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Wirtschaftskrise Türkei
Warum Turkish Airlines trotzdem optimistisch ist

Er sorge sich um die Türkei, sagte der Vorstandsvorsitzende von Turkish Airlines, Temel Kotil, im Deutschlandfunk. Doch trotz Wirtschaftskrise sei die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes niedrig und die Wirtschaft wachse weiterhin sehr schnell. Er glaube deshalb an einen guten Ausgang der Krise.

Temel Kotil im Gespräch mit Benjamin Hammer | 04.02.2014
    Ein Airbus der Turkish Airlines steht am Dienstag vor dem Terminal des Flughafens Düsseldorf.
    Turkish Airlines wächst um 20 Prozent pro Jahr, sagt ihr Vorstandsvorsitzender. (picture alliance / dpa / dpaweb / Oliver Berg)
    Benjamin Hammer: Temel Kotil ist ein alter Weggefährte von Erdogan und ist seit zehn Jahren der Chef von Turkish Airlines. Ich habe mit ihm vor der Sendung gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie besorgt er um die wirtschaftlichen Probleme seines Landes ist.
    Temel Kotil: Ich bin ein türkischer Bürger, ich sorge mich natürlich um die Türkei. Ich mache diesen Job jetzt seit zehn Jahren. Ich habe mehrere Krisen miterlebt – sowohl bei Turkish Airlines, als auch bei der türkischen Wirtschaft. Ich glaube, dass das diesmal gut ausgeht. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Türkei ist niedrig und wir wachsen noch immer sehr schnell. Turkish Airlines zum Beispiel wächst um 20 Prozent pro Jahr. Also: Ich glaube, dass die Probleme bald gelöst werden.
    Hammer: Türk Hava Yollari – so heißt Ihre Fluggesellschaft auf Türkisch – und die Abkürzung – THY – wurde früher von vielen Kunden eher uncharmant übersetzt. "They hate you" – Ihr Ruf war schlecht. Sie sind seit zehn Jahren der Chef von Turkish Airlines. Was hat sich seitdem getan?
    Kotil: Wenn eine Fluggesellschaft ihre Kunden nicht mag, dann sollte sie aufhören. Ich weiß schon, dass wir früher Probleme hatten. Aber seit 2006 sind wir teilprivatisiert. Unsere Chefs sind seitdem unsere Passagiere – und wir lieben sie.
    Hammer: Sie haben in den letzten Jahren sehr schnell expandiert. Es gibt Flughäfen, die sonst niemand anfliegt. Masar-e Scharif, Mogadischu und bald vielleicht sogar Kassel-Calden, ein Airport, der von den deutschen Airlines bisher gemieden wird. Geht das nicht alles zu schnell? Ist das nicht zu viel, zu verrückt?
    Kotil: Das ist im positiven Sinne verrückt. Unser Plan ist, Istanbul mit allen möglichen Zielen zu verbinden. Nehmen sie zum Beispiel Mogadischu. Die Leute fragen uns: Warum macht Ihr das? Wir sagen: Da liegt eine Menge Geld. Es gibt zehn Millionen Somalier in der Diaspora. Die fliegen mit uns. Eine türkische Firma baut jetzt sogar ein Hotel dort. Unser Konzept macht Sinn. Ein Passagier in unserer Maschine von Mogadischu nach Istanbul kann umsteigen und weitere 100 bis 200 Ziele erreichen. Das rechnet sich.
    Hammer: Ihr Freund Tayyip Erdogan hat sich persönlich bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass Turkish Airlines ein Partner der Lufthansa wird. Im Moment sieht es so aus, dass die Ehe in einer tiefen Krise steckt. Die Lufthansa gibt weniger Meilen, wenn ihre Kunden mit Turkish fliegen, bald gibt es keine gemeinsamen Flugnummern mehr. Wie nervös, wie sauer sind Sie auf die Manager in Frankfurt?
    Kotil: Nur Gott kennt die Zukunft, es gibt da keine negative Stimmung. Lufthansa ist ein guter Freund von uns.
    Hammer: Ist es vielleicht so, dass Sie so stark sind, dass Sie die Lufthansa gar nicht mehr brauchen?
    Kotil: Nein, nein, wir lieben die, wir brauchen die. Es war nun mal eine einseitige Entscheidung. In Zukunft wollen wir mit vielen Airlines unserer Region arbeiten, nicht nur mit der Lufthansa.
    Hammer: Wenn wir uns Flughäfen anschauen, Frankfurt zum Beispiel, die Frage, wie sehr sie expandieren können, ob es zum Beispiel Nachtflüge gibt, dann gibt es große Unterschiede zwischen Deutschland und der Türkei. Können Sie sich so gut entwickeln, weil hier die Planung undemokratischer ist? Weil die Anwohner weniger Rechte haben?
    Kotil: Lassen Sie mich das erklären. Jedes Land braucht einen Zentralflughafen mit einem 24-Stunden-Betrieb, das ist gar keine Frage. Als große Airline müssen wir nachts in Richtung Osten fliegen und morgens in Richtung Westen. Das ist nun mal so. Wenn das nicht geht, wird die Airline eingehen und das ist nicht fair. Für die Airline, aber auch nicht für das Land. Natürlich ist Fluglärm ein Problem. Wenn wir den neuen Flughafen in Istanbul haben, dann sollte es keine Häuser drum herum geben.
    Aber wer hat hier eigentlich Recht und wer irrt sich? Was ist denn Demokratie überhaupt? Wenn Sie mir nicht erlauben, mitten in der Nacht nach China zu fliegen und morgens nach Frankfurt, dann ist das nicht gut für die Passagiere, es ist nicht gut für die Wirtschaft. Jedes Land sollte das Problem lösen: 24 Stunden Flugbetrieb, ohne die Anwohner zu stören. Wenn das nicht gelingt, dann wird es verlieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.