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"Wir sehen eine Zukunft für Ferrari, Maranello und Schumi"

Lucia Bursi, Bürgermeisterin von Maranello, sieht den Grund für die Rekorderfolge des Rennfahrers Michael Schumacher in der engen Verbindung zwischen Ferrari, Maranello und Schumacher. Schumacher werde für Maranello und die Jugend immer ein herausragender Sportler und ein Vorbild sein. Er habe emotionale Spuren in Maranello hinterlassen, sagte Bursi.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Michael Schumacher ist also gestern aus dem internationalen Kreisverkehr der Formel 1 ausgeschert. Das 250. Rennen war sein letztes. Für die Sportsfreunde ist es immer traurig, wenn ein Großer vom Platz geht. Nicht nur Kerpen trägt Trauer. Auch in Maranello werden Schumi Tränen nachgeweint. Maranello ist eine Kleinstadt von knapp 16.000 Einwohnern in der oberitalienischen Region Emilia Romania gelegen. Dort werden die Träume der Autobegeisterten hergestellt in einem roten Werksgebäude, dessen Einfahrt ein Schild mit dem berühmten springenden Pferd ziert. Maranello ist Ferrari. Bürgermeisterin von Maranello ist Lucia Bursi und sie habe ich vor dieser Sendung gefragt, was ihre Untertanen über Michael Schumacher denken.

    Lucia Bursi: Sie denken mit Sicherheit, dass er ein großer Champion ist. Er hat Ferrari und indirekt oder direkt auch Maranello viel gegeben. Man wird sich an ihn erinnern als einen der größten Rennfahrer von Ferrari.

    Heinemann: Mit welchem anderen Ferrari-Fahrer kann man Michael Schumacher vergleichen?

    Bursi: Nicht nur was seine Erfolge betrifft, sondern auch von der Gefühlsseite her möchte ich ihn mit dem 1982 tödlich verunglückten Gilles Villeneuve vergleichen, auch wenn der für Ferrari keinen Titel gewonnen hat. Er war aber für die Ferrari-Fans sehr wichtig. Beide spielen nicht die gleiche Rolle, aber Schumacher hat wie vor ihm nur Gilles Villeneuve im Ferrari-Land auch emotionale Spuren hinterlassen.

    Heinemann: Haben Sie ihn einmal persönlich kennen gelernt?

    Bursi: Er ist immer sehr beschäftigt. Ich habe ihn bei offiziellen Anlässen erlebt, bei der Präsentation der Formel 1. Er ist sehr höflich, hat aber immer zu tun. Er hat eben einen sehr schwierigen Beruf.

    Heinemann: Was bedeutet Ferrari wirtschaftlich für Maranello?

    Bursi: Ferrari ist das größte Unternehmen auf unserem Gebiet. Insofern hat es große Bedeutung: sowohl direkt, also was die Arbeitsplätze und Zulieferer betrifft, als auch indirekt. In den letzten Jahren ist die Zahl der Touristen gestiegen, die hier etwa die Ferrari-Galerie besichtigen. Für eine Gemeinde wie Maranello bedeutet Ferrari sehr viel.

    Heinemann: Und Maranello ohne Schumacher?

    Bursi: Schwierige Frage. Wir hoffen, dass es nicht ohne Schumi weitergehen wird. Dieses war zwar das letzte Rennen von Schumacher, aber wir hoffen doch, dass dieser Sonntag nicht das Ende der Beziehung zwischen Schumacher und Ferrari bedeutet. Wir sehen eine Zukunft für Ferrari, Maranello und Schumi.

    Heinemann: Welcher war der Schlüssel zum Erfolg? War es die Technik des Autos oder die des Fahrers?

    Bursi: Es war ein unübertrefflich enger Verbund zwischen beiden. Vielleicht wäre nur der Wagen ohne diesen Fahrer oder nur der Fahrer ohne den Wagen ein Jahr lang oder höchstens zwei erfolgreich gefahren. Aber diese dauerhaften Erfolge, ein Weltmeistertitel nach dem anderen für Ferrari und Schumacher, ich glaube es wäre mühsam, wollte man die Überlegenheit des einen oder anderen unterscheiden. Es war diese enge Verbindung, die diese ganzen Rekorde und Siege ermöglicht hat.

    Heinemann: Ist Michael Schumacher in Italien ein Vorbild für junge Menschen?

    Bursi: Schumacher hat mich durch seine Erklärung nach seinem vorletzten Rennen sehr beeindruckt. Als am Ende das passiert ist, was leider passiert ist, hat er gesagt, er könne nicht nur um zu gewinnen hoffen, dass ein anderer nicht ins Ziel gelangt. Er ist auch deshalb ein Großer, weil er etwas so Sportliches zu sagen vermag. Und dies ist für junge Leute sicherlich ein vorbildliches Verhalten. Auch seine Rückzugsgeste auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist, wie dies übrigens auch Ministerpräsident Romano Prodi gesagt hat, das Verhalten eines großen Sportlers. Insofern ist er sicherlich ein Vorbild.

    Heinemann: Hat Schumacher das Bild verändert, das die Italiener von den Deutschen haben?

    Bursi: Das weiß ich nicht. Ich glaube, dass die Italiener nicht nur ein Bild von den Deutschen haben, aber das Verhältnis zwischen den Italienern und Schumacher hat sich verändert. Am Anfang haben ihn auch die Menschen in Maranello als distanziert und kühl gesehen, aber dann hat er angefangen, Italienisch zu sprechen und kommunikativer zu werden. Insofern unterscheidet er sich schon von der kollektiven Vorstellung, welche die Italiener von den Deutschen haben. Andererseits hat er ja diese deutschen Eigenschaften Standhaftigkeit und Genauigkeit absolut und glücklicherweise beibehalten.

    Heinemann: Nach jedem Sieg eines Ferrari bei einem Formel-1-Rennen läutet der Pfarrer von Maranello die Kirchenglocken. Wird er dazu auch noch nach Schumachers Abschied Gelegenheit haben?

    Bursi: Ja, das hoffe ich wirklich sehr. Diese enge Beziehung mit einem großen Fahrer ist das eine. Andererseits bleiben wir hier das Ferrari-Land. Ich hoffe, dass auch andere Piloten dafür sorgen werden, dass die Glocken läuten und Ferrari gewinnt.

    Heinemann: Hätte Dante eine göttliche Motorsport-Komödie geschrieben, hätte er Schumacher dann direkt in das Paradies befördert ohne den Umweg über das Fegefeuer?

    Bursi: Das weiß ich nicht. Ich möchte nicht Irdisches mit dem Überirdischen vermischen, nur weil er ein großer Fahrer ist. Aber wenn wir von der klassischen italienischen Kultur zur griechischen übergehen, dann würde ich schon sagen, in den Olymp der Ideen, da gehörte er hin.

    Heinemann: Wird es eines Tages in Maranello eine Michael-Schumacher-Straße geben?

    Bursi: Das bin ich gelegentlich schon gefragt worden. Meine Antwort lautet: mit Sicherheit ja, aber ich hoffe so spät wie möglich, und zwar aus folgendem Grund: Wir haben in Maranello die Tradition, Straßen nach Rennfahrern zu benennen, aber das geschieht, wenn diese Fahrer tot sind. Deshalb hoffe ich, dass es so spät wie möglich dazu kommt.

    Heinemann: Lucia Bursi, die Bürgermeisterin der Ferrari-Stadt Maranello.