AfD und Wirtschaft
Die Brandmauer zur AfD bröckelt

Der Wirtschaftsverband "Die Familienunternehmer" hat einen Kurswechsel im Umgang mit der AfD eingeleitet. Zukünftig soll es kein Kontaktverbot mehr geben. Welche Auswirkungen könnte das auf die Brandmauer zur AfD haben und wie sind die Reaktionen?

Von Rade Janjusevic |
    Marie-Christine Ostermann, Präsidenten des Wirtschaftsverbands "Die Familienunternehmer", steht an einem Rednerpult bei der Veranstaltung Die Familienunternehmer-Tage 2025.
    Marie-Christine Ostermann, Präsidenten des Wirtschaftsverbands "Die Familienunternehmer", sagt, man müsse die AfD inhaltlich stellen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Der Verband der Familienunternehmer hat beschlossen, sich für Gespräche mit der AfD zu öffnen. Präsidentin Marie-Christine Ostermann sagte, man müsse die Partei inhaltlich stellen. Die Sehnsucht nach der AfD könne dann verfliegen, wenn deutlich gemacht werde, dass ihre Politiker oftmals inhaltlich blank oder widersprüchlich seien. Damit rückt der Verband von seiner bisherigen Strategie ab, eine Brandmauer gegen die in großen Teilen rechtsextreme Partei zu ziehen.

    Inhalt

    Noch im Februar 2025 hatte der Verband eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahl abgegeben - ausdrücklich gegen eine Stimmabgabe für die AfD. Auch vor der Landtagswahl in Sachsen 2024 hatte sich der Verband gegen die AfD positioniert.

    Was ist der Verband „Die Familienunternehmer“? 

    Der Wirtschaftsverband „Die Familienunternehmer“ zählt nach eigenen Angaben 6500 Mitglieder, was etwa 0,2 Prozent aller Familienunternehmen hierzulande entspricht – beansprucht jedoch, die politischen Interessen „von mehr als 180.000 Familienunternehmen“ zu vertreten. Namentliche Angaben zu seinen Mitgliedern veröffentlicht der Verband auf seiner Homepage nicht.
    Nicht zu verwechseln ist der Verband mit der „Stiftung Familienunternehmen“. Diese hat aus aktuellem Anlass ihre Position bekräftigt: Sie hält Abstand zu extremen Parteien. Die Programmatik der AfD gefährde das Familienunternehmertum in Deutschland.

    Warum ändert der Verband seinen Umgang mit der AfD? 

    Bereits im Frühjahr habe man beschlossen, mit einzelnen AfD-Fachpolitikern zu sprechen, erklärte Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann. Auf seiner Homepage betont der Verband, dass er keine Regierung mit AfD-Beteiligung anstrebe. Das Weltbild der Partei passe nicht zur eigenen freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugung; eine inhaltliche Auseinandersetzung scheue man jedoch nicht.
    Weiter heißt es: „Die Hoffnung, ein Viertel der bundesdeutschen Wähler durch moralische Ausgrenzung zur Umkehr zu bewegen, ist nicht aufgegangen. Jetzt hilft nur noch die Auseinandersetzung mit den Inhalten der AfD – jenseits von schlichten Kategorisierungen in 'gut' und 'böse'.”

    Gemeinsamkeiten ausgelotet

    Im Oktober 2025 hatten „Die Familienunternehmer“ den AfD-Politiker Leif-Erik Holm zu einem sogenannten Parlamentarischen Abend in einer Berliner Niederlassung der Deutschen Bank eingeladen. Während der Verband betont, kritisch mit der AfD diskutieren zu wollen, berichtet Holm von einem relativ harmonischen Abend, bei dem vor allem Themen zur Sprache kamen, bei denen man Gemeinsamkeiten sehe.
    Dazu gehörten laut Holm die Erbschaftsteuer, Entlastungen bei Steuern und Abgaben, Energiepreise und wirtschaftliche Regulierung. Insgesamt stimme man in vielen Punkten überein, was die wirtschaftliche Entwicklung betreffe, so der AfD-Politiker.
    Der Verband hat eine Interviewanfrage des Deutschlandfunks abgelehnt. Auch schriftliche Fragen wurden nicht beantwortet.

    Wie haben einige Mitglieder des Verbandes reagiert? 

    Die Drogeriemarktkette Rossmann und der Haushaltsgerätehersteller Vorwerk haben angekündigt, den Verband der Familienunternehmer zu verlassen. Grund ist dessen Öffnung für Gespräche mit der AfD.
    Eine Sprecherin von Rossmann erklärte, man unterstütze diese neue Haltung nicht und ziehe deshalb Konsequenzen. Auch die Melitta-Gruppe prüft ihre Mitgliedschaft und zeigte sich „sehr überrascht“ über die veränderte Position der Verbandsführung.
    Die Deutsche Bank hat den Vertrag für künftige Veranstaltungen des Verbandes in ihrer Berliner Repräsentanz gekündigt.

    Welche weiteren Reaktionen gibt es? 

    Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat die deutsche Wirtschaft beim Arbeitgebertag 2025 in Berlin vor einer Annäherung an die AfD gewarnt. Die Partei schade dem Land, betonte er, und es sei die demokratische Mitte, die Lösungen für Deutschland finden müsse.
    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, warnt, die Positionen der AfD würden das deutsche Wirtschaftsmodell zerstören. Dazu zählen die Abschottung, die Schwächung der Europäischen Union, geschlossene Grenzen für Fachkräfte sowie ein Staat, der weniger in Infrastruktur und soziale Sicherheit investiert.

    Warnung vor AfD

    Auch das überwiegend von Arbeitgebern und Industrie finanzierte „Institut der deutschen Wirtschaft“ warnt vor verheerenden Folgen für Haushalt, Export und Arbeitsplätze, sollte die AfD regieren oder erheblichen Einfluss gewinnen. Die Partei sei eine Gefahr für den Standort Deutschland.
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaft Verdi fordern die Wirtschaftsverbände auf, sich klar von der AfD zu distanzieren. Verdi-Chef Frank Werneke zog dabei eine historische Parallele zur Unterstützung der NSDAP durch Industrielle.
    Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft verweist auf die hohen Umfrage- und Wahlergebnisse der AfD, die bundesweit bei über 25 Prozent liegen. Man befinde sich in einer intensiven Diskussion und werde zeitnah eine Position erarbeiten.

    Was bedeutet das für die sogenannte Brandmauer? 

    Der Verband „Die Familienunternehmer“ ist bislang ein Einzelfall. Doch der Politologe Wolfgang Schröder sieht darin einen Vorteil für die AfD. Der Druck auf andere Verbände dürfte nun steigen. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung in den USA. Dort haben Tech-Konzerne, die als fest in der liberalen Ordnung verankert galten, sehr schnell Positionen von Donald Trump übernommen.
    Die Brandmauer müsse halten, betont DIW-Präsident Marcel Fratzscher, damit ökologischer und sozialer Verstand die Oberhand behält. Etwa die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung hänge vom Export ab, ebenso fast die Hälfte der Arbeitsplätze – direkt oder indirekt.
    Grenzschließungen, Handelsbarrieren, eine geschwächte EU oder ein Austritt sowie ein Staat, der weniger in Infrastruktur investiert – all dies wären mögliche Folgen der AfD-Politik. Sie würden Arbeitsplätze kosten und der Wirtschaft erheblich schaden.