Archiv


Wie geht es weiter bei der FDP?

    Heuer: Die FDP ist in schweres Fahrwasser geraten und es wird jeden Tag schlimmer. Zuerst ging es 'nur' um das anti-israelische Flugblatt Jürgen Möllemanns, dann um dessen offenbar illegalen Umgang mit Spenden. Seit gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf gegen den zurückgetretenen Landesparteichef und im Landesverband ist ein offener Machtkampf um seine Nachfolge ausgebrochen. Gestern abend kam in Düsseldorf der Landesvorstand der Partei zusammen. Ergebnis: der beurlaubte Landesgeschäftsführer Kuhl wird wegen der Spendenaffäre entlassen, Jürgen Möllemann darf dagegen bleiben. Das ins Auge gefasste Ausschlussverfahren gegen ihn wurde verschoben. Und der stellvertretende FDP-Vorsitzende in Düsseldorf Andreas Pinkwart hat die Unterstützung für die Kandidatur seiner Amtskollegin Ulrike Flach um den Vorsitz zurückgezogen. Am Telefon ist Otto Graf Lambsdorff, Ehrenvorsitzender der freien Demokraten. Guten Morgen, Graf Lambsdorff.

    Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Die Entscheidung über ein Ausschlussverfahren gegen Möllemann ist vertagt worden. Finden Sie das richtig?

    Graf Lambsdorff: Ja, ich glaube, das ist vernünftig. Man muss abwarten, bis man wirklich alle Fakten und Ermittlungen beisammen und abgeschlossen hat. Es wird zu einem Ausschlussverfahren kommen, das scheint mir ziemlich sicher zu sein und das sollte so sorgfältig vorbereitet werden, dass nicht irgendwelche rechtlichen Dinge übersehen werden. Ausschlussverfahren sind keine Kleinigkeiten, sie müssen sorgfältig betrieben werden. Ich glaube, dass das vernünftig ist.

    Heuer: Sie sind aber eindeutig dafür, Jürgen Möllemann aus der Partei auszuschließen?

    Graf Lambsdorff: So, wie die Dinge jetzt aussehen nach all dem, was man weiß und was sich bisher herausgestellt hat, ist an einem Ausschlussverfahren nicht vorbeizukommen.

    Heuer: Fraktionschef Wolfgang Gerhardt behält sich den Ausschluss Möllemanns aus der Bundestagsfraktion vor. Sind Sie dafür?

    Graf Lambsdorff: Das ist eine Entscheidung, die die Bundestagsfraktion in eigener Zuständigkeit zu treffen hat. Da kann niemand anders hereinreden, auch die Partei nicht. Wenn die Fraktion meint, dass Jürgen Möllemann durch seine Anwesenheit stören wird und die Arbeit nicht befördern und wenn sie vor allen Dingen meinen, dass die bisherigen Aktionen Jürgen Möllemanns, also insbesondere die Flugblattaktion und alles, was damit zusammenhängt, der Partei Schaden zufügt, also damit auch die Arbeit der Fraktion erschwert, dann habe ich Verständnis dafür, wenn es zu einem solchen Ergebnis und Ausschluss käme.

    Heuer: Die Bedingungen, die Sie jetzt genannt haben, Graf Lambsdorff, sind ja aus Ihrer Sicht alle erfüllt. Wann sollte denn dann Herr Möllemann aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen werden? Das ginge ja sicher schneller als ein Parteiausschluss.

    Graf Lambsdorff: Ich glaube, dass man jedenfalls wie sich das gehört jedem, der von so etwas betroffen wird auch die Gelegenheit geben muss, auf erhobene Vorwürfe zu antworten. Anders kann man das nicht machen; in Abwesenheit eines Menschen, der krank ist - da kann noch so viel spekuliert werden, ob das eine richtige oder politische Erkrankung ist – und sich selber nicht äußern kann so etwas zu tun ist nicht notwendig. Außerdem: wenn er wegen Krankheit fehlt, stört er die Arbeit der Fraktion nicht, also warten wir, bis er wieder erscheinen kann, dann allerdings müsste die Fraktion, wenn sie denn diesen Weg ernsthaft gehen will – und der Vorsitzende hat es angekündigt – sehr schnell handeln.

    Heuer: Ins Gerede gekommen ist jetzt auch Ulrike Flach, die stellvertretende FDP-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Ein Wahlkreismitarbeiter von ihr soll an der Spendenstückelung Möllemanns beteiligt gewesen sein. Kann Flach noch NRW-Vorsitzende der Partei werden?

    Graf Lambsdorff: Das wird der Parteitag entscheiden, es scheint ja im Augenblick so zu sein, als würde es dafür drei Kandidaten geben, das kann man Machtkampf nennen, ich halte das für herzlich übertrieben. Es geht darum, einen neuen Vorsitzende oder eine neue Vorsitzende zu wählen und der oder die sollte möglichst unbelastet von der Vergangenheit die Austräumarbeiten, die jetzt notwendig sind, anfangen können.

    Heuer: Sie sprechen davon, dass drei Mitglieder der Partei um das Amt kandidieren. Andreas Pinkwart wäre einer von ihnen, er hat aber seine Kandidatur noch nicht erklärt. Wäre er Ihre Wahl für den Vorsitz?

    Graf Lambsdorff: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich annehme, jedenfalls höre ich das seit gestern, dass auch Herr Köster, der Kreisvorsitzende aus Wuppertal, antreten will. Man muss sich ja erst mal ein Bild darüber machen, wer eigentlich am Ende alles antritt und wer nun wie weit mit den Finanzierungsfragen und den Vorwürfen, die gegen Möllemann erhoben werden, in Verbindung gebracht werden muss. Erst, wenn man das klar hat, kann man sich für einen Kandidaten entscheiden.

    Heuer: Kennen Sie Rolf Köster?

    Graf Lambsdorff: Ja.

    Heuer: und wäre das ein guter Vorsitzender?

    Graf Lambsdorff: Das glaube ich sicher. Es gab vor einiger Zeit den Ausspruch, er habe dafür gesorgt, dass Wuppertal 'möllemannfreies Territorium' ist.

    Heuer: Inzwischen gibt es auch schon länger den Vorwurf der Führungsschwäche gegen den Parteivorsitzenden im Bund Guido Westerwelle. Ist er ein guter Vorsitzender?

    Graf Lambsdorff: Ja, ich halte ihn für einen guten Vorsitzenden, ich unterstütze ihn hundertprozentig. Er ist Vorsitzender, er bleibt Vorsitzender. Und die Diskussion, die da geführt wird, ist unsinnig. Erstens ist es von der Person her falsch, weil Guido Westerwelle alles tut, was in seinen Kräften steht, um die Partei wieder nach vorne zu bringen. Das ist eine Herkulesarbeit, die muss man bewältigen. Zum Zweiten kann auch niemand glauben, dass ein Schlüssel zur Lösung der Probleme der Freien Demokratischen Partei darin läge, dass man einen 40jährigen Parteivorsitzenden jetzt gegen einen 55- oder 60jährigen austauscht. Wir haben diesen Generationenwechsel vollzogen. Das ist gut so und dabei muss es bleiben. Und der Guido Westerwelle muss Vorsitzender bleiben, jedenfalls hat er meine volle Unterstützung dabei.

    Heuer: Das schlechte Abschneiden der FDP bei der Bundestagswahl wird ja auch parteiintern nicht nur auf Jürgen Möllemann und seine anti-israelischen Aktivitäten zurückgeführt sondern auch auf die Programmatik, mit der die FDP angetreten ist, Stichwort 18 Prozent. Inzwischen gibt es offene Kritik unter anderem von Wolfgang Gerhardt, der hat gesagt, das Missverständnis sei nun endgültig ausgeräumt, dass die FDP Volkspartei werden wolle. Hätte denn ein guter Parteivorsitzender, nämlich Guido Westerwelle, wie Sie sagen, dieses Missverständnis aufkommen lassen dürfen?

    Graf Lambsdorff: Ich muss doch kommentieren, wie Sie das eben kommentiert haben. Das Wahlergebnis ist enttäuschend und nicht zufriedenstellend, hat durchaus auch seine positiven Seiten: es sind 7,4 Prozent echte FDP-Stimmen, es sind mehr Stimmen als bei der vorigen Wahl, wir haben in allen fünf neuen Bundesländern die Fünf-Prozent-Grenze überschritten. Also noch einmal: das Wahlergebnis war enttäuschend, aber es hat nicht nur schlechte Seiten. Zweitens: die FDP ist nicht an Ihrer Programmatik gescheitert. Das Programm der FDP, das ist nach wie vor meine Auffassung und vor allem war es die gerade ausländischer Beobachter, war das beste aller Bundestagsparteien. Wer das Programm auch heute noch liest wird sehen, dass dort die Wege aufgezeichnet sind, die Deutschland nötig hat, die jetzt natürlich nicht gegangen werden, aber das Chaos, das im Augenblick angerichtet wird, kann ja jeder sehen. Das Thema 18, die Kanzlerkandidatur – das war nicht Programmatik sondern Wahltaktik, das ist Wahlkampfführung – da sind Fehler gemacht worden, völlig richtig.

    Heuer: Das stand im Vordergrund in diesem Bundestagswahlkampf. Die Menschen haben ständig die 18 um die Ohren gehauen bekommen...

    Graf Lambsdorff: Das ist völlig richtig, Frau Heuer, deshalb hatte ich auf dem Bundesparteitag in Mannheim die Partei gewarnt, hinter dem Spaßwahlkampf nicht die Substanz unsichtbar werden zu lassen, das ist leider so geschehen. Das weiß die Partei und auch der Vorsitzende und er hat klargemacht: das Projekt 18, ein taktisches Wahlkampfmittel, wird es nicht mehr geben und gibt es nicht mehr. Der Unabhängigkeitskurs der FDP muss und wird fortgesetzt werden. Da spielt dann das Thema Koalitionsaussage eine Rolle, das muss von Fall zu Fall entschieden werden, in den Landtagswahlen in Hessen wird es sicher eine Koalitionsaussage geben. Klar ist auch, dass nicht dieser Vorstoß, dieses Faltblatt von Jürgen Möllemann, alleine dieses Ergebnis produziert hat sondern dass auch die Wahlkampfführung dazu beigetragen hat, dass wir weit unter dem Ergebnis geblieben sind, dass ja alle in der Welt, alle Umfragen uns vorhergesagt hatten.

    Heuer: Graf Lambsdorff, zum Schluss noch eine Frage: Sie haben die Wahlen in Hessen angesprochen – glauben Sie, dass die FDP dort die Fünf-Prozent-Hürde schafft?

    Graf Lambsdorff: Mit absoluter Sicherheit.

    Heuer: Otto Graf Lambsdorff war das, der Ehrenvorsitzende der Freien Demokraten im Bund. Vielen Dank für das Gespräch.

    Graf Lambsdorff: Danke.

    Link: Interview als RealAudio