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"Wir sind für einen fairen Markt"

Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hans-Michael Goldmann, hat sich hinter die Milchbauern gestellt. Bei den aktuellen Milchpreisen könnten die Betriebe kaum überleben. Wichtig sei aber eine generelle Liberalisierung des Marktes. Goldmann zeigte sich sicher, dass die deutschen Milchproduzenten von einer solchen Öffnung des Marktes profitieren würden.

Moderation: Jochen Spengler |
    Spengler: Einem englischen Sprichwort zufolge soll man über verschüttete Milch nicht weinen. Doch es ist im Grunde zum Heulen, wenn Bauern ihre Milch kübelweise auf den Acker schütten, um höhere Preise durchzusetzen. Mindestens 40 Cent pro Liter wollen sie kassieren statt der 35, die sie derzeit von den Molkereien höchstens bekommen. Und sie setzen darauf, dass die Milch im Laden knapp wird. Das könnte so sein, weil es in vielen EU-Ländern zu Protesten und Solidarisierungen der Milchbauern zu kommen scheint.

    Am Telefon begrüße ich nun Hans-Michael Goldmann, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Ernährung und Landwirtschaft. Guten Tag Herr Goldmann!

    Goldmann: Guten Tag Herr Spengler.

    Spengler: Auf welcher Seite stehen Sie denn? Auf der Seite der Molkereien oder der Bauern?

    Goldmann: So einfach ist es nicht. Natürlich stehe ich emotional eindeutig auch auf der Seite der Bauern. Ich komme ja aus einer Region, dem Emsland und dem ostfriesischen Bereich, wo es tüchtige Milchbauern gibt und die Milchbauern haben über sehr lange Zeiträume saumäßige Preise gehabt. Deswegen ist ihr Ansatz, für ihre Milch im Markt mehr zu bekommen, hundertprozentig berechtigt, denn dieser Ansatz kann und muss dazu führen, dass sie überhaupt im Markt drin bleiben. Das Anliegen ist schon richtig.

    Die Molkereien sind aus meiner Sicht manchmal nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Es gibt private Molkereien; die sind sehr tüchtig und erfolgsorientiert und die haben auch ganz gut ausbezahlt. Aber es gibt eben andere; die hinken ein Stück hinterher.

    Spengler: Jetzt erstaunen Sie mich nun schon, weil die FDP steht ja eigentlich normalerweise für Marktwirtschaft, für das freie Spiel von Angebot und Nachfrage. Und wenn doch ein Überangebot von Milch auf dem Markt ist, dann sinken die Preise normalerweise oder?

    Goldmann: Das ist richtig. Wir sind natürlich für Markt, aber wir sind auch für einen fairen Markt. Es ist ja nicht unbedingt mehr Milch im Markt. Wir hatten ja zum Teil auch eine Situation bei in etwa gleicher Milchproduktion vor etwa eineinhalb Jahren oder vor einem Jahr; da waren die Auszahlpreise der Molkereien wesentlich günstiger für die Bauern. Sie haben mehr bekommen. Die Milchpreise in den Verbrauchermärkten sind gestiegen und im Grunde genommen hat man daran ja gesehen, dass es geht, wenn in diesem Bereich eben Markt herrscht. Das ist ein Problem.

    Spengler: Herrscht kein Markt?

    Goldmann: Zu wenig Markt auf jeden Fall. Wir haben ja von der Ausgangsbasis her schon mal keine Marktsituation. Wir haben eine Milchmarktordnung. Wir haben einen geordneten, einen gesetzlich geordneten Markt. Der Bauer darf nicht so viel produzieren wie er will. Er darf nur im Rahmen seiner Quote produzieren. Diese Quote wird dann von den Molkereien im Grunde abgenommen und wird per Produktpalette dem Verbraucher zugeführt. Da sind sicherlich Marktverbesserungen an vielen Stellen aus meiner Sicht möglich.

    Spengler: Herr Goldmann, wenn ich es richtig verstanden habe, dann war es doch letztes Jahr so, dass die Preise hoch gingen, weil das Angebot knapper wurde. Also hat die EU-Kommission die Quote gelockert und die Bauern haben dankbar zugegriffen und produziert. Also sind sie es eigentlich selber Schuld, wenn sie mehr produziert haben als nun zu bestimmten Preisen abgenommen werden kann.

    Goldmann: Wir haben ja wie gesagt ein Regulierungssystem. Im Rahmen dieser Möglichkeiten haben sie sicherlich die neuen Märkte wahrgenommen. Diese neuen Märkte sind ja weltweit entstanden und gute und tüchtige Molkereien haben dann auch in diese Weltmärkte hineinproduziert. Dann ist wie Sie sagen insgesamt die Milchmenge sicherlich erhöht worden. Die EU hat dann auch noch mal die Milchmenge erhöht, indem sie die Quote aufgestockt haben, und dadurch kann man sagen ist vielleicht in der momentanen Situation zu viel produzierte Milch im Markt, die in nicht kluger Weise von den Molkereien so verwertet wird, dass daraus gute Preise für die Bauern erzielbar sind.

    Spengler: Sie haben gesagt, wir haben einen regulierten Markt. Würde es uns helfen, wenn wir die Regulierung ganz abschaffen würden und sozusagen den Markt ganz freigeben? Jeder darf so viel Milch produzieren wie er möchte.

    Goldmann: Ja, ich denke schon. In der Langfristigkeit ist das so, wie Sie es dargestellt haben. Das ist ja auch im Grunde genommen relativ unumstrittene politische Absicht auf europäischer Ebene. Die Milchquote wird 2015 ein Ende haben. Und ich glaube wenn wir uns dann darauf einstellen - und darauf müssen sich sowohl die Bauern einstellen, darauf muss sich die Milchwirtschaft einstellen, darauf müssen sich natürlich auch dann die Abnehmer der Milch, also die großen Discounter, die großen Lebensmittelketten einstellen -, dann gehen wir in die richtige Richtung.

    Die bisherige Einengung sage ich jetzt mal durch die Quote hat ja das Milchbauernsterben in keinster Weise verhindert. Wir haben in diesem Bereich einen dramatischen Strukturwandel und ich glaube, dass es klug ist, dass man den Betrieben, die am Markt klar kommen können, die Möglichkeiten gibt, dafür die Quote weg, und den Betrieben, die wir in der Landschaft und im Markt halten wollen, Hilfe dabei geben müssen. Wenn wir also Milchproduktion in Regionen haben wollen, die nicht marktfähig sind, muss die Gesellschaft dafür, dass eben Kühe auf der Weide sind, dafür, dass wir Bauern haben, die meinetwegen im Schwarzwald oder an der Küste, in Niederungsgebieten produzieren, in so genannten Grünland-Regionen, gesellschaftliche Hilfe geben.

    Spengler: Da muss ich noch mal einhaken. Das heißt also auch nicht der freie Markt ohne jegliche staatliche Regulierung, weil das würde bedeuten die Großen setzen sich durch? Die Bauern, die einfach ihre Kühe nur in den Ställen lassen und nicht mehr auf die Weide schicken, die kommen ja auch mit den jetzigen Preisen schon klar oder?

    Goldmann: Mit den jetzigen Preisen sage ich mal ein bisschen platt kommt kein Bauer klar. Man kann hin- und herrechnen, aber wenn wir Auszahlpreise unter 30 Cent oder knapp über 30 Cent haben, damit kommen die Bauern nicht klar.

    Spengler: Aber wenn man jetzt den Markt wie Sie sagen völlig liberalisieren würde, wie kann man denn dann verhindern, dass das gleiche passiert wie heute, nur noch stärker, dass nämlich kleine Bauern sozusagen Produktionskosten haben, die sie am Markt einfach nicht wieder reinkriegen?

    Goldmann: Ich gehe ja davon aus, dass wir insgesamt im Milchbereich einen steigenden Markt haben. Wir haben weltweit eine steigende Nachfrage nach Milch und Milchveredlungsprodukten. Wir haben einen stark ansteigenden Käsemarkt, wir haben einen stark ansteigenden Markt im Frischmilchbereich, wir haben einen stark ansteigenden Markt im Veredlungsbereich - außer Milch -, außer Joghurtprodukte und ähnliche Dinge. Tüchtige Molkereien und tüchtige Landwirte in Verbindung mit ihren Molkereien können sich bei der Qualität unserer Produkte Weltmärkte aus meiner Sicht sehr qualifiziert erobern und müssen dann nicht eine Grausamkeit begehen, indem sie irgendwo nur Milch vernichten, wie es im Moment erfolgt. Das ist natürlich überhaupt nicht einem Verbraucher in der jetzigen Situation klar zu machen. Deswegen müssen wir dort zu Lösungen kommen und das können wir auch. Ich bin davon felsenfest überzeugt, dass die deutschen Milchbauern bei einer Öffnung des Marktes Profiteure einer solchen Öffnung sein werden.

    Spengler: Herr Goldmann, Sie haben aber gerade eben selbst gesagt, wir müssen dann Vorkehrungen treffen, dass die Bauern, die es vielleicht schwerer haben, die ihre Kühe tatsächlich noch auf die Weide bringen, die auch in schwierigeren Gebieten Kuhhaltung betreiben, besonders unterstützt werden, weil sie zum Beispiel für uns alle Landschaftspflege betreiben.

    Goldmann: Das ist unstrittig, ja!

    Spengler: Wie könnte man die denn im Moment stärker unterstützen?

    Goldmann: Indem wir ihnen dafür Zuwendungen geben, dass sie im Grunde genommen in diesen Bereichen unsere nicht nur so genannte, sondern unsere schöne Kulturlandschaft erhalten. Ich plädiere dort für ein Zwei-Säulen- oder Zwei-Stufen-Modell: So viel Markt wie irgend möglich für die Landwirte, die hervorragende Produktionsbedingungen haben, betriebswirtschaftliche Bedingungen haben, hervorragendes Material im technischen Bereich und natürlich auch sehr gute Tierqualität haben, die hochleistungsfähig sind, und diejenigen, die dann in Bereichen sind - ich komme ja wie gesagt aus dem Emsland; da gibt es Regionen, da fallen im Winter 100.000 von Gänsen ein; da haben wir eine Grabenstruktur, wo man nicht so spritzen kann wie es nötig ist, wo man Rücksicht nehmen muss auf die Natur, auf die Landschaft -, dort geben wir so wie wir Städte unterhalten, indem wir Städtebauförderungsmittel geben, dann auch Geld dafür aus, dass wir dort eine ländliche Kulturlandschaft erhalten. Da müssen wir dann dem Bauern, der in dieser Region bereit ist zu produzieren und nicht Marktniveau erreichen kann, dabei helfen.

    Spengler: Und nur dem! - Hans-Michael Goldmann, Sprecher der FDP-Fraktion für Ernährung und Landwirtschaft. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Goldmann.

    Goldmann: Ich Ihnen auch. Danke schön!