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Wissenschaftlich ins Glas schauen

Unter dem Thema "Kultur und Wein" verbirgt sich an der Universität Mainz ein vielfältiges Weinforschungsprojekt: Nahezu alle Fachbereiche der Universität beteiligen sich an einem interdisziplinären Arbeitskreis "Rebe und Wein", der zum Wintersemester seine Arbeit aufnimmt.

Von Ludger Fittkau |
    Ein guter alter Bunsenbrenner, wie man ihn aus dem Physikunterricht kennt, ist auch heute noch ein wichtiges Werkzeug im Weinforschungsinstitut der Uni Mainz. Anna Petri, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Labor des Instituts, braucht die heiße Flamme, um auf der Suche nach Milchsäurebakterien sterile Bedingungen zu schaffen. Milchsäure im Wein könnte Allergien auslösen- ein Forschungsthema der Mainzer Weinexperten. Unter dem Mikroskop sehen alle Milchsäurebakterien aber zunächst gleich aus, so Anne Petri. Deshalb arbeitet sie mit einem molekularbiologischen Schnell-Indentifizierungstest:

    "Anhand der Morphologie ist es zunächst nicht möglich, Milchsäurebakterien voneinander zu unterscheiden, dazu benötigt man molekularbiologische Methoden, das ist auch die Grundlage für diesen Schnell-Identifizierungstext und damit ist es möglich, Bakterienarten zu unterscheiden."

    Am Labortisch gleich nebenan arbeitet eine weitere junge Wissenschaftlerin der Mainzer Weinforschung an einem anderen Thema:

    "Mein Name ist Verena Plättel und ich beschäftige mich mit Hefen, die in der Weinbereitung vorkommen in den unterschiedlichsten Stadien von der Traube bis zum fertigen Wein und schaue, ob die etwas Böses tun, schlechte Aromastoffe produzieren und ob man sie auch irgendwie bekämpfen kann durch irgendwelche Mittel."

    Bakterien und Hefen sind jedoch nur einige der vielfältigen Themenfelder, die an der Universität Mainz rund um den Wein bearbeitet werden. Nicht nur Naturwissenschaftler und Mediziner, sondern auch Literaturwissenschaftler, Archäologen und Theologen, sogar ein Experte für chinesische Sprache und Kultur kooperieren im interdisziplinären Arbeitskreis Rebe und Wein zusammen, der sich mit den vielfältigsten Aspekten der Weinkultur beschäftigt. Acht von elf Fachbereichen der Uni Mainz engagieren sich in diesem Feld. Diese Vielfalt an Wissenschaftlern, die sich an einer Universität mit dem Wein auseinandersetzen, ist außer in Bordeaux und in den USA weltweit kaum noch einmal zu finden, so Professor Helmut König, einer der Koordinatoren der Mainzer Weinwissenschaft:

    "Wenn man jetzt sieht, dass da ein großes Potenzial ist und das ist vielleicht in dieser Breite weltweit einmalig, wenn es um das Thema 'Kulturgut Rebe und Wein' geht. Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Thema zu bündeln. Wir haben zum Beispiel mit Herrn Zwickel einen Kollegen aus der Theologie, der sich auch mit biblischer Archäologie beschäftigt und wenn er jetzt Gefäße findet, wir könnten ihm zum Beispiel helfen, herauszufinden, ob in diesen Gefäßen Weinstein vorhanden ist und das wäre dann ein Indiz dafür, dass auch in diesen Gefäßen Wein gelagert wurde. Weil wir auch Weininhaltsstoffe analysieren."

    Mit Hightech-Messgeräten wie dem Gaschromatographen wird an der Uni Mainz der Wein analysiert. Die Niederländern Annemieke Ultee gehört zum Team der Weinforschung. Sie sei vor ein paar Jahren selbst überrascht gewesen, sagt die Lebensmittelchemikerin, dass auch in den Niederlanden Wein angebaut werde:

    "Doch, ich habe sogar gehört in der Nähe von Enschede oder in Overijsel, ich weiß nicht, da gibt es sogar Winzer!"

    Doch keinen seltenen niederländischen Wein analysiert Annemieke Ultee zurzeit im Mainzer Labor, sondern Weinproben von Biowinzern aus dem größten deutschen Anbaugebieten Rheinhessen und der Pfalz. Die Mainzer Weinforscher kooperieren nämlich nicht nur mit industriellen Weinverarbeitern, sondern auch mit einzelnen Winzern, die beispielsweise Probleme mit ihren Gärungsprozessen haben und nach natürlichen Bakterien suchen, die bei der Weinproduktion hilfreich sein könnten. Annemieke Ultee kann durch ihre Laborarbeit in der Uni vielleicht helfen, Probleme mit sogenannten "Fehlgärungen" zu beheben:

    "Es gibt Weine, die direkt durchgären. Aber es gibt auch Probleme bei der Weinbereitung, das tritt plötzlich Gärstockung auf. Da fängt die Gärung an und irgendwann hört sie auf. Es gibt Lösungen, manchmal ist das Problem nur ein Nährstoffmangel oder Temperatur und wir gucken mal, ob es an den Organismen liegt, die in den Weinen anwesend sind."

    Der Klimawandel könnte dazu beitragen, die Probleme mit Fehlgärungen beim Wein zu erhöhen - das ist eine These der Mainzer Weinforscher. Professor Helmut König:

    "Ja, wenn man das Thema Klima anspricht, dann wird es sicherlich so sein, dass die Trauben reifer werden, dass auch die Bakterien besser wachsen, das heißt, die Gefahr der Fehlgärung ist viel größer."

    Also: Von der Weinallergie bis zum Klimawandel, von römischen Amphoren zur alten chinesischen Weinstraße - das Spektrum der Weinforschung in Mainz ist riesengroß. So groß eben, wie das Angebot in den Weinregalen der Supermärkte und Fachgeschäfte hierzulande.