, weil sie nicht wollen, dass in ihrer eigenen Firma in ihrer eigenen Organisation auf diese Weise Geschäfte gemacht werden oder auf diese Weise gegen Recht verstoßen wird."
    Ohne ein vertrauliches Hinweisgeberschutzsystem drohen einem Mitarbeiter, der sich in einer solchen Situation entschließt zu reden, arbeitsrechtliche oder sogar strafrechtliche Sanktionen. Unabhängig davon, ob er sich im Unternehmen selbst äußert oder die Angelegenheit bei der Staatsanwaltschaft oder einer anderen zuständigen Behörde anzeigt. Denn grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber zur Treue verpflichtet.
    Martin Dressler ist Richter am Berliner Landesarbeitsgericht. Er sagt, dass zwar nur wenige Whistleblower-Fälle vor Gericht landen, aber:
    "Natürlich sind die Einzelfälle oft sehr interessant, weil es immer ein Spannungsverhältnis aufweist, darüber, ‚Was darf ich als Arbeitnehmer, wenn ich in einem Konflikt mit meinem Arbeitgeber stehe und dort Missstände entdecke?‘. Die Rechtsprechung geht damit so um, dass man sagt, zunächst muss der Arbeitnehmer, bevor er an die Öffentlichkeit geht, in aller Regel versuchen, eine interne Lösung zu finden. Wenn das keinen Erfolg hat, dann kann er an die Öffentlichkeit gehen, dann kann er auch eine Strafanzeige stellen oder an eine Behörde diesen Missstand melden."
    Auch wenn, wie Martin Dressler meint, die Rechtsprechung Whistleblower vor ungerechtfertigten Kündigungen schützt, so bleibt doch die Gefahr von anderen Nachteilen. Whistleblower gelten häufig als Nestbeschmutzer, als Denunzianten. Nicht selten ist Mobbing – sei es durch Kollegen, sei es durch Vorgesetzte – die Konsequenz. In einer 2002 veröffentlichten Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin meinen 60 Prozent der befragten Mobbingopfer, dass unerwünschte Kritik Ursache und Motiv der gegen sie geführten Attacken gewesen sei.
    Ombudsstellensystem als Schutz für Whistleblower
    Abhilfe kann beispielsweise ein effektives Ombudsstellensystem schaffen. Denn hier ist es in der Regel möglich, Hinweise auf Missstände quasi anonym zu geben. Der anwaltliche Ombudsmann Reiner Frank:
    "Diese Hinweisgebersysteme sind so ausgestaltet, dass sie Vertraulichkeit gewährleisten, dass eine Hinweisperson, ein Whistleblower sich an eine Stelle wenden kann, ohne später mit Namen in den Akten des Unternehmens oder der Staatsanwaltschaft aufzutauchen."
    Reiner Frank selbst kennt dabei die Namen von Hinweisgebern, er gibt sie aber – wenn das nicht gewollt ist – nicht an das Unternehmen weiter. Whistleblower behalten im Übrigen, auch nachdem sie Informationen an Reiner Frank gegeben haben, die Herrschaft über den Fortgang des Verfahrens. Sie entscheiden, ob eine Weiterleitung an das Unternehmen erfolgen soll oder eben auch nicht.
    "Und so einen Fall habe ich auch schon einmal gehabt, dass ein externer Werkunternehmer Hinweise auf laufende Korruption gab und dann sagte, nein, er hat sich das doch anders überlegt, weil ihm plötzlich aufgegangen ist, dass seine Tochter ja noch eine Ausbildung in dem Unternehmen macht. Und da hat er gesagt, ‚Jetzt nicht, ich möchte, dass das unter uns bleibt‘. Und das muss ich akzeptieren, habe aber Kontakt zu ihm gehalten und nach neun Monaten oder nach einem Jahr war seine Tochter dann fertig und dann hat er gesagt, nun können wir die Informationen weitergeben."
    Bei etwa 50 Prozent der Hinweise, die Reiner Frank an die Unternehmen oder Behörden, die ihn beauftragen, weitergibt, werden die Unternehmen später auch tätig. Sei es, indem konkrete personelle Konsequenzen gezogen werden, sei es durch eine Änderung der Strukturen. Es kann dabei um Umweltverstöße, Verstöße gegen den Arbeitsschutz aber eben auch um Korruption oder Ähnliches gehen. Die Akzeptanz innerhalb der Unternehmen ist dabei recht unterschiedlich:
    "Es gibt durchaus Unternehmen, die haben das Gefühl, das müssen sie jetzt machen. Das wird als Zwang empfunden. Und dann funktioniert das auch nicht. Es gibt Unternehmensstrukturen, die von Personen der älteren Generation geleitet werden, die stehen dem ablehnend gegenüber, während jung aufgestellte Unternehmen überhaupt keine Probleme damit haben. Und genauso ist das mit den Arbeitnehmervertretungen – den Betriebsräten und den Personalräten."
    Whistleblowerschutzgesetz gefordert
    Im Großen und Ganzen, so Reiner Frank, funktioniere das System von Ombudsstellen oder Vertrauensanwälten aber. Das findet auch Kerstin Tack, die arbeits- und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
    "Ich glaube, dass es ein gutes System ist. Gleichwohl nehme ich aber auch wahr, dass die Einrichtung von Ombudsmännern in der Regel etwas ist für Unternehmen ab einer bestimmten Größe. Und dass gerade im kleinen und mittelständischen Bereich das natürlich auch eine Überforderung sein kann und wir deshalb hier auf solche günstigen Strukturen für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber nicht treffen."
    Die Abgeordnete fordert daher seit langem ein eigenes Whistleblower-Schutzgesetz. Bereits 2012 hatte ihre Fraktion einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Darin wird die Benachteiligung von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern ausdrücklich verboten. Mit "Benachteiligung" ist dabei nicht nur Kündigung gemeint, sondern – so heißt es im Gesetzentwurf – "jede unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder rechtliche Beeinträchtigung der persönlichen, gesundheitlichen, beruflichen oder finanziellen Stellung". Ausdrücklich genannt wird dabei die Beeinträchtigung von beruflichen Entwicklungs- und Karrierechancen.
    Auch die Einrichtung von Hinweisgebersystemen sah der Gesetzentwurf vor, allerdings auf freiwilliger Basis. Dieses Papier liege nach wie vor in der Schublade, sagt Kerstin Tack, und könne jederzeit wieder hervorgezogen werden.
    Bisher hat sich die Union allerdings gegen ein eigenes Whistleblowerschutzgesetz ausgesprochen. Im Wesentlichen mit dem Argument, dass die bisherigen Regelungen und vor allem auch die Rechtsprechung in diesem Bereich einen ausreichenden Schutz bieten würden. So meinte in der vergangenen Legislaturperiode der Unions-Politiker Ulrich Lange:
    "Die Stärke unseres Rechtssystems ist aber, Lebenssachverhalte unter bestehende Normen zu subsumieren mit einer gefestigten Rechtsprechung. Und dies kann man im deutschen Arbeitsrecht wirklich bieten und deswegen sind wir auch sicher, dass wir Hinweisgebern den Schutz bieten und geben können, den sie dringend benötigen."
    Für den Bundesverband der Arbeitgeber BdA ist eine pauschalierende gesetzliche Regelung nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich. Beschäftigte wären der Gefahr ausgesetzt, zu Unrecht von Kollegen belastet zu werden und das würde dem betrieblichen Miteinander schaden, heißt es in einer Veröffentlichung der Vereinigung vom Dezember 2017. Außerdem könnten ungerechtfertigte Anzeigen finanzielle und existenzielle Folgen für den gesamten Betrieb und dessen Arbeitsplätze haben. Denn selbst bei unzutreffenden Anschuldigungen könne der in der Öffentlichkeit einmal entstandene Eindruck im Regelfall nicht mehr korrigiert werden.
    Ausländische Vorbilder im Whistleblower-Schutz
    Das sieht Vertrauensanwalt Reiner Frank ganz anders und verweist auf bestehende Regelungen in anderen europäischen Staaten.
    "Frankreich hat das getan, Italien hat das im letzten Jahr getan, Großbritannien hat auch Regelungen geschaffen, die sehr unterschiedlich alle sind. Nur in Deutschland geschieht nichts. In Deutschland stellt man sich auf den Standpunkt, 'Das brauchen wir nicht. Wir haben ja die Einzelfallgerechtigkeit, die durch unsere Gerichte geschaffen wird'.
    Und wir als Personen, die damit näher befasst sind oder Organisationen wie Transparency International sagen, das genügt nicht. Denn es schafft immer eine Situation der Unwissenheit und Unsicherheit für Personen, die Wahrnehmungen machen, ein Störgefühl haben und dann eben nicht wissen, was sie tun sollen."
    Brüssel hat Maßnahmen zum Schutz von Whistleblowern angekündigt
    Möglicherweise bringt aber Brüssel demnächst Bewegung in die Angelegenheit. Die Europäische Kommission hat im vergangenen Jahr eine öffentliche Befragung durchgeführt. Außerdem hat sie noch für dieses Jahr Maßnahmen zur Verbesserung des Whistleblowerschutzes angekündigt. Druck kommt dabei vom Europäischen Parlament, das die Kommission im Oktober 2017 aufgefordert hat, konkrete Maßnahmen dazu zu ergreifen.
    Julia Reda ist Abgeordnete der Piratenpartei im Europaparlament und hat den entsprechenden Bericht des Parlamentes unterzeichnet:
    "Leider ist es in ganz wenigen europäischen Ländern so, dass Whistleblower umfassend geschützt sind. Und gerade, wenn man es mit multinationalen Unternehmen zu tun hat, ist es für die Arbeitnehmer oft sehr schwierig herauszufinden, welches Gesetz für sie überhaupt gilt. Deshalb ist es an der Zeit, einen europäischen, einheitlichen Schutz für Whistleblower einzuführen."
    Whistleblowerschutz als gesellschaftliche Aufgabe
    Für Kerstin Tack ist ein Schutzgesetz nicht nur eine rechtliche, sondern vor allem auch eine gesellschaftspolitische Frage:
    "Wir wollen in Deutschland eine Kultur haben, wo Menschen mit offenen Augen durchs Leben gehen. Und die hingucken, die Sachen wahrnehmen und das was sie wahrnehmen auch weitertragen. Wir wollen das, wenn es um Gewalttaten im öffentlichen Raum und im privaten Raum geht, wir wollen es aber auch, wenn es um Missstände im unternehmerischen Bereich geht. Und deshalb gibt ein eigenes Hinweisgeberschutzgesetz eine andere Mentalität auch in die Gesellschaft hinein. Wir wollen keine Weggucker und keine Wegducker."