"Die meisten Leute denken natürlich: Boah ey, der kommt da mit der Schubkarre und so. Das ist Quatsch. Also, es ist natürlich ein gutes Geschäft. Das muss ich auch ganz klar sagen: Es ist halt ein schön Bonbönchen," sagt Alexander Manek - und lacht. Ihm gehört das Unkelbach, genauso wie ein weiteres Brauhaus in der Kölner Innenstadt. An den Karnevalstagen verkauft er das acht- bis zehnfache an Kölsch, nimmt Extra-Eintritt, die Menschenmassen kommen, aber: Er muss eine Sicherheitsfirma bezahlen, deren Stundenlohn bei 22 Euro pro Person liegt, dazu nächtliche Putzkolonnen, eigene Absperrgitter, Toilettenwagen im Hof. Und dennoch: Der Karneval nur ein Bonbönchen?
"Also Gastronomen, die insbesondere die Kneipen betreiben, haben uns erzählt, dass sie in der Zeit jetzt von Weiberfastnacht bis Karnevalsdienstag teilweise bis zu einem Drittel ihres Jahresumsatzes machen innerhalb dieser fünf Tage."
Rainer Minz ist Senior Partner bei der Unternehmensberatung Boston Consulting. Er sitzt im sogenannten KölnTower, hoch oben über der Stadt. Von hier hat man einen klaren Blick, sieht Dom, sieht das große Ganze. Denn Minz ist verantwortlich für eine Studie, die sich nicht mit einzelnen Brauhäusern beschäftigt hat, sondern mit der "gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Kölner Karnevals", wie es in der Präsentation für das Festkomitee Kölner Karneval heißt:
"Also wir haben im Jahr 2008/2009 die ganze Karnevalssession von Anfang Januar bis Aschermittwoch begleitet und sind dabei zu einem Ergebnis von rund 460 Millionen Euro gekommen, das sich auch drei wesentlichen Säulen in etwa gleichgewichtig zusammensetzt. Das eine ist der Sitzungskarneval von den zahlreichen Gesellschaften und ihren Veranstaltungen, das Zweite ist der Straßenkarneval, also Rosenmontagszug, Veedelszüge, et cetera. Und das dritte sind alle möglichen Accessoires und sonstigen Dinge, Kostüme, Fahrten, Transportmittel, Friseur, et cetera."
Die Profiteure sind meist die gleichen
2009 erschienen, sind die Zahlen, trotz der Jahre, laut Minz immer noch aktuell. Neben der Wirtschaftskraft von fast einer halben Milliarde Euro, wird demnach der Erhalt von circa 5.000 Arbeitsplätzen in der Region unterstützt, der Beitrag zum Gewerbesteueraufkommen der Stadt Köln beläuft sich auf vier bis fünf Millionen Euro. Im Jahre 1993 hatte sich bereits die Unternehmensberatung McKinsey an einer Studie für den Düsseldorfer Karneval versucht und ähnliche Zahlen wie die BCG-Kollegen ermittelt. Demnach generiert der Altbier-Karneval 3.500 Jobs und bis zu 300 Millionen Euro Umsatz.
Doch bei all diesen schönen Statistiken bleibt ein Problem: Wie aussagekräftig sind eigentlich die Daten? Denn alle Studie stehen vor einem Dilemma: Sie basieren auf Schätzungen, was auch am "Institut der Deutschen Wirtschaft" mit Sitz in - passenderweise - Köln auffiel. Dort versuchte man sich auch an einer Berechnung - und kam zu dem Ergebnis, dass sich in offiziellen Statistiken kein Karnevals-Faktor finden ließ. Henry Goecke vom IW Köln:
"Das Problem auch bei den ganzen Umsätzen ist immer, dass die Sessionen halt unterschiedlich lang sind. Sie kann nur knapp 90 Tage lang sein, sie kann aber auch mal 120 Tage lang sein knapp und dementsprechend sind auch die Umsätze dann natürlich höher."
Doch die Profiteure sind zumeist die gleichen: Laut BCG-Berater Minz hat in den letzten zehn Jahren vor allem der Sektor der Kostümverkäufer extrem zugelegt: 85 Millionen Euro werden dafür ausgegeben. Der Gastronomie-Bereich nimmt 165 Millionen ein, 75 Millionen gehen für Taxi, Zug, Bus und Flugzeug drauf. Und auch die Bühnenkünstler und Bands profitieren:
Jedes Jahr erscheinen 400 neue Kölsche Titel auf CD oder im Internet - die großen Bands wie beispielsweise die Bläck Fööss oder auch die Höhner mit ihrem Hit "Viva Colonia" können längst von dem Geschäft leben. Rund 3.000 Euro bekommen die Höhner für einen 20 Minuten-Auftritt, verriet Sänger Henning Krautmacher kürzlich. Fünf am Tag können sie davon machen. Ein lohnendes Geschäft - aber auch hier gilt: Die Höhner haben Kosten. Bandbus, Personal, Studio.
"Summa summarum kommt man zu einem positiven Ergebnis"
Bleibt noch der Höhepunkt der Session: der Rosenmontagszug. Doch wirtschaftlich ist dieser kaum zu quantifizieren. Zwar stehen jährlich rund eine Millionen Menschen an der Strecke, zu Zeiten des Golfkrieges, als der Rosenmontagszug einmal abgesagt worden ist, mussten einige Wagenbau- und Zulieferunternehmen Insolvenz anmelden. Heute wird der Zug vor allem von den heute rund 12.000 Teilnehmern getragen: Wenn eine Karnevalsgesellschaft im Kölner Zug mitfahren möchte, muss sie mit 50.000 Euro kalkulieren, rund 2.000 Euro kostet eine Uniform und das normale Fußvolk muss jeweils circa 400 Euro für Wurfmaterial hinlegen. Kosten über Kosten. Und auch volkswirtschaftlich gibt es - bei allen schönen Bildern und Werbeeffekten für die Domstadt - natürlich Kosten. Noch mal BCG-Berater Minz:
"Karneval hat natürlich auch ein paar unangenehme Nebenwirkungen. Während der Zeit ist hier in Köln die Arbeitsproduktivität, die geht runter. Es fallen schlichtweg zwei Tage aus. Danach gibt es mehr Krankheit. Kann man auch alles versuchen mal hart zu rechnen, aber ich glaube, summa summarum kommt man da zu einem positiven Ergebnis."
Denn - auch das ist klar - zum Karneval gezwungen wird in Köln keiner.