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"Wichtige Rolle bei der Schaffung einer Sympathie für Deutschland"

Der FC Bayern München und sein neuer Trainer Josep Guardiola sind außerhalb von Deutschland sehr beliebt und könnten so das Ansehen Deutschlands in der Welt steigern, sagt der israelische Historiker und Bundesliga-Experte Moshe Zimmermann. Allerdings sei der Job für den Trainer auch eine Bürde.

Moshe Zimmermann im Gespräch mit Christine Heuer | 24.06.2013
    Christine Heuer: Heute wird Champions-League-Sieger Bayern München seinen neuen Trainer der Öffentlichkeit präsentieren. Der Mann heißt Josep, genannt "Pep", Guardiola. Seine Berufung ist für viele eine Verheißung: Der beste Trainer der Welt, der den FC Barcelona zum Maß aller Dinge gemacht hat, hat sich für einen deutschen Verein entschieden. Für die Bundesliga ist das nach dem Endspiel der Champions League zwischen Borussia Dortmund und Bayern München ein weiterer enormer Prestigegewinn. - Moshe Zimmermann ist Historiker in Israel und begeisterter Anhänger der deutschen Bundesliga im Allgemeinen und des HSV, des Hamburger Sportvereins, im Besonderen, also ein überparteilicher Gesprächspartner. Guten Morgen, Herr Zimmermann.

    Moshe Zimmermann: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Ist Pep Guardiola wirklich der beste Trainer der Welt?

    Zimmermann: Das vermutet man. Das hat sich gezeigt, als er der Trainer von Barcelona war und deswegen denkt man, hat man den Besten der Besten nach Deutschland geholt und jetzt Bayern eigentlich zur Topmannschaft der Welt gemacht für die nächsten zehn Jahre.

    Heuer: Haben die Bayern Guardiola wirklich verdient, oder wäre er doch besser nach Hamburg gegangen?

    Zimmermann: Auf jeden Fall wäre es besser, wenn er nach Hamburg ginge, aber der HSV ist nicht in der Lage, das zu finanzieren. Und man muss auch vorsichtig sein. Man macht sich große Hoffnungen, er ist der Beste aller Besten, aber in einer deutschen Situation, in einer anderen Situation, als er sie in Barcelona hatte, könnte er auch scheitern. Das ist ja die Gefahr.

    Heuer: Woran?

    Zimmermann: Scheitern daran, dass die Mentalität eine andere ist, die Sprache eine andere ist, die Erwartung anders ist und das Publikum anders ist. Es gab ja auch schon in der Vergangenheit bei Bayern oder anderen Mannschaften in Deutschland sehr gute Trainer, die es nicht geschafft haben, länger als eine Saison zu bleiben oder sogar auch weniger. Die Israelis werden selbstverständlich hoffen, dass er dort bleibt, weil diese Kombination hier sehr gut angekommen ist. Bayern München ist die in Israel leider beliebteste deutsche Mannschaft, Pep Guardiola ist der ehemalige Trainer von Barcelona, die beliebteste Mannschaft überhaupt in Israel, und diese Kombination kommt hier besonders gut an und die Leute hoffen, dass es gelingt.

    Heuer: Sie haben gerade angesprochen, dass die Bayern doch ein besonderer Fußballverein sind, und nun hat Bayern München gerade das Triple gewonnen: die Meisterschaft, den Pokal und dann die Champions League. Das ist eigentlich ja gar nicht mehr zu steigern. Ist dieser Erfolg nicht eine enorme Bürde für den neuen Trainer?

    Zimmermann: Selbstverständlich! Wenn er das gleiche nicht im kommenden Jahr oder in den kommenden Jahren schafft, dann wird er fliegen. Das ist eine Bürde. Deswegen waren manche Leute eher bereit hinzunehmen, wenn Bayern nicht alle drei Titel holt, um sich dann steigern zu können. Das ist immer das Thema beim Fußball. Aber es geht ja nicht nur um die Erfolge auf dem Fußballplatz, sondern auch um die Präsenz in den Medien, in der Öffentlichkeit, und dann ist die Kombination Guardiola und Bayern München noch immer besonders effektiv, auch jenseits der Frage der Titel.

    Heuer: Jupp Heynckes, Herr Zimmermann, der vormalige Bayern-Trainer, gilt ja als bodenständig mit seinem Bauernhof am Niederrhein. José Mourinho zieht von Madrid nach Chelsea in London um und gilt als ziemliches Ego und als Macho. Ist der feinsinnige Guardiola nicht völlig untypisch für einen Trainer im Profifußball?

    Zimmermann: Das kann man nicht sagen. Es gibt keine typischen Trainer. Es gibt eine große Variation von Typen, die dort als Trainer arbeiten, sowohl in Deutschland als auch außerhalb. Das ist eine besondere Figur, jemand, der als Taktiker und Theoretiker besonders gescheit war und erfolgreich war, und da kann er auch mit einer anderen Mannschaft erfolgreich sein. Aber wie ich vorher schon gesagt habe: Das große Problem ist das Problem der Mentalität. Die Mentalität der Deutschen - das wusste auch Trapattoni seinerzeit - ist eine andere und damit zurechtzukommen, ist schwierig, kann schwierig sein. Das wissen wir auch aus unseren Erfahrungen hier in Israel. Wir hatten auch ausländische Trainer und hier ist es am ehesten leicht zu scheitern, wie zum Beispiel der ehemalige Bayern-Spieler Matthäus, als er hier Trainer von Maccabi Netanya war. Er war bestimmt ein guter Trainer, besser als die hiesigen, aber einen großen Erfolg hat er hier nicht gehabt.

    Heuer: Pep Guardiola wird dieses Schicksal in Bayern Ihrer Ansicht nach erspart bleiben. Also wird er es hier nicht nur fußballerisch, sondern auch was die Mentalitäten angeht?

    Zimmermann: Ich nehme an, dass er klug genug war, um das sich vorher zu überlegen, und ich nehme an, dass er nicht die Fehler macht, die andere Trainer machen, die nur für einen höheren Preis eine neue Stelle haben wollen. Davon kann man ausgehen. Ob das am Ende gelingt, ist eine offene Frage. Das macht die Sache spannend. Also die Spannung ist nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern auch am Rande: Wie kommt so ein Trainer wie Guardiola zurecht mit der deutschen Mentalität und noch schlimmer mit der bayerischen Mentalität?

    Heuer: Dass die Bayern in Israel beliebt sind, haben Sie gesagt, auch dass Guardiola dort populär ist. Am Ende, wenn das erfolgreich ist, lieben uns die anderen dann dafür, dass wir einen schönen Fußball spielen, einen erfolgreichen und schönen Fußball, oder heißt es, neben der Ökonomie und dem Euro wollen die Deutschen jetzt auch noch im Fußball weltweit dominieren?

    Zimmermann: Nein. Da muss man zugeben: Gerade wenn man das aus der israelischen Perspektive beobachtet, spielt der Fußball eine sehr wichtige Rolle bei der Schaffung einer Sympathie für Deutschland. Deutschland ist ja historisch nicht das Land, mit dem man sich identifiziert, ganz bestimmt nicht in Israel, aber auch anderswo. Und der schöne Fußball - das hat schon Klinsmann gezeigt - ist ein Mittel, um Sympathien zu schaffen und unter den Leuten mehr Sympathie für Deutschland anzuregen. Dann ist selbstverständlich diese Kombination Bayern München und Guardiola sogar für die deutsche Außenpolitik oder für das Auswärtige Amt ein Vorteil.

    Heuer: Dann wünschen wir Pep Guardiola viel Erfolg in Bayern. - Moshe Zimmermann, der israelische Historiker ist auch Fußballfan. Wir sprachen mit ihm über den neuen Trainer bei Bayern München. Herr Zimmermann, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

    Zimmermann: Ich bedanke mich.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.