Stefan Heinlein: Bei mir am Telefon ist nun SPD-Fraktionsvizechef Ludwig Stiegler. Guten Morgen!
Ludwig Stiegler: Schönen guten Morgen!
Heinlein: Herr Stiegler, hat Gerhard Schröder tatsächlich seine eigenen Genossen überrascht mit dieser Ankündigung?
Stiegler: Die Mehrheit hat das sicher überrascht, aber dass man darüber nachdenken müsse, wie man in Zukunft mit dem Wahlergebnis und mit der Lage umgeht, das hat eigentlich diejenigen, in Berlin agieren, nicht überraschen können. Wir wissen nun seit geraumer Zeit, dass wir im Vermittlungsausschuss keine Mehrheit haben und dass die andere Seite zwar immer mit treuherzigem Augenaufschlag erklärt, sie würde nicht blockieren, aber hinter verschlossenen Türen um so brutaler agiert. Vor diesem Hintergrund glaube ich war das schon ein wirklicher Befreiungsschlag. Wir suchen die Auseinandersetzung.
Heinlein: Wie riskant ist es denn aus Ihrer Sicht, nun politisch alles auf eine Karte zu setzen?
Stiegler: Man muss abwägen. Riskant wäre auch, eine lange Hängepartie zu haben und dann bei den Bürgern den Eindruck zu erwecken, dass sich in der Politik überhaupt nichts bewegt. Jetzt wird die Entscheidung an den Bürger zurückgegeben. Das ist auch riskant, aber ich erinnere daran, dass wir im Jahre 1972 im April die schlechtesten Wahlergebnisse hatten, um dann im Herbst das beste Wahlergebnis einzufahren. Also die Bewegung ist dort durchaus da und bei einer Bundestagswahl tritt ja zum Beispiel die außenpolitische Zuverlässigkeit in den Vordergrund. Alle Leute wissen um die notorische Unzuverlässigkeit der Union in Sachen von Friedenspolitik. Ich muss nur an den Irak erinnern. Da wird man schon wissen, was man an Gerhard Schröder hat, und die Abwägungen, die die Bürger bei einer Bundestagswahl treffen, sind sehr andere als bei einer reinen Landtagswahl.
Heinlein: Bleiben wir, Herr Stiegler, einen Moment bei Ihrer Partei. Wie groß oder welche Motivation hatte denn die Sorge vor innerparteilichen Richtungskämpfen, die Schröder und Müntefering jetzt dazu motivierten, so rasch Neuwahlen anzukündigen?
Stiegler: Also das habe ich am allerwenigsten befürchtet, weil auch die, die dem Kurs kritisch gegenüberstehen, immer in der Machtfrage geschlossen waren. Das war eher ein Versuch im Vorfeld der Landtagswahl, Verunsicherung zu streuen. Ich denke das war nicht das Ausschlaggebende. Ausschlaggebend war allein die Tatsache, dass man vor der Situation stand, etwa 12 Monate einen Stillstand erleiden zu müssen, oder dass man eben alle Kraft anstrengt, um jetzt in drei Monaten die Entscheidung zu suchen.
Heinlein: Glauben Sie wirklich die Parteilinke hätte stillgehalten und den Kurs, den Reformkurs von Gerhard Schröder unterstützt in den kommenden Monaten, obwohl die SPD in Nordrhein-Westfalen eine historische Niederlage erlitten hat?
Stiegler: Dass es da Diskussionen gegeben hat und hätte und dass es auch Diskussionen geben wird, wenn wir ein Wahlprogramm machen, wie wir uns aufstellen, das halte ich für normal in einer demokratischen Partei wie in der SPD, aber das, was manche Auguren da zugespitzt geschrieben haben, ist weit von der Wirklichkeit weg. Ich bin ja nun auch mitten drin in den Diskussionen und kenne natürlich die diversen Stimmungen, aber das, was da als Kraftprobe stilisiert worden ist, das ist es nicht und Sie werden auch jetzt sehen: die SPD wird mit großer Geschlossenheit und Eintracht in diese Grundsatzauseinandersetzung gehen. Auch viele Gewerkschafter, die den Kurs skeptisch betrachten, werden vor der Frage stehen, überlassen wir das Land der Union und schaffen wir die Tarifautonomie, die Betriebsverfassung und den Kündigungsschutz ab, oder kämpfen wir mit der Sozialdemokratie für eine gerechte Ordnung und für eine faire Ordnung im Rahmen dieser Veränderungen und ist das nicht besser für die, die wir vertreten. Also wir haben da gute Karten.
Heinlein: Das hört sich so an, als ob die SPD zurückkehrt zu ihren sozialpolitischen Wurzeln, vielleicht staatliche Investitionen, Korrekturen bei Hartz IV. Ist das der künftige Kurs der SPD, mit dem sie dann in den beginnenden Wahlkampf gehen werden?
Stiegler: Die SPD wird den Reformkurs fortsetzen. Wir sehen die wirtschaftliche Situation. Wir sehen die Globalisierung. Wir haben aber auch deutlich angesprochen das Übergewicht eines reinen Marktradikalismus und was wir von der FDP und von der Hälfte der Union hören, wäre der Versuch einer Sanierung des Landes auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dagegen haben wir uns immer gewehrt. Wir haben immer einen Kurs mit Augenmaß versucht und den werden wir in dieser Wahlauseinandersetzung erst recht sehr polarisiert darstellen und dafür am Ende auch Zustimmung finden.
Heinlein: Wer wird denn den künftigen Kurs der SPD bestimmen, der Reformer Schröder oder der Kapitalismuskritiker Müntefering?
Stiegler: Es wird die SPD den Kurs bestimmen, mit dem sie in den Wahlkampf geht. Zur SPD gehört der Bundeskanzler genauso wie der Parteivorsitzende. Wir werden ein Wahlprogramm vorlegen, hinter dem beide stehen.
Heinlein: Aber Gerhard Schröder bleibt der Spitzenkandidat? Müntefering als Kanzlerkandidat, das ist keine Diskussion, auf die Sie sich einlassen möchten?
Stiegler: Da braucht sich niemand einzulassen, denn Müntefering hat gestern deutlich erklärt, wir kämpfen mit Gerhard Schröder, mit seiner außenpolitischen Zuverlässigkeit und auch mit seiner Festigkeit bei inneren Reformen. Gerhard Schröder wird etwa am 13. Juni sehr, sehr deutlich machen bei unserem Kongress über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, dass er auch und gerade für eine Politik steht, die eben den breiten Schichten genauso zugute kommt und dass ihm jede Einseitigkeit abhold ist.
Heinlein: Wie werden Sie denn den Wahlkampf gestalten? Werden Sie ganz klar setzen auf die Karte Lagerwahlkampf, die Angst vor der schwarzen Republik?
Stiegler: Das wird sicher im Hintergrund sein. Da werden wir nicht die einzigen sein, die das Thema schwarze Republik artikulieren. Da gibt es ja auch viele Bürgerinnen und Bürger, die keine Einseitigkeit wollen. Es gab immer diese Wellen, dass mal die eine Seite vorne war, dass aber dann die Gegengewichte gebracht worden sind. Das ist aber wenn Sie so wollen die Hintergrundfolie. Der Vordergrund ist, dass wir kämpfen für eine Bundesrepublik Deutschland, deren Führung außenpolitisch klar auf Friedenskurs ist, auch im selbstbewussten Umgang mit den Freunden, und die innen- und wirtschaftspolitisch einen Kurs fährt, der eben gegenüber den breiten Schichten fair ist und der nicht alles auf den Markt setzt und auf seine brutalen Ergebnisse, sondern der die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.
Heinlein: Und wenn es schief geht, Herr Stiegler, haben wir demnächst bayerische Verhältnisse in Deutschland?
Stiegler: Es wird nicht schief gehen. Wir kämpfen und wir werden es auch schaffen!
Heinlein: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Stiegler: Auf Wiederhören!
Ludwig Stiegler: Schönen guten Morgen!
Heinlein: Herr Stiegler, hat Gerhard Schröder tatsächlich seine eigenen Genossen überrascht mit dieser Ankündigung?
Stiegler: Die Mehrheit hat das sicher überrascht, aber dass man darüber nachdenken müsse, wie man in Zukunft mit dem Wahlergebnis und mit der Lage umgeht, das hat eigentlich diejenigen, in Berlin agieren, nicht überraschen können. Wir wissen nun seit geraumer Zeit, dass wir im Vermittlungsausschuss keine Mehrheit haben und dass die andere Seite zwar immer mit treuherzigem Augenaufschlag erklärt, sie würde nicht blockieren, aber hinter verschlossenen Türen um so brutaler agiert. Vor diesem Hintergrund glaube ich war das schon ein wirklicher Befreiungsschlag. Wir suchen die Auseinandersetzung.
Heinlein: Wie riskant ist es denn aus Ihrer Sicht, nun politisch alles auf eine Karte zu setzen?
Stiegler: Man muss abwägen. Riskant wäre auch, eine lange Hängepartie zu haben und dann bei den Bürgern den Eindruck zu erwecken, dass sich in der Politik überhaupt nichts bewegt. Jetzt wird die Entscheidung an den Bürger zurückgegeben. Das ist auch riskant, aber ich erinnere daran, dass wir im Jahre 1972 im April die schlechtesten Wahlergebnisse hatten, um dann im Herbst das beste Wahlergebnis einzufahren. Also die Bewegung ist dort durchaus da und bei einer Bundestagswahl tritt ja zum Beispiel die außenpolitische Zuverlässigkeit in den Vordergrund. Alle Leute wissen um die notorische Unzuverlässigkeit der Union in Sachen von Friedenspolitik. Ich muss nur an den Irak erinnern. Da wird man schon wissen, was man an Gerhard Schröder hat, und die Abwägungen, die die Bürger bei einer Bundestagswahl treffen, sind sehr andere als bei einer reinen Landtagswahl.
Heinlein: Bleiben wir, Herr Stiegler, einen Moment bei Ihrer Partei. Wie groß oder welche Motivation hatte denn die Sorge vor innerparteilichen Richtungskämpfen, die Schröder und Müntefering jetzt dazu motivierten, so rasch Neuwahlen anzukündigen?
Stiegler: Also das habe ich am allerwenigsten befürchtet, weil auch die, die dem Kurs kritisch gegenüberstehen, immer in der Machtfrage geschlossen waren. Das war eher ein Versuch im Vorfeld der Landtagswahl, Verunsicherung zu streuen. Ich denke das war nicht das Ausschlaggebende. Ausschlaggebend war allein die Tatsache, dass man vor der Situation stand, etwa 12 Monate einen Stillstand erleiden zu müssen, oder dass man eben alle Kraft anstrengt, um jetzt in drei Monaten die Entscheidung zu suchen.
Heinlein: Glauben Sie wirklich die Parteilinke hätte stillgehalten und den Kurs, den Reformkurs von Gerhard Schröder unterstützt in den kommenden Monaten, obwohl die SPD in Nordrhein-Westfalen eine historische Niederlage erlitten hat?
Stiegler: Dass es da Diskussionen gegeben hat und hätte und dass es auch Diskussionen geben wird, wenn wir ein Wahlprogramm machen, wie wir uns aufstellen, das halte ich für normal in einer demokratischen Partei wie in der SPD, aber das, was manche Auguren da zugespitzt geschrieben haben, ist weit von der Wirklichkeit weg. Ich bin ja nun auch mitten drin in den Diskussionen und kenne natürlich die diversen Stimmungen, aber das, was da als Kraftprobe stilisiert worden ist, das ist es nicht und Sie werden auch jetzt sehen: die SPD wird mit großer Geschlossenheit und Eintracht in diese Grundsatzauseinandersetzung gehen. Auch viele Gewerkschafter, die den Kurs skeptisch betrachten, werden vor der Frage stehen, überlassen wir das Land der Union und schaffen wir die Tarifautonomie, die Betriebsverfassung und den Kündigungsschutz ab, oder kämpfen wir mit der Sozialdemokratie für eine gerechte Ordnung und für eine faire Ordnung im Rahmen dieser Veränderungen und ist das nicht besser für die, die wir vertreten. Also wir haben da gute Karten.
Heinlein: Das hört sich so an, als ob die SPD zurückkehrt zu ihren sozialpolitischen Wurzeln, vielleicht staatliche Investitionen, Korrekturen bei Hartz IV. Ist das der künftige Kurs der SPD, mit dem sie dann in den beginnenden Wahlkampf gehen werden?
Stiegler: Die SPD wird den Reformkurs fortsetzen. Wir sehen die wirtschaftliche Situation. Wir sehen die Globalisierung. Wir haben aber auch deutlich angesprochen das Übergewicht eines reinen Marktradikalismus und was wir von der FDP und von der Hälfte der Union hören, wäre der Versuch einer Sanierung des Landes auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dagegen haben wir uns immer gewehrt. Wir haben immer einen Kurs mit Augenmaß versucht und den werden wir in dieser Wahlauseinandersetzung erst recht sehr polarisiert darstellen und dafür am Ende auch Zustimmung finden.
Heinlein: Wer wird denn den künftigen Kurs der SPD bestimmen, der Reformer Schröder oder der Kapitalismuskritiker Müntefering?
Stiegler: Es wird die SPD den Kurs bestimmen, mit dem sie in den Wahlkampf geht. Zur SPD gehört der Bundeskanzler genauso wie der Parteivorsitzende. Wir werden ein Wahlprogramm vorlegen, hinter dem beide stehen.
Heinlein: Aber Gerhard Schröder bleibt der Spitzenkandidat? Müntefering als Kanzlerkandidat, das ist keine Diskussion, auf die Sie sich einlassen möchten?
Stiegler: Da braucht sich niemand einzulassen, denn Müntefering hat gestern deutlich erklärt, wir kämpfen mit Gerhard Schröder, mit seiner außenpolitischen Zuverlässigkeit und auch mit seiner Festigkeit bei inneren Reformen. Gerhard Schröder wird etwa am 13. Juni sehr, sehr deutlich machen bei unserem Kongress über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, dass er auch und gerade für eine Politik steht, die eben den breiten Schichten genauso zugute kommt und dass ihm jede Einseitigkeit abhold ist.
Heinlein: Wie werden Sie denn den Wahlkampf gestalten? Werden Sie ganz klar setzen auf die Karte Lagerwahlkampf, die Angst vor der schwarzen Republik?
Stiegler: Das wird sicher im Hintergrund sein. Da werden wir nicht die einzigen sein, die das Thema schwarze Republik artikulieren. Da gibt es ja auch viele Bürgerinnen und Bürger, die keine Einseitigkeit wollen. Es gab immer diese Wellen, dass mal die eine Seite vorne war, dass aber dann die Gegengewichte gebracht worden sind. Das ist aber wenn Sie so wollen die Hintergrundfolie. Der Vordergrund ist, dass wir kämpfen für eine Bundesrepublik Deutschland, deren Führung außenpolitisch klar auf Friedenskurs ist, auch im selbstbewussten Umgang mit den Freunden, und die innen- und wirtschaftspolitisch einen Kurs fährt, der eben gegenüber den breiten Schichten fair ist und der nicht alles auf den Markt setzt und auf seine brutalen Ergebnisse, sondern der die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.
Heinlein: Und wenn es schief geht, Herr Stiegler, haben wir demnächst bayerische Verhältnisse in Deutschland?
Stiegler: Es wird nicht schief gehen. Wir kämpfen und wir werden es auch schaffen!
Heinlein: Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler heute Morgen im Deutschlandfunk. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Stiegler: Auf Wiederhören!