Debatte um Haushalt
Wirtschaftsministerium lobt Haushaltssperre - neue Diskussionen über Schuldenbremse

Nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Finanzministerium eine Haushaltssperre für alle Ministerien verhängt. Im Bundestag werden im Haushaltsausschuss Sachverständige zu dem Thema gehört. Außerdem gehen die Diskussionen über die Herkunft zusätzlicher Einnahmen weiter.

    Schuldenbremse gedruckt auf Stempel über Euro Banknoten
    Seit ihrer Verankerung im Grundgesetz gibt es Kritik an der Schuldenbremse. (IMAGO / Zoonar / IMAGO / Zoonar.com / Wolfgang Filser)
    Wie mehrere Medien berichten, stoppt das Finanzministerium die Verpflichtungsermächtigungen aus dem aktuellen Haushalt 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden. Dies betreffe Etats aller Ministerien. Auszahlungen sind nur noch in besonderen Einzelfällen möglich. Verpflichtungsermächtigungen erlauben es, für kommende Jahre Gelder zuzusagen. Im Gegensatz dazu stehen Zahlungsermächtigungen, die für tatsächliche Ausgaben im laufenden Haushaltsjahr gelten.
    Das Bundeswirtschaftsministerium begrüßte den Schritt. Es entspreche der Notwendigkeit der Situation, teilte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters mit. Die Bundesregierung arbeite intensiv an Lösungen. Wirtschaftsminister Habeck bezeichnete die Schuldenbremse im ARD-Fernsehen angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen für nicht mehr zeitgemäß. Die Debatte helfe in diesem Jahr aber trotzdem nicht weiter.
    Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun in den Planungen.

    Haushaltsplanungen könnten verfassungswidrig sein

    Im Haushaltsausschuss des Bundestags ginges heute darum, ob trotz des Urteils der Haushalt für das kommende Jahr beschlossen werden kann. Der Etat soll nach bisheriger Planung am Donnerstag zunächst im Haushaltsausschuss und dann am 1. Dezember im Bundestag beschlossen werden. Dazu werden Sachverständige gehört. Der Bundesrechnungshof und weitere Experten warnen in den vorab veröffentlichten Stellungnahmen, der Haushalt für 2024 - und womöglich auch der für dieses Jahr - könnten verfassungswidrig sein. Neben dem Klima- und Transformationsfonds könnte aus Sicht der Sachverständigen auch das ähnlich aufgebaute Sondervermögen für die Energiepreisbremsen betroffen sein.

    Neue Diskussionen über Aussetzen der Schuldenbremse

    Der SPD-Bundestagsfraktionvorsitzende Mützenich rief dazu auf, trotz den Etat für das kommende Jahr wie geplant in der kommenden Woche zu verabschieden.Man trage eine große Verantwortung dafür, die Verunsicherung nicht noch größer zu machen, sagte Mützenich nach einem Treffen der sozialdemokratischen Fraktionsvorsitzenden von Bund und Ländern in Duisburg. Eine vorläufige Haushaltsführung sei mit Sicherheit nicht das beste Mittel. Die SPD-Politiker forderten auf ihrer Konferenz eine Reform der Schuldenbremse. In ihrer jetzigen Form sei sie nicht für die Herausforderungen der Zukunft geeignet, heißt es in einem Positionspapier. Der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann von den Grünen sagte, man müsse sich die Frage stellen, wie eine Schuldenbremse aussehen könne, die Investitionen in die Infrastruktur ermögliche.
    Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Hüther, forderte im Deutschlandfunk, über eine Reform der Schuldenbremse nachzudenken und etwa eine Investitionsklausel einzubauen. Man könne auch den Weg des Bundeswehrsondervermögens gehen und einen entsprechenden Fonds schaffen.
    Der haushaltpolitische Sprecher der Union, Haase, sagte im Deutschlandfunk, zunächst müsse man schauen, welche Posten im Haushalt prioritär zu behandeln seien. Alle Projekte der Ampelkoalition gehörten auf den Prüfstand. Vor allem die geplante Kindergrundsicherung. Sie sei ein - Zitat - "bürokratisches Monster", das man sich gegenwärtig nicht leisten könne. Auch der Deutsche Landkreistag forderte die Bundesregierung auf, das Vorhaben fallen zu lassen.

    Bartsch schlägt Klima-Reichensteuer vor

    Linksfraktionschef Bartsch forderte angesichts der Finanzsorgen der Ampel-Koalition eine Klimareichensteuer. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfe es keine Sozialkürzungen geben, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen. Nicht die kleinen Leute, sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren. Als Argument führte Bartsch auch Zahlen der Entwicklungsorganisation Oxfam an, laut denen das reichste Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2019 so viele klimaschädliche Treibhausgase verursachte wie die fünf Milliarden Menschen, die die ärmeren zwei Drittel ausmachen.

    Weitere Informationen

    Das Interview mit Michael Hüther im Wortlaut
    Das Interview mit Christian Haase im Wortlaut
    Finanzpolitik - Zweifel an der Schuldenbremse wachsen
    Diese Nachricht wurde am 21.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.