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"Wir sind gut vorbereitet"

Der tschechische Schulminister Ondrej Liska ist zuversichtlich, dass sein Land den Lissabonner Vertrag ratifizieren werde, bevor im Januar 2009 die EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens beginnt. Die meisten politischen Kräfte im Senat und in der Abgeordnetenkammer stünden hinter dem EU-Vertragswerk. Die Ratspräsidentschaft Tschechiens sei zudem sehr gut vorbereitet und abgestimmt mit Vorgänger Frankreich und Nachfolger Schweden, so Liska.

Ondrej Liska im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Noch ist Nicolas Sarkozy amtierender EU-Ratspräsident. Auch wenn er nicht bei allen in Europa beliebt ist, sein Krisenmanagement und das Tempo, mit dem er Probleme angeht, dies hat selbst seinen Kritikern Respekt abgefordert. Ende Dezember endet die Ratspräsidentschaft für Frankreich und geht an Tschechien über. Ist der EU-Neuling dieser Aufgabe gewachsen? Immerhin stehen für das kommende Jahr schwierige Aufgaben an, mit dem Lissabon-Vertrag etwa, dem neuen Grundlagenvertrag der EU, mit dem EU-Russland-Abkommen. Was eine gewisse Skepsis nährt: Die Regierung von Premier Topolanek in Prag steht nach mehreren Wahlschlappen der Regierungspartei ODS innenpolitisch unter Druck und gilt als wackelig. - Am Telefon begrüße ich den tschechischen Schulminister und Grünen-Politiker Ondrej Liska. Guten Morgen nach Prag!

    Ondrej Liska: Guten Morgen.

    Schütte: Wenn Tschechien die Ratspräsidentschaft im Januar übernimmt, bedeutet dies dann Stillstand für die EU?

    Liska: Auf gar keinen Fall. Wir sind in voller Vorbereitung von der Präsidentschaft. Die Agenda steht fest und wir arbeiten ganz eng zusammen mit der französischen und der nachkommenden schwedischen Präsidentschaft. Also ich glaube, es gibt genug Aufgaben, die vor uns stehen.

    Schütte: Können Sie denn nachvollziehen, dass viele EU-Politiker und Beobachter sagen, die Ratspräsidentschaft Tschechiens steht unter keinem guten Stern?

    Liska: Das kann sein, dass es viele Zeichen von Unruhe und von Unsicherheit gibt, was die innenpolitische Lage angeht oder was die schwierigen Themen sind. Deshalb glauben viele Kommentatoren, es könnte wahrscheinlich zu viel sein. Aber ich glaube, dieses Misstrauen ist nicht nötig. Wir sind, glaube ich, gut vorbereitet. Die innenpolitische Diskussion zu der Präsidentschaft ist schon lange genug. Die Vorbereitungen sind sehr fortgeschritten. Ich glaube, es gibt keine richtigen Gründe, keine rationalen Gründe zu sagen, die tschechische Präsidentschaft könnte zur Instabilität oder Schwächung der EU-Prozesse beitragen. Das, glaube ich, ist ein Missverständnis.

    Schütte: Herr Liska, ein Grund könnte sein, an der Spitze Ihres Landes steht ein Präsident, der den neuen Grundlagenvertrag, den Lissabon-Vertrag, heftig kritisiert. Wie überzeugend kann da die tschechische Ratspräsidentschaft für die EU eintreten?

    Liska: Herr Klaus, unser Präsident, ist bekannt mit seinen skeptischen Ansichten, was die EU angeht. Er ist aber ein Präsident, der nicht die Außenpolitik macht. Er ist gebunden mit dem Mandat der Regierung, des Parlaments, und deshalb ist es auch klar - und das haben wir im Prinzip auch mehrmals gesagt -, die Priorität Nummer 1 Ende des Jahres von unserer Regierung ist, den Lissabonner Vertrag zu ratifizieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ein vorsitzendes Land für das nächste halbe Jahr wären und nicht ratifiziert hätten. Diese Debatte zwischen dem Präsidenten und dem Rest der politischen Szene entwickelt sich seit Jahren und deshalb kann uns Herr Klaus, wenn man das sowohl negativ wie auch positiv sehen würde, nicht überraschen, was wir von ihm erwarten können. Seine Rolle ist ganz bestimmt und beschränkt. Das Hauptwort hat natürlich die Regierung und die hat eine Priorität und das ist die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages.

    Schütte: Auch im Parlament, auch in der Regierung gibt es allerdings Europaskeptiker. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die während der Ratspräsidentschaft nicht dazwischenfunken?

    Liska: Es wird natürlich eine Debatte weitergehen, aber die meisten politischen Kräfte im Senat, im Parlament, in der Abgeordnetenkammer sind überzeugt, dass wir den Lissabonner Vertrag ratifizieren sollen und müssen, so dass dies unsere Priorität ist. Aber dass es eine Debatte weiter geben wird, das finde ich nicht als prinzipiell negative Sache. Hauptsache ist, dass der Lissabonner Vertrag nicht blockiert wird. Bei uns in Tschechien erwartet man bis Ende des Jahres noch zwei andere wichtige außenpolitische Debatten im Parlament, und zwar nicht nur den Lissaboner Vertrag, sondern auch die Ratifizierung des Raketenabwehrsystems der USA und die Positionierung einer Radarstation in Tschechien. Das ist eine viel kontroversere Sache als der Lissabonner Vertrag und es wird wahrscheinlich noch eine viel stärkere Debatte dazu geben.

    Schütte: Herr Liska, den Lissabon-Vertrag in Tschechien zu ratifizieren, ist das eine. Ihn EU-weit voranzubringen, ist das andere. Wird der Lissabon-Vertrag während ihrer Ratspräsidentschaft noch EU-weit in Kraft treten?

    Liska: Ob er in Kraft tritt, das ist eine Sache, die wir teilweise nur beeinflussen können und sollen. Wir müssen natürlich eine Position entwickeln, wie die 27 Länder gemeinsam weitergehen, und da spielt natürlich auch die Debatte in Irland und anderen Mitgliedsstaaten eine Rolle. Da sind wir bereit, alles dafür zu tun, dass möglichst bald der Lissabonner Vertrag in Kraft tritt. Da sind aber noch viele Fragen offen. Natürlich ist auch immer noch offen, mit welchem Ergebnis die französische Präsidentschaft endet und was dann unsere Agenda wird.

    Schütte: Der tschechische Grünen-Politiker und Schulminister Ondrej Liska. Ich danke Ihnen für das Gespräch.