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Wirtschaftliches Comeback
Portugal auf dem Erfolgsweg

Anfang April 2011 musste der damalige portugiesische Finanzminister die Reißleine ziehen und EU-Finanzhilfen beantragen: ein Rettungspaket mit 78 Milliarden Euro wurde geschnürt. Sieben Jahre später und mit einer linken Regierung am Steuer geht es mit der portugiesischen Wirtschaft nun wieder bergauf.

Von Tilo Wagner | 06.04.2018
    Altstadt von Lissabon
    Die Altstadt von Lissabon. Portugal ist plötzlich in - bei Reisenden, Investoren und Käufern. (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Lissabon in den Osterferien: Überall wimmelt es von Touristen. Vor dem Bahnhof Rossio im Herzen der Altstadt setzt sich eine Frau aus Panama in ein Elektro-Tuk-Tuk und wartet auf die Abfahrt:
    "Wonderful, wonderful, beautiful Lisboa..."
    Der Tourismus boomt in Portugal. Das Hotelgewerbe zählte im vergangenen Jahr erstmals über 20 Millionen Gäste - das ist ein Zuwachs von fast neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Branche ist das Zugpferd des portugiesischen Wirtschaftsaufschwungs: Die Arbeitslosenquote ist auf unter acht Prozent gefallen. Gleichzeitig haben der private Konsum, Auslandsinvestitionen und Exporte deutlich zugelegt, so dass die Wirtschaft mit 2,7 Prozent so stark wachsen konnte wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr.
    Tourismus-Boom, höhere Auslandsinvestitionen, mehr Exporte
    Portugal ist plötzlich in - bei Reisenden, Investoren und Käufern. Diesen positiven Trend müsse das Land nutzen, sagt der Wirtschaftsprofessor Daniel Traça von der Nova School of Business and Economics in Lissabon. Er verweist auf zwei Grundideen, die seit der Krise die Wirtschaftspolitik in Portugal prägen:
    "Zum einen sollte Portugal im Exportbereich viel stärker wachsen und sich den globalen Märkten zuwenden. Zum anderen sollte dieses Wachstum von einem ausgeglichenen Haushalt und kontrollierten Staatsausgaben begleitet werden. Diese beiden Ideen waren vor der Krise nicht salonfähig. Jetzt gehören sie zum politischen Konsens."
    Sozialisten regieren gemeinsam mit kleineren Linksparteien
    Die Lorbeeren für das kleine portugiesische Wirtschaftswunder erntet ausgerechnet ein Politiker, der sich den Widerstand gegen die harte Sparpolitik auf die Fahnen geschrieben und damit eine neue Mehrheit im Parlament gewonnen hatte:
    Sozialistenchef António Costa bildet eine Minderheitsregierung, gestützt auf drei kleinere Linksparteien, die nicht nur gegen den EU-Stabilitätspakt sind, sondern bisher auf nationaler Ebene noch nie politische Verantwortung übernommen haben. Das Ergebnis hat viele überrascht, sagt der politische Analyst Federico Santi vom Londoner Think Tank Eurasia Group:
    Höherer Mindestlohn, 35-Stunden-Woche, Rücknahme von Gehaltskürzungen
    "António Costa zeigt ein sehr großes politisches Geschick beim Umgang mit den kleineren Linksparteien. Und er kann dabei auf die Erfahrungen als Bürgermeister von Lissabon zurückgreifen, wo er ähnliche punktuelle Bündnisse eingegangen ist. Er schafft es radikalere Linkskräfte einzubinden, ohne den Eindruck zu erwecken, er würde sich die Unterstützung mit politischen Geschenken erkaufen. Für die Sozialisten zahlt sich das aus, seine Partei liegt in den Umfragen weit auf. Das ist in einem Europa, in dem die gemäßigten Linksparteien eine tiefe Krise durchlaufen, ein ganz außerordentlicher Verdienst."
    Regierungschef Costa geht auf Forderungen der Linksparteien ein, wenn sie mit seinem Wirtschaftsprogramm übereinstimmen: Die Sozialisten erhöhten den Mindestlohn, nahmen Gehaltskürzungen und Sondersteuern aus den Krisenjahren zurück und führten die 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst wieder ein. Mit mehr Geld in der Tasche konsumieren die Portugiesen offenbar tatsächlich mehr und kurbeln so die Wirtschaft an.
    Kein Ende der Sparpolitik
    Ein Ende der Sparpolitik ist das aber trotzdem nicht. Finanzminister Mário Centeno kontrolliert die laufenden Staatsausgaben mit eiserner Hand und schaffte es so, das Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr auf ein Prozent zu senken. Doch die versteckte Sparpolitik hat Folgen: die öffentlichen Investitionen wurden drastisch gekürzt und staatliche Einrichtungen wie das Gesundheitssystem sind chronisch unterfinanziert.
    Das ist der Preis, den die Regierung bereit ist zu zahlen. Denn es gehe nicht nur um einen ausgeglichenen Haushalt, sagt der Politologe Carlos Jalali. Das Schicksal der Sozialistischen Partei hänge vom Erfolg ihrer Finanzpolitik ab:
    "Vor sieben Jahren war es eine sozialistische Regierung, die den Antrag auf Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm stellen musste. António Costa ist sich jetzt bewusst, dass das die Achillesferse seiner Regierungszeit sein wird. Er muss in den Haushaltsfragen große Durchsetzungskraft zeigen - gegenüber den Wählern und den europäischen Partnern."