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"'Wir werden jetzt rechtliche Maßnahmen ergreifen"

Im Endeffekt seien die Kleinanleger, die sich auf das Wort der Politiker verlassen haben, "die Gelackmeierten", meint Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK). Die Gemeinschaft will gegen einen Zwangsumtausch griechischer Staatsanleihen klagen. Inhaltlich richtet sich die Klage nicht nur gegen die griechische Regierung, sondern auch gegen die EZB.

Daniel Bauer im Gespräch mit Anne Raith |
    Anne Raith: Dass der Schuldenschnitt für Griechenland so freiwillig wie ein Geständnis in der Spanischen Inquisition ist, das ist ursprünglich aus dem Munde von Commerzbank-Chef Martin Blessing inzwischen schon fast ein geflügeltes Wort. Doch am Tag danach zählte in Athen, in Berlin und Paris allein das Ergebnis. Von einem historischen Schuldenschnitt ist die Rede und großer Erleichterung – wohl wissend, dass dies nur eine weitere Etappe und bei Weitem nicht der Zieleinlauf ist, auch wenn der französische Präsident bereits von einer Lösung für die griechische Krise sprach. Unter den Privatgläubigern ist die Stimmung nach dem Verzicht entsprechend verhaltener. Bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger zum Beispiel, sicherlich auch, weil einige der führenden Funktionäre derzeit vor Gericht stehen, unter anderem wegen Insiderhandels, das allerdings soll heute nicht unser Thema sein. Denn die Schutzgemeinschaft ist mit rund 12.000 Mitgliedern auch das zweitstärkste Aktionärsbündnis in Deutschland und somit vom Schuldenschnitt betroffen. Am Telefon begrüße ich nun Daniel Bauer, den Vorstandsvorsitzenden der SDK. Einen schönen guten Morgen!

    Daniel Bauer: Guten Morgen!

    Raith: Herr Bauer, Sie beraten Kleinanleger bei deren Kapitalanlage. Hatten Sie eigentlich ihren Anlegern geraten, sich an diesem freiwilligen Umtausch zu beteiligen?

    Bauer: Nein, wir haben zwar das Umtauschangebot wirtschaftlich als interessant gefunden, die technische Umsetzung war aber völlig uninteressant für Kleinanleger, da es bedeutet, dass wenn man seine griechischen Anleihen andient, man insgesamt 24 neue Wertpapiere erhalten würde. Das ist für einen Kleinanleger nicht nachvollziehbar, denn damit würde man, wenn man diese Wertpapiere verkaufen wollte, Transaktionskosten haben, die zum Teil den Wert dieser Wertpapiere übersteigen würden.

    Raith: Aber wirtschaftlich interessant, haben Sie gesagt, interessanter als der Zwang jetzt.

    Bauer: Ja, natürlich, vor allem für diejenigen, die langlaufende Griechenlandanleihen haben, im Depot haben, für die ist ein Umtauschangebot natürlich immer interessant, denn dadurch würde man neue Papiere erhalten vom sogenannten europäischen Rettungsschirm EFSF, und diese Wertpapiere sind relativ sicher, im Gegensatz zu den langlaufenden griechischen Anleihen, die man im Depot hat, die sind nämlich sehr, sehr unsicher. Auch in Zukunft wird Griechenland ja relativ eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, dass es hier zum Zahlungsausfall kommt.

    Raith: Können Sie uns denn einen Einblick geben, wie ihre Anleger auf das Umtauschangebot reagiert haben, also wer sich für diesen freiwilligen Umtausch entschieden hat?

    Bauer: Es haben sich, soweit ich weiß, ca. 99,9 Prozent der Privatanleger eben aus diesen technischen Gründen gegen das freiwillige Umtauschangebot entschieden.

    Raith: Jetzt plant die griechische Regierung ja nun per Gesetz die fehlenden Anleger, also auch ein Großteil der Anleger, die Sie vertreten, zum Umtausch zu zwingen. Sie lehnen das ab, das haben Sie schon ausgeführt, aus technischen Gründen. Warum? Können Sie das noch näher erläutern?

    Bauer: Sie haben es bereits gesagt: Vor circa drei Wochen wurde ein Gesetz beschlossen, das sogenannte Zwangsumschuldungsklauseln in diesen nach griechischem Recht gegebenen Anleihen ermöglicht. Anhand dieser Zwangsumschuldungsklauseln sollen jetzt diejenigen Gläubiger, welche dem Schuldenschnitt nicht freiwillig zugestimmt haben, zum Schuldenschnitt eben gezwungen werden, und eine so geartete nachträgliche Einführung von Zwangsumschuldungsklauseln entspricht nicht den Rechtsgrundsätzen, die wir in der EU eigentlich sonst kennen.

    Raith: Aber glauben Sie denn, Ihre Kleinanleger sind besser beraten, Verluste zu vermeiden, wenn sie die Griechenlandanleihe jetzt nicht umtauschen?

    Bauer: Ja, also vor allem diejenigen, die kurzfristig laufende Anleihen haben, würden ja jetzt in dem Jahr oder in den kommenden Jahren eigentlich ein Recht haben, dass man sie zu 100 Prozent auszahlt – und man darf nicht vergessen, die Anleger haben auch vor drei, vier, fünf Jahren diese Anleihen zu 100 Prozent gezeichnet und würden jetzt Anleihen bekommen, die 30 Jahre zum Teil laufen. Da ist es natürlich für die meisten Privatanleger nicht sinnvoll, hier anzudienen und das Umtauschangebot anzunehmen, und auch nicht zwangsweise, denn viele würden den Endzeitpunkt der Fälligkeit der Anleihen gar nicht mehr erleben, wenn man davon ausgeht, dass die 60 Jahre im Schnitt sind und 30 Jahre warten müssten, dann ist das natürlich keine Option.

    Raith: Aber der griechische Finanzminister Venizelos hat gesagt gestern im Parlament, es sei naiv zu glauben, dass eben die Anleger ihr gesamtes Geld zurückerhalten.

    Bauer: Gut, das wird man sehen, wir werden jetzt rechtliche Maßnahmen ergreifen. Es gibt Beispiele in anderen Ländern, die haben gezeigt, dass hier vor allem Hedgefonds gerichtlich erfolgreich waren. Das muss man jetzt abwarten, wir sind der Meinung, dass es auf alle Fälle so nicht geht. Man kann auch, wenn es zur größten Krise kommt, rechtliche Grundsätze nicht verletzen, und das wurde hier gemacht. Und drum sollte man hier auf alle Fälle rechtlich vorgehen.

    Raith: Sie sagen es, Sie wollen rechtlich vorgehen, Sie wollen klagen. Mit welchem Ziel, was versprechen Sie sich von einer Klage?

    Bauer: Es gibt mehrere Punkte, einerseits natürlich wollen wir die griechische Regierung in die Verantwortung nehmen und darauf verklagen, dass sie die 100 Prozent der Anleihen zurückzahlt. Ferner gibt es auch noch andere Parteien, die man verklagen kann, zum Beispiel wurden hier die Gläubiger, die Privatgläubiger, gegenüber anderen Gläubigergruppen benachteiligt, zum Beispiel die EZB, die hat ihre Anleihen nicht umtauschen müssen, da zuvor die Anleihen einfach umbenannt wurden – so geht es natürlich auch nicht. Des Weiteren ist aktuell in Griechenland im Gespräch, dass man griechische Kleinanleger anders behandelt als andere Kleinanleger – das kann natürlich auch nicht sein.

    Raith: Das kann natürlich aber wiederum dafür sorgen, dass monatelang und vielleicht jahrelang keine Rechtsklarheit darüber herrscht, ob Griechenland nun entschuldet ist oder nicht, und bringt also auch keine Klarheit für Ihre Anleger.

    Bauer: Gut, das muss man natürlich eingehen, aber was ist denn die Alternative – die Alternative wäre, dass man jetzt zu rund zwei Dritteln griechische Anleihen ins Depot bekommt, die bis zu 2042 laufen, also diese 30 Jahre Laufzeit, bis dahin sollte das auf alle Fälle geklärt sein. Das heißt, man wird auf alle Fälle nicht schlechtergestellt.

    Raith: Aber die Alternative könnte auch sein, ein immer noch drohender – so zumindest schildern es einige Beobachter – ein immer noch drohender ungeordneter Staatsbankrott und damit der Totalausfall etwaiger Gewinne.

    Bauer: Das ist natürlich möglich, aber so ist nun mal unser System, denke ich mal, und das sollte man auch akzeptieren. Und auch, wenn es dann zu einer Insolvenz eines Staates kommt, kann man dennoch nicht grundlegende Rechtsgrundsätze verletzen. Man sollte sich an die immer halten, und das wäre eben dann die Konsequenz. Und natürlich ist mit jeder Investition in eine Staatsanleihe auch ein Totalverlust verbunden, das ist ganz klar.

    Raith: Eben dieses Risiko ist damit verbunden, also ein etwaiger Totalausfall. Müssen damit nicht auch die Anleger das Ausfallrisiko tragen, weil sie ja umgekehrt auch von hohen Zinsen profitiert hätten?

    Bauer: Erstens gab es keine hohen Zinsen auf griechische Staatsanleihen seit Einführung, oder nach Einführung des Euros haben sich die Zinssätze in den teilnehmenden Euroländern relativ angeglichen. Das heißt, man hat vor vier Jahren für eine griechische Staatsanleihe kaum mehr Zinsen erhalten wie für eine deutsche Bundesanleihe, dafür sind auch die Politiker verantwortlich, denn eigentlich sind die meisten davon ausgegangen, dass eben hier die Europäische Union auch gegenseitig einspringt, falls es in einem Land mal eng wird. Frau Merkel hat 2010 auch noch gesagt zum Beispiel, dass Staatsanleihen und Griechenland bis 2013 durchfinanziert seien. Das wurde dann jedes Jahr wieder erneuert, auch im Juni hieß es, dass Griechenland auf gesunden Füßen steht. Dem wurde jetzt nicht so entsprochen, das heißt, im Endeffekt sind hier die Kleinanleger, die sich auf die Politiker verlassen haben, auf das Wort der Politiker, die Gelackmeierten – ja, und so kann es natürlich nicht eingehen. Und das Risiko, das Griechenland ausfällt, das hat man ja jetzt auch. Also wenn man jetzt Klage einreicht, dann hat man im Endeffekt das gleiche Risiko, wie wenn man zum Schuldenschnitt gezwungen wird, denn man erhält ja zum Großteil griechische Staatsanleihen, und die sind ja genau so unsicher wie jetzt, wenn man eine Klage einreicht auf Rückzahlung der 100 Prozent. Denn wenn Griechenland ausfällt, dann werden die neuen Anleihen, die man im Rahmen der Zwangsumschuldung erhält, natürlich auch nicht mehr bedient. Und gut, was man natürlich aufführen kann, sind diese 15 Prozentpunkte durch EFSF-Anleihen, was quasi einer Barzahlung entspricht, aber natürlich sind 15 Prozentpunkte von 100 nicht sehr viel für den privaten Kleinanleger, der hier vor vier, fünf Jahren für teures Geld die griechischen Anleihen gezeichnet hat.

    Raith: Herr Bauer, die Ratingagentur Fitch hat Griechenland gestern auf die Stufe teilweisen Zahlungsausfalls heruntergestuft, so bewertet das auch Standard & Poor’s. Glauben Sie eigentlich, dass es zu einem völligen Zahlungsausfall, über den wir ja jetzt schon mehrmals gesprochen haben, in Athen kommen wird?

    Bauer: Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, dann hätte ich gesagt, nein, es wird nicht zum Zahlungsausfall kommen. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher, denn wenn man anschaut, was vor eigentlich zwei Jahren die Argumentation war, dass man Griechenland rettet – das war nämlich der Grund dieser sogenannten Kreditausfallversicherungen, die fällig werden, wenn es eben hier zu einer Insolvenz eines Staates kommt, und von denen man seit der Lehman-Pleite höllische Angst hatte –, wurde eben argumentiert, dass man Griechenland retten muss, da sonst alle anderen Staaten auch folgen, wenn diese Kreditausfallversicherungen fällig werden. Das scheint ja jetzt nicht mehr so der Fall zu sein, denn gestern wurden ja eben diese Kreditausfallversicherungen fällig gestellt, daher kann es natürlich sein, wenn man hier nicht schleunigst auch die politischen Rahmenbedingungen ändert in Griechenland, das heißt, einmal die Korruption et cetera bekämpft und die staatliche Willkür bekämpft und den Beamtenapparat zurückfährt, und gleichzeitig nicht nur spart, sondern auch Investitionen angeht, dann kann es natürlich auch in Zukunft sein, dass die Ziele verfehlt werden, und dann irgendwann der Geduldsfaden reißt. Denn man muss ja bedenken, dass in Griechenland jetzt auch Wahlen anstehen, da weiß man nicht, was rauskommt, wenn da die Kommunisten oder andere linke Parteien an die Macht kommen, kann es auch sein, dass die griechische Regierung gar nicht mehr willig ist, hier die Anleihen, die Schulden zurückzuzahlen. Gleiches gilt für alle Euroländer: Wenn hier Regierungen an die Macht kommen, zum Beispiel in Tschechien, Finnland ist das immer wieder ein Thema oder auch in Holland ist das ein Thema, dass die eben eurofeindlich sind, dann kann es auch sein, dass die griechische Rettung irgendwann scheitert und man dann doch den Weg des Staatsbankrottes wählt. Das ist meiner Meinung nach mittlerweile sogar sehr wahrscheinlich.

    Raith: Sagt Daniel Bauer, der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger in München im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank!

    Bauer: Bitte!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.