Freitag, 19. April 2024

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Wirkstoff Artemisinin
Resistenzen von Malaria-Erregern in Afrika befürchtet

Als der Malaria-Erreger Ende des 20. Jahrhunderts resistent gegen den Wirkstoff Chloroquin wurde, war Artemisinin die Rettung. Jetzt weisen Untersuchungen darauf hin, dass sich in Afrika auch Resistenzen gegen die darauf beruhende Standardtherapie anbahnen, erklärte der US-Mediziner Philip Rosenthal im Dlf.

Philip Rosenthal im Gespräch mit Christiane Knoll | 26.04.2021
Eine Frau wartet vor einer Klinik in Migowi in Malawi darauf, im Rahmen eines Pilotprojekts der WHO gegen Malaria geimpft zu werden
In Pilotprojekten der WHO wird bereits gegen Malaria geimpft, die Standardbehandlung von Erkrankten beruht auf dem Wirkstoff Artemisinin (picture alliance / AP/ Jerome Delay)
Malaria wird durch einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium ausgelöst. Deren Leben im Körper der menschlichen Wirte ist recht komplex. Daher hat die Medizin noch immer keine richtig gute Antwort dagegen gefunden. Derzeit beruht die Standardtherapie auf Artemisinin. Genetikerinnen und Ärzte aus Ruanda haben im Fachjournal "The Lancet" allerdings eine Studie vorgelegt, die auf die Entstehung von Resistenzen der Malaria-Erreger in Afrika gegen Artemisinin hinweist. Philip Rosenthal von der Universität von Kalifornien in San Francisco hat die Untersuchung in dem Fachmagazin kommentiert.
Christiane Knoll: Wie sieht die Standardbehandlung gegen Malaria im Moment aus?
Philip Rosenthal: Seit den 1990er-Jahren wurde in Asien Artemisinin gegen Malaria erforscht. Das führte dann zur Strategie, Artemisinin-haltige Medikamente mit einem anderen Medikament zu kombinieren. Solche Kombinationstherapien, sogenante ACTs, wurden etwa 2005 zur Standard-Therapie in Afrika. Das war damals unblaublich wichtig, weil unsere alten Medikamente nicht mehr wirkten. Die Sterbezahlen waren wegen der Resistenzen gegen Chloroquin vor allem bei den Kindern dramatisch gestiegen. Und da halfen uns die extrem effektiven ACTs im Kampf gegen Malaria.
Eine Beifuß-Ambrosiapflanze
Artemisinin-Produktion - Grüne Chemie für Malaria-Medikament
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Christiane Knoll: Jetzt gibt es erste Anzeichen, dass auch die ACTs an Wirksamkeit verlieren. Wie besorgt sind Sie und Ihre afrikanischen Partner?
Philip Rosenthal: Es ist wichtig, nicht übertrieben alarmistisch zu sein, weil die Versorgung in Afrika immer noch gut ist. Die ACTs, die dort im Einsatz sind, funktionieren noch immer gut. Das ist die wichtigste Botschaft. Aber wir sehen erste Zeichen, dass wir das Artemisinin verlieren könnten. Das Ergebnis der Ruandischen Studie ist einmal, dass sie Mutationen im Malaria-Parasiten nachweisen, von denen wir aus Südostasien wissen, dass sie Resistenzen verursachen. Vor allem aber zeigt sie, dass diese Mutationen tatsächlich einhergehen mit einer verzögerten Beseitigung der Parasiten im Blut. Die Forscher haben Patienten behandelt und beobachtet, dass das Kombinationspräparat länger gebraucht hat als üblich, um die Parasiten zu beseitigen. Die Medikamente haben nicht versagt, niemand ist gestorben. Aber nach unseren Erfahrungen aus Asien ist das ein Zeichen, dass die Parasiten resistent werden.
Das sind die ersten überzeugenden Daten für dieses Phänomen in Afrika. Weitere Daten zeigen, dass diese Mutationen in den Parasiten auch schon in anderen Ländern Afrikas vorkommen. All das ist eine klare Botschaft für uns, dass wir die Standardtherapie gegen Malaria vielleicht ändern müssen. Außerdem brauchen wir natürlich neue Medikamente, um die Resistenzen zu umgehen, wenn sich das Problem weiter verschärft.
This female Anopheles gambiae mosquito-one of several species that can carry deadly malaria-surely used her sophisticated sniffing ability to find a place to eat. Foto: NNS /Landov dpa
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Robuste Pipeline für Anti-Malaria-Medikamente

Christiane Knoll: Gibt es denn neue Medikamente in der Pipeline?
Philipp Rosenthal: Es gibt eine ziemlich robuste Pipeline für Anti-Malaria-Medikamente. Die Organisation "Medicines for Malaria Venture" in Genf arbeitet seit 20 Jahren daran – wie Sie wissen zeigen die großen Pharmakonzerne bei Krankheiten wie Malaria wenig Begeisterung, weil da nicht viel Profit zu erwarten ist. Nichtsdestotrotz gibt es Forschungsprojekte auch in der Industrie und natürlich gute Forschung an den Universitäten. Und "Medicines for Malaria" hilft, den Überblick zu behalten und die Projekte zu organisieren. Wir haben also eine hübsche Pipeline mit potentiellen Wirkstoffen gegen Malaria. Andererseits sind die Herausforderungen groß, gerade bei Malaria. Sie brauchen ein einfaches Medikament mit hoher Sicherheit, günstig, das Sie Kindern und Schwangeren geben können. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es kein neues Medikament für die Behandlung von Malaria in Afrika gab seit Anfang der 2000er-Jahre, als die ACTs entwickelt wurden. Es gibt Grund zu Optimismus aber wir müssen auch realistisch sein. Viele Wirkstoffe scheitern auf dem langen Weg bis zur Zulassung, das ist bei allen Medikamenten so. Im besten Fall haben wir neue Medikamente für die Behandlung von Malaria in fünf bis zehn Jahren.
Christiane Knoll: Wie sind denn Ihre Erfahrungen: Wie schnell werden sich die Resistenzen ausbreiten. Reicht diese Zeit?
Philipp Rosenthal: Das ist natürlich eine sehr wichtige Frage. Je früher wir die Substanzen haben desto besser. Aber wir haben Zeit, es ist nicht so, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt. Außerhalb der Mekong-Region, Kambodschas und benachbarten Ländern funktionieren die ACTs überall auf der Welt gut. Auch in Afrika, und das ist das wichtigste, weil Afrika ein so großes Malaria-Problem hat. Aber der Entwicklungsprozess für Medikamente ist langwierig und schwierig. Er muss jetzt definitiv eine hohe Priorität bekommen.
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Schon länger Resistenzen in Südostasien

Christiane Knoll: In Südostasien gibt es die Resistenzen schon seit mehr als 15 Jahren. Wie bekämpft man die Malaria denn dort?
Philipp Rosenthal: Es ist sehr schwierig. Aber in Südostasien gibt es nicht so viele Malaria-Fälle, und die Länder sind wohlhabend. Sie managen das Problem ganz gut. Behandlungslücken gibt es im Mekong, dort ist das Resistenzproblem am größten, aber das Problem trotzdem relativ klein, weil es wenig Malaria gibt. In Südostasien ist Malaria eine Krankheit der Erwachsenen, die meisten arbeiten in den Wäldern oder Minen. Oft sind es junge Leute, die ansonsten gesund sind und medizinisch gut versorgt werden. Wenn ein Medikament versagt, versucht man es mit einem anderen. Man ist auch dazu übergegangen, zwei verschiedene ACTs anzuwenden. Oder in Kambodscha, da ist man wieder einen Schritt zurückgegangen auf ein älteres Präparat, nachdem die Resistenzen gegen das neue dramatisch geworden waren. Das ist nicht leicht, aber mit großer Aufmerksamkeit und einer Autorität, die die richtigen Entscheidungen trifft, ist eine gute Behandlung möglich.
Interessant ist zum Beispiel auch eine Triple ACT. Statt das Artemisinin-Präparat mit zwei zusätzlichen Partner-Medikamenten zu kombinieren, gibt man drei. Das ist wegen der Nebenwirkungen nicht gerade eine brillante Idee, aber sie funktioniert. So behandeln wir heute zum Beispiel auch die Tuberkulose, mit vier und mehr Substanzen. In den letzten Jahren wurde eine große Studie zur Triple-ACT durchgeführt, das gibt etwas Sicherheit für den Fall, dass wir eine Substanz wegen der Resistenz verlieren. Das ist noch nicht Standard, aber es wird in Südostasien genutzt und könnte in anderen Teilen der Welt angewendet werden, um auch die Ausbreitung der Resistenzen zu verhindern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.