Nicht seine Linie habe sich geändert, sondern die Lage. Das hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière gestern Abend im ZDF noch einmal deutlich gemacht. Damit bekräftigt er, dass Deutschland tatsächlich Terroranschläge drohen. Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter ordnet ein, was das für die Arbeit der Polizei bedeutet.
Jürgen Zurheide: Wie geht die Polizei vor Ort mit den Gefahren um?
Bernd Carstensen: Das ist eine schwierige Situation. Wir sind natürlich professionell ausgerichtet genügend, das ist gar keine Frage. Sie wissen, dass das ein polizeilicher Auftrag ist, der zu erledigen ist. Sie erinnern sich aus der Vergangenheit, dass wir Castor-Transporte, Demonstrationssituationen haben, die natürlich auch im Polizeibereich sehr, sehr personal- und auch stundenintensiv sind. Ich würde Ihnen das mal an einem Beispiel nennen. Wenn wir eine Fußball-Bundesligamannschaft nehmen, haben sie eine Reservebank, und dann, wenn Kräfte, der Stürmer oder Verteidiger, erloschen sind oder zurückgehen, dann wird ausgetauscht und mit gleichem Elan weitergespielt. Das ist in der Polizei nicht, und deswegen nehme ich dieses Beispiel. Wir haben im Bereich der Polizei keine personelle Reservebank, und das macht die Aufgabenstellung so ausgesprochen schwierig.
Jürgen Zurheide: Ich will das mal mit Zahlen unterfüttern, wenn sie denn stimmen. In den letzten Jahren sind 10.000 Kolleginnen und Kollegen nach Hause geschickt worden, die sind weniger da, als sie früher waren, und bis 2019 soll das weitergehen, minus 9000 Stellen. Die Verbände, Sie unter anderem auch, sagen natürlich, das geht nicht. Jetzt könnte man fragen, nutzen Sie da ein bisschen die Situation, oder ist es wirklich so angespannt?
Carstensen: Wir nutzen überhaupt nicht die Situation. Andererseits: Politik spricht mit uns dann, wenn solche Situationen zu bewältigen sind, und insofern nutzen wir natürlich auch die Umgebung. Aber wir haben in zurückliegender Zeit – und es ist schon müßig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir neue Kriminalitätsformen haben, die auch mit ganz anderen Intensitäten, Kriminalität bekämpft werden muss. Wir brauchen zusätzliches Personal, es ist einfach so. Das was bisher versucht worden ist mit Organisationsveränderungen, Strukturen zu verkürzen, Abläufe zu verkürzen, auch Personal neu zu generieren und in anderen Aufgabenbereichen einzusetzen, das hat stattgefunden, ist aber zwischenzeitlich vollkommen ausgereizt. Wir können mit dem Kontingent, was wir jetzt haben, nicht mal mehr genau unsere Situation, wie wir sie jetzt haben, bewältigen.
Zurheide: Nun vertreten Sie eher die Kolleginnen und Kollegen, die natürlich im Hintergrund ermitteln, weniger die, die jetzt an den Flughäfen zu sehen sind und an den Bahnhöfen. Wie hat sich denn die Arbeit verändert auch gerade durch diese Terrorgefahr und die eigentlich ja schon seit einiger Zeit bestehende durchaus erhöhte Alarmbereitschaft für Sie?
Carstensen: Ein ganz entscheidender Grund von kriminalistischer Arbeit ist natürlich auch die Informationsbeschaffung und auch dann Informationsbewertung, Analyse. Wir müssen über Fahndungsmaßnahmen, über Ermittlungen, über Vernehmungssituationen erst mal die Informationen bekommen, wo sich möglicherweise die Tatverdächtigen auch aufhalten, Hinweise, ob es Verbindungen zu anderen Gruppierungen gibt. Das ist auch alles natürlich ausgesprochen personalintensiv und auch zeitintensiv, weil das natürlich auch verdeckt stattfinden soll. Das ist ja nicht, dass wir an die Haustüren gehen, hier ist die Polizei, sagt uns bitte, wo die Terroristen sind. So ist es ja nicht. Es ist ein sehr schwieriges Geschäft, verdeckt an diese Informationen zu kommen, sie dann aber auch entsprechend zu bewerten, zu analysieren und dann die richtigen Maßnahmen zu machen, die dann wieder Observationsmaßnahmen sein können, Telefonüberwachungsmaßnahmen sein können, die natürlich auch wieder neues Personal auslösen.
Zurheide: Jetzt gehen wir natürlich davon aus, dass Sie höchst wachsam sind, dass Sie tun, was Sie tun können. Nur dennoch die Frage: Gibt es eigentlich Sicherheit? Das ist ja immer nur relativ, oder?
Carstensen: Auf jeden Fall ist es nur eine relative Sicherheit. Das was wir jetzt auch an den Flughäfen, Hauptbahnhöfen, an den Seehäfen machen, das hat natürlich auch einen demonstrativen Charakter, zu zeigen, wir, Polizei, sind da.
Zurheide: Also eher, um die Bevölkerung ein Stück weit zu beruhigen?
Carstensen: Ja, selbstverständlich auch, dass wir in dem Moment, wenn Auffälligkeiten bemerkt werden, wenn Situationen sind, dass wir dann auch da sind und reagieren können. Aber nur alleine mit diesen Maßnahmen werden wir einen terroristischen Anschlag natürlich nicht verhindern können. Da gehören viele andere Maßnahmen noch dazu, Täterstrukturen, Organisationsstrukturen zu ermitteln. Das ist der ganz entscheidende Auftrag, den wir noch zu erledigen haben.
Zurheide: Jetzt gibt es ja auch wieder eine neue Sicherheitsdebatte um die Vorratsdatenspeicherung. Da kann man natürlich auch fast auf den Eindruck kommen, na ja, da wird eine Gefahrensituation herbeibeschworen und jetzt kommt der eine oder andere und fordert das. Der Innenminister ist an diesem Punkt bewusst zurückhaltend, weil er genau den Eindruck nicht haben möchte. Aber Sie persönlich sind ja wahrscheinlich auch dafür, dass Sie da mehr Möglichkeiten brauchen. Warum?
Carstensen: Ja, auf jeden Fall brauchen wir die Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung. Nur unter dem Aspekt, wie wir die Situation jetzt haben: Eine Polizei bekommt einen Hinweis auf eine verdächtige Person, die meinetwegen aus Afghanistan, Pakistan zurückgereist ist nach Deutschland und hier Kontakt zu einer Gruppierung haben soll, die möglicherweise auch diese Anschläge mit vorbereiten. Und diese Kommunikation, die dort auch stattfindet – und das wissen wir natürlich –, findet übers Netz statt, findet über die digitale Kommunikation auch statt. Unter den heutigen Bedingungen können wir an die Provider, die Betreiber von digitaler Kommunikation, nicht die Frage stellen, ob diese Person in der letzten Woche mit jemand anderem kommuniziert, verabredet, besprochen hat, um möglicherweise daraus Hinweise zu erlangen, ob Vorbereitungshandlungen stattgefunden haben. Die Frage können wir stellen, wir bekommen sie nur nicht beantwortet, weil uns diese Daten nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen, dadurch, dass die Vorratsdatenspeicherung das im Moment so nicht zulässt.
Jürgen Zurheide: Wie geht die Polizei vor Ort mit den Gefahren um?
Bernd Carstensen: Das ist eine schwierige Situation. Wir sind natürlich professionell ausgerichtet genügend, das ist gar keine Frage. Sie wissen, dass das ein polizeilicher Auftrag ist, der zu erledigen ist. Sie erinnern sich aus der Vergangenheit, dass wir Castor-Transporte, Demonstrationssituationen haben, die natürlich auch im Polizeibereich sehr, sehr personal- und auch stundenintensiv sind. Ich würde Ihnen das mal an einem Beispiel nennen. Wenn wir eine Fußball-Bundesligamannschaft nehmen, haben sie eine Reservebank, und dann, wenn Kräfte, der Stürmer oder Verteidiger, erloschen sind oder zurückgehen, dann wird ausgetauscht und mit gleichem Elan weitergespielt. Das ist in der Polizei nicht, und deswegen nehme ich dieses Beispiel. Wir haben im Bereich der Polizei keine personelle Reservebank, und das macht die Aufgabenstellung so ausgesprochen schwierig.
Jürgen Zurheide: Ich will das mal mit Zahlen unterfüttern, wenn sie denn stimmen. In den letzten Jahren sind 10.000 Kolleginnen und Kollegen nach Hause geschickt worden, die sind weniger da, als sie früher waren, und bis 2019 soll das weitergehen, minus 9000 Stellen. Die Verbände, Sie unter anderem auch, sagen natürlich, das geht nicht. Jetzt könnte man fragen, nutzen Sie da ein bisschen die Situation, oder ist es wirklich so angespannt?
Carstensen: Wir nutzen überhaupt nicht die Situation. Andererseits: Politik spricht mit uns dann, wenn solche Situationen zu bewältigen sind, und insofern nutzen wir natürlich auch die Umgebung. Aber wir haben in zurückliegender Zeit – und es ist schon müßig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass wir neue Kriminalitätsformen haben, die auch mit ganz anderen Intensitäten, Kriminalität bekämpft werden muss. Wir brauchen zusätzliches Personal, es ist einfach so. Das was bisher versucht worden ist mit Organisationsveränderungen, Strukturen zu verkürzen, Abläufe zu verkürzen, auch Personal neu zu generieren und in anderen Aufgabenbereichen einzusetzen, das hat stattgefunden, ist aber zwischenzeitlich vollkommen ausgereizt. Wir können mit dem Kontingent, was wir jetzt haben, nicht mal mehr genau unsere Situation, wie wir sie jetzt haben, bewältigen.
Zurheide: Nun vertreten Sie eher die Kolleginnen und Kollegen, die natürlich im Hintergrund ermitteln, weniger die, die jetzt an den Flughäfen zu sehen sind und an den Bahnhöfen. Wie hat sich denn die Arbeit verändert auch gerade durch diese Terrorgefahr und die eigentlich ja schon seit einiger Zeit bestehende durchaus erhöhte Alarmbereitschaft für Sie?
Carstensen: Ein ganz entscheidender Grund von kriminalistischer Arbeit ist natürlich auch die Informationsbeschaffung und auch dann Informationsbewertung, Analyse. Wir müssen über Fahndungsmaßnahmen, über Ermittlungen, über Vernehmungssituationen erst mal die Informationen bekommen, wo sich möglicherweise die Tatverdächtigen auch aufhalten, Hinweise, ob es Verbindungen zu anderen Gruppierungen gibt. Das ist auch alles natürlich ausgesprochen personalintensiv und auch zeitintensiv, weil das natürlich auch verdeckt stattfinden soll. Das ist ja nicht, dass wir an die Haustüren gehen, hier ist die Polizei, sagt uns bitte, wo die Terroristen sind. So ist es ja nicht. Es ist ein sehr schwieriges Geschäft, verdeckt an diese Informationen zu kommen, sie dann aber auch entsprechend zu bewerten, zu analysieren und dann die richtigen Maßnahmen zu machen, die dann wieder Observationsmaßnahmen sein können, Telefonüberwachungsmaßnahmen sein können, die natürlich auch wieder neues Personal auslösen.
Zurheide: Jetzt gehen wir natürlich davon aus, dass Sie höchst wachsam sind, dass Sie tun, was Sie tun können. Nur dennoch die Frage: Gibt es eigentlich Sicherheit? Das ist ja immer nur relativ, oder?
Carstensen: Auf jeden Fall ist es nur eine relative Sicherheit. Das was wir jetzt auch an den Flughäfen, Hauptbahnhöfen, an den Seehäfen machen, das hat natürlich auch einen demonstrativen Charakter, zu zeigen, wir, Polizei, sind da.
Zurheide: Also eher, um die Bevölkerung ein Stück weit zu beruhigen?
Carstensen: Ja, selbstverständlich auch, dass wir in dem Moment, wenn Auffälligkeiten bemerkt werden, wenn Situationen sind, dass wir dann auch da sind und reagieren können. Aber nur alleine mit diesen Maßnahmen werden wir einen terroristischen Anschlag natürlich nicht verhindern können. Da gehören viele andere Maßnahmen noch dazu, Täterstrukturen, Organisationsstrukturen zu ermitteln. Das ist der ganz entscheidende Auftrag, den wir noch zu erledigen haben.
Zurheide: Jetzt gibt es ja auch wieder eine neue Sicherheitsdebatte um die Vorratsdatenspeicherung. Da kann man natürlich auch fast auf den Eindruck kommen, na ja, da wird eine Gefahrensituation herbeibeschworen und jetzt kommt der eine oder andere und fordert das. Der Innenminister ist an diesem Punkt bewusst zurückhaltend, weil er genau den Eindruck nicht haben möchte. Aber Sie persönlich sind ja wahrscheinlich auch dafür, dass Sie da mehr Möglichkeiten brauchen. Warum?
Carstensen: Ja, auf jeden Fall brauchen wir die Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung. Nur unter dem Aspekt, wie wir die Situation jetzt haben: Eine Polizei bekommt einen Hinweis auf eine verdächtige Person, die meinetwegen aus Afghanistan, Pakistan zurückgereist ist nach Deutschland und hier Kontakt zu einer Gruppierung haben soll, die möglicherweise auch diese Anschläge mit vorbereiten. Und diese Kommunikation, die dort auch stattfindet – und das wissen wir natürlich –, findet übers Netz statt, findet über die digitale Kommunikation auch statt. Unter den heutigen Bedingungen können wir an die Provider, die Betreiber von digitaler Kommunikation, nicht die Frage stellen, ob diese Person in der letzten Woche mit jemand anderem kommuniziert, verabredet, besprochen hat, um möglicherweise daraus Hinweise zu erlangen, ob Vorbereitungshandlungen stattgefunden haben. Die Frage können wir stellen, wir bekommen sie nur nicht beantwortet, weil uns diese Daten nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen, dadurch, dass die Vorratsdatenspeicherung das im Moment so nicht zulässt.