Freitag, 10. Mai 2024

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Elisabeth II. und die Medien
Eine Königin, die mit Bildern herrschte

Das Staatsbegräbnis der Queen ist ein einzigartiges internationales Medienereignis. Schon zu Beginn ihrer Amtszeit setzte Elisabeth II. mit ihrer Krönung neue Maßstäbe in der Fernsehberichterstattung und wusste auch danach, die Bilder für sich zu nutzen.

Text: Pia Behme | Christian Werthschulte im Gespräch mit Mirjam Kid | 19.09.2022
Der Sarg der Queen wird in der Westminster Abbey in London in der Nähe des Altars aufgestellt.
Das Staatsbegräbnis der Queen - ein mediales Großereignis. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Gareth Fuller)
4,1 Milliarden Menschen sollen angeblich das Begräbnis von Queen Elisabeth II. im Fernsehen verfolgen, so zitiert der Sozialforscher Marcel Schütz "Experten"*.
„Der Mythos Elizabeth II. wird jetzt nicht geboren, er wird vollendet. Mehr Weltbühne geht nicht." Die tatsächliche Zahl der Zuschauenden lässt sich sicherlich anzweifeln. Dass das Staatsbegräbnis ein beispielloses mediales Großereignis ist, dagegen nicht.
Schon die Amtszeit der Queen begann mit einem bis dahin nie dagewesenen Medienspektakel. Die Krönung von Elisabeth II. am 2. Juni 1953 war die erste, die live übertragen wurde. Laut der BBC verfolgten damals mehr als 20 Millionen Menschen die Zeremonie im Fernsehen und übertrafen damit zum ersten Mal die Zahl der Radiohörenden.

Churchill war gegen die Fernsehübertragung

Elisabeth II. hatte schon 1952, als jüngste Königin Großbritanniens, den Thron bestiegen. "Die Krönung war erst ein Jahr später, also hatte man genug Zeit, sie akribisch vorzubereiten", so der Kulturjournalist Christian Werthschulte.
Der Fernsehübertragung vorausgegangen war eine Debatte im Kabinett des Vereinigten Königreichs. Der damalige Premierminister Winston Churchill war gegen die Idee. Elizabeth II. lehnte seinen Rat allerdings ab und bestand darauf, die Veranstaltung filmen zu lassen. Die BBC übertrug die Krönung in schwarz-weiß.
Soldaten verfolgen auf einem kleinen Fernseher live die Krönung Elizabeths II. im Sommer 1953.
Auf Elizabeths Wunsch hin wird im Sommer 1953 erstmals eine Krönung live im Fernsehen übertragen. (picture-alliance / akg-images / Gert Schuetz)
Fernsehen war damals noch nicht so verbreitet, kaum jemand hatte ein TV-Gerät zuhause. "Die Leute haben sich um die wenigen Fernseher versammelt und konnten ihre Queen live sehen", sagt Werthschulte. "Dadurch war Elisabeth II. natürlich sehr viel präsenter in den Köpfen als ihre Vorgänger und Vorgängerinnen. Diese Präsenz durch das Medium Fernsehen hat sie dann immer wieder für sich genutzt, obwohl sie nie ein Interview gegeben hat."
Die Krönung der Queen war auch das erste Ereignis, das international im TV übertragen wurde. Um sicherzustellen, dass die Zeremonie auch in Kanada am selben Tag gesehen werden konnte, wurden die BBC-Filmaufnahmen über den Atlantik geflogen. Auch im deutschen Fernsehen galt die Übertragung der Krönung als spektakulärer Erfolg. Der Nordwestdeutsche Rundfunk sendete damals von 10.00 bis 17.30 Uhr und von 20.00 bis 22.00 Uhr.

Das Königshaus als Medien- und Pop-Empire

Ereignisse, wie die Krönung und das Begräbnis, erreichen ein internationales Publikum - gerade wegen der Bedeutung des Vereinigten Königreichs als ehemalige Kolonialmacht. "Die Queen ist teilweise noch Staatsoberhaupt in einigen Ländern. Da gibt es also durchaus ein Interesse", so Christian Werthschulte. "Andererseits ist Elisabeth die Queen, die über die Dekolonisierung geherrscht hat - also, wenn man so will, den Verfall dieses Empires begleitet hat."
Damit habe die Queen auch ihre Legitimation als weltweite Führungsfigur verloren, meint Werthschulte. "Sie hat dann ganz geschickt begriffen, dass sie eine neue Legitimation braucht und das Königshaus als Medien- und Pop-Empire aufgebaut." Der Kulturjournalist sieht eine Medienmaschine rund um das britische Königshaus. "Diese Maschine läuft seit Jahrzehnten. Besonders die Boulevardmedien sind da beteiligt, aber auch der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk."
"Wenn dann so ein Ereignis rund um die Queen stattfindet, muss diese Maschine eigentlich nur angeworfen werden und dann liefert sie verlässlich Bilder und Info-Häppchen. Damit kann man super ein Programm füllen", sagt Werthschulte.
In deutschen Medien mehren sich in den vergangenen Tagen Berichte, in denen die Rolle der Queen im Kolonialismus kritisiert wird. Kolonialkritische Stimmen seien in Großbritannien selber bisher nur am Rande zu hören gewesen, so der Kulturjournalist. "Wenn, dann nur in linksliberalen Medien, wie dem Guardian. Es kann natürlich sein, dass die Debatte um das Erbe des Kolonialismus nach der Beerdigung breiter geführt wird. Einfach, weil dann die verordnete Staatstrauer vorbei ist und man solche Debatten wieder führen kann, ohne dabei schräg angesehen zu werden."

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Die Herrschaft über Bilder

Elisabeth II. verköperte als Monarchin zwar einerseits Macht, trat aber nicht als Politikerin auf. "Die Monarchin hält sich aus der Alltagspolitik raus und selbst wenn sie eine gute Meinung hätte, würde sie sie nicht äußern", sagt Christian Werthschulte. "Das politische Amt des Staatsoberhaupts wird dadurch unpolitisch, und die Amtsinhaberin profitiert davon. Die Queen etwa hatte viel Ruhe, um sich um das Familienunternehmen und Ländereien zu kümmern." Ihre Präsenz war stets visuell.
Statuen, Porträts, Fernsehbilder: "Königinnen herrschen klassisch über Bilder", so Wertschulte. "Queen Elisabeth II. hat gerade letzteres beherrscht. Das sieht man an ihren Ansprachen, ihren Auftritten, z.B. mit Paddington. Das hat auch zu einer Bilddeutung und einer gewissen Aura geführt: Die Queen steht über den Dingen."
*Der ursprüngliche Text enthielt eine falsche Quellenangabe, die wir korrigiert haben.