Dienstag, 23. April 2024

Ölförderung in Alaska
Warum das Willow Project in den USA so umstritten ist

Die US-Regierung hat dem Ölkonzern Conocophillips drei neue Bohrplattformen in Alaska genehmigt. US-Präsident Joe Biden bricht damit ein Wahlversprechen, Umweltschutzorganisationen reagieren empört. In Alaska wird die Entscheidung zumeist begrüßt.

03.04.2023
    Eine Eislandschaft, in der eine Analge von Conocophilips zu sehen ist, von der aus die Ölvorkommen untersucht wurden.
    Scheinbar endloses Eis: Hier wird Conocophilips bald Öl fördern (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Uncredited)

    Was genau ist das Willow Project?

    Der US-Öl-Konzern Conocophillips wollte eigentlich fünf Bohrplattformen im Nordwesten Alaskas bauen, die US-Regierung hat jetzt allerdings nur drei davon genehmigt. Conocophillips bezeichnete die Genehmigung als praktikabel.
    Nach Angaben von Conocophillips können mit dem Willow Project täglich bis zu 180.000 Barrel Öl gefördert werden. Insgesamt könne man über die neu entstehenden Plattformen in den kommenden etwa 30 Jahren 600 Millionen Barrel Öl fördern.
    Im Jahr 2021 haben die USA pro Tag 18,7 Millionen Barrel Öl verbraucht, das Willlow Project wird also nur gut ein Prozent des Verbrauchs abdecken können. Mit den insgesamt anvisierten 600 Millionen Barrel Öl kämen die USA aktuell einen Monat lang aus.

    Potenzielle arktische Erdöl- und Erdgasvorkommen nach Staat (in Milliarden Barrel-Öl-Äquivalent)

    Russland erhebt Anspruch auf mehr als doppelt so viele arktische Energieressourcen wie die USA.
    Russland erhebt Anspruch auf den Großteil der arktischen Energieressourcen (Statista/BP)

    Warum sind viele Menschen in Alaska für das Willow Project?

    Politisch genießt die Ölförderung in dem US-Staat viel Unterstützung und das zeigt sich auch beim Willow Project. Zustimmung gibt es da sowohl von der Regierung des Bundesstaates als auch von der Bevölkerung.
    Dafür gibt es einige ökonomische Gründe: Der Bundesstaat Alaska profitiert erheblich von den Steuereinnahmen der Ölkonzerne. Die Finanzierung der Staatsausgaben ist ohne die Einnahmen aus der Ölindustrie nicht möglich. Ein Drittel der Einwohner Alaskas sei direkt oder indirekt von den Einnahmen des Öls abhängig, erklärt der Ökonom Brett Watson von der Universität Alaska Anchorage. Darunter seien viele Ureinwohner.

    Bürger profitieren von Ölbohrungen

    Und das Geld kommt teilweise direkt bei den Menschen an, denn die Regierung schüttet einen Teil der Einnahmen direkt an die Bevölkerung aus. Im Jahr 2022 hat jeder Bewohner des Staates Alaska über 3.000 Dollar erhalten. Die Arktis ist ein ökonomisch schwieriges Umfeld und diese Direktzahlungen sind für manche Menschen ein wichtiger Teil ihres Einkommens.
    Nach Angaben des Projektentwicklers Conocophillips wird der Bau zudem 2.500 Arbeitsplätze schaffen, allerdings natürlich nur temporär. Für den laufenden Betrieb rechnet der Konzern mit 300 Jobs. Diese Arbeitsplätze sind ein schlagendes Argument, denn gut bezahlte Jobs sind rar in der Arktis. Viele Menschen leben von Subsistenzwirtschaft, Geld verdienen lässt sich fast nur durch Arbeit in der Ölindustrie.
    Auch die Ureinwohner von Alaska sprechen sich mehrheitlich für Ölförderung aus. Alaska wird von der demokratischen Abgeordneten Mary Peltola im US-Repräsentantenhaus vertreten. Peltola ist Ureinwohnerin und engagiert sich in vielen Fragen sehr für Umweltthemen. Die Einwohner von Alaska stünden ohne die Ölförderung vor dem Nichts, sagte Peltola. Ein gerechter Übergang in eine Welt ohne fossile Brennstoffe sei ohne das Willow Project nicht möglich.

    Was befürchten Kritiker, wenn das Willow Project umgesetzt wird?

    Auch Umweltaktivisten betonen, dass die Bewohner von Alaska Unterstützung brauchen. Es müsse aber darum gehen, neue Wirtschaftsstrukturen zu schaffen, statt die Abhängigkeit vom Geld der Ölindustrie zu verlängern. Das sei im Interesse der lokalen Bevölkerung, in der sich auch einzelne Gemeinden gegen das Willow Project ausgesprochen haben.
    Auch wenn die Einwohner Alaskas mehrheitlich für das Projekt sind, werden einige die Folgen hart treffen. Beispielsweise werden die Bohraktivitäten vermutlich viele Karibu-Herden aus der Gegend vertreiben. Von der Jagd auf die Tiere leben viele Menschen.

    Petition gegen Ölbohrungen im Naturschutzgebiet

    Menschen sitzen vor einem Banner mit der Aufschrift "Stop the Willow oil project".
    Aktivisten protestieren in der Nähe des Weißen Hauses gegen das Willow Project (IMAGO / NurPhoto / IMAGO / Bryan Olin Dozier)
    An anderen Stellen wird auch das Ökosystem aus den Fugen geraten, das zeigen Erfahrungen von anderen Ölprojekten. Für das Projekt ist eine riesige Pipeline geplant. Rund um eine aktive Pipeline entsteht viel Wärme, die das Auftauen der Permafrostböden beschleunigt. All das in einem Gebiet, das derzeit die größte zusammenhängende Fläche an unberührten Land darstellt, die es in den USA noch gibt.
    Umweltschützer haben gegen das Projekt eine Petition gestartet, die bereits fast fünf Millionen Menschen unterschrieben haben. Die Aktivisten verweisen dabei auf die Klimaschädlichkeit, denn über die gesamte Laufzeit wird das Willow Project nach Schätzungen der US-Regierung gut 260 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre freisetzen. Um das Projekt noch zu verhindern, haben Umweltverbände und auch indigene Gruppen Klagen eingereicht.

    Wie begründet Joe Biden seine Kehrtwende in puncto Umweltschutz?

    Im Wahlkampf im Jahr 2020 hatte der heutige US-Präsident Joe Biden versprochen, neue Ölbohrungen auf öffentlichem Land zu stoppen. Dieses Versprechen bricht Biden mit der Zulassung des Willow Projectes. Die Biden-Administration betont, dass das Projekt nicht vollständig genehmigt wurde, zwei der fünf beantragten Bohrplattformen hat die Regierung abgelehnt. Das Projekt falle damit um 40 Prozent kleiner aus als geplant. Das senke auch den Verbrauch an Frischwasser und den Bedarf an Infrastruktur, beispielsweise Straßen.
    Die Biden-Administration weist zudem darauf hin, dass ihr Handlungsspielraum klein gewesen sei. Conocophillips habe seit den 1990er-Jahren Rechte zum Abbau in der Region des Willow Projectes. Auch unabhängige Experten wie Deborah Sivas, Professorin für Umweltrecht an der Standford Law School, bestätigen diese Einschätzung. Für eine vollständige Ablehnung des Projektes hätte die Regierung den Ölkonzern wohl umfassend entschädigen müssen.

    Druck von allen Seiten auf Joe Biden

    Ein Grund für Bidens Kehrtwende ist zudem die schwieriger gewordene Energieversorgung weltweit durch den russischen Angriffskrieg. Vor diesem Hintergrund gab es in den USA aus beiden großen Parteien, Demokraten und Republikaner, großen politischen Druck, die eigenen Energiequellen stärker zu nutzen. Die Regierung argumentiert auch selbst, dass man dieses Öl noch brauche, um einen Übergang zu einer klimaneutralen Energieversorgung zu gewährleisten. Man sei bei den erneuerbaren Energien noch nicht stark genug aufgestellt.
    Dass diese Argumente nicht alle Kritiker überzeugen, ist wohl auch Joe Biden bewusst. Am 12. März, also einen Tag vor der Bekanntgabe der Genehmigung des Willow Projectes, hat die US-Regierung neue Naturschutzpläne vorgestellt. Biden werde eine Ölförderung in Gebieten mit einer Fläche von rund 6,5 Millionen Hektar in Alaska und dem Nordpolarmeer verhindern oder begrenzen, darunter 1,2 Millionen Hektar in der Beaufortsee. Das hatten Umweltschützer begrüßt. Die Präsidentin von Earthjustice, Abigail Dillen, hatte aber zugleich erklärt, Biden sollte den Schutz auch auf Willow ausweiten. „Sie haben die Autorität, Willow zu stoppen“, sagte sie.
    (Quellen: Deutschlandfunk, Doris Simon, Katrin Brand, Arne Bartram, APD, pto)