
In dieser WM seien alle großen Länder "haarscharf entweder zum Erfolg gekommen" oder ausgeschieden. Deshalb habe ihn auch der nur knappe Sieg Deutschlands im Achtelfinale gegen Algerien nicht überrascht. Die kleinen Länder hätten gegen die großen Fußballnationen aufgeholt, sagte Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt, im Deutschlandfunk. "Wir haben heute die Situation, dass der Weltfußball zusammengerückt ist." Auch die Deutschen hätten "keine elitäre Position mehr" und müssten sich daher in jedem Spiel beweisen, um eine Runde weiterzukommen. Alle Teams im Viertelfinale lägen vom Niveau her sehr eng beieinander.
Von dem Spiel Deutschland gegen Frankreich erhoffe er sich "ein europäisches Fußballspiel", bei dem sich die deutsche Mannschaft "variantenreicher und variabler" zeigen könne. Die Deutschen müssten in der Partie aber weniger auf die Franzosen achten, sondern vielmehr die "richtige Abstimmung im eigenen Team" finden. Dazu gehöre die "absolute Geschlossenheit der Innenverteidigung" und ein "kompaktes Mittelfeld", so Bruchhagen. Und vorne müsse die DFB-Elf Mut zum Risiko beweisen. Natürlich wünsche er sich einen Sieg gegen Frankreich, aber er glaube, dass das Spiel "eng sein wird". Um gegen Frankreich gewinnen zu können, "müssen wir hochkonzentriert spielen." Die Voraussetzungen und die Qualität habe die Nationalmannschaft jedenfalls. "Aber wir brauchen auch etwas Fortune."
Das Interview in voller Länge
Jasper Barenberg: Angriffslustige Franzosen gegen eine deutsche Mannschaft, die sich schwergetan hat im letzten WM-Spiel gegen Algerien. Wir haben heute Morgen schon vorausgeschaut auf das Viertelfinale heute Abend Deutschland/Frankreich, und wir können jetzt darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden von Eintracht Frankfurt sprechen. Guten Morgen, Heribert Bruchhagen!
Heribert Bruchhagen: Guten Morgen! Ich grüße Sie und die Hörer.
Barenberg: Herr Bruchhagen, wir erreichen Sie in einem fahrenden ICE. Ich bin mal gespannt, wie lange diese Leitung hält. Es sind nicht die besten Bedingungen, wir versuchen es einfach mal. – Sie wissen, dass nach dem Algerien-Spiel viele Beobachter das Gefühl bekommen haben, die deutsche Mannschaft ist nur haarscharf an einem K. o. vorbeigeschrammt. Wie haben Sie das erlebt?
Bruchhagen: Ja, das hat mich nicht überrascht, denn wir haben auch gesehen, dass Brasilien, Argentinien und alle großen Länder haarscharf entweder zum Erfolg gekommen sind, oder haarscharf ausgeschieden sind. Die kleinen Länder haben aufgeholt und wir haben heute eine Situation, dass der Weltfußball zusammengerückt ist, und wir in Deutschland haben keine elitäre Position mehr, sondern wir müssen in jedem Spiel uns beweisen, um eine Runde weiterzukommen.
Keine Mannschaft strahlt Dominanz aus
Barenberg: Würden Sie sagen, es waren noch nie acht Viertelfinal-Mannschaften in einer WM beieinander, die so eng beieinander liegen, auch was das Niveau angeht?
Bruchhagen: Das kann man ohne Zweifel bestätigen, denn das beginnt schon damit, dass Brasilien und Argentinien bei weitem nicht die Dominanz haben, wie man ursprünglich gedacht hatte, und auch die europäischen Vereine müssen erkennen, dass sie mit ihrer Art Fußball zu spielen, auf jeden Fall keine Dominanz ausstrahlen, sodass sich alles durch die taktische Verengung, mehr oder weniger durch die Raumbesetzung, dass sich das Fußballspiel sehr stark auf Standardsituation und, man kann sogar sagen, auf Zufälligkeiten reduziert hat.
Barenberg: Sie waren also nicht enttäuscht von dem, was die deutsche Mannschaft abgeliefert hat gegen Algerien? Sie haben sich nicht mehr versprochen vorher?
Bruchhagen: Nein, überhaupt nicht. Auch wenn die algerischen Spieler nur zweite Wahl in der französischen Liga sind, so sind sie doch taktisch exzellent geschult und auch balltechnisch geschult, und gegen ein solches Abwehrbollwerk oder eine solche Raumpharlanx anzukommen, ist ausgesprochen schwer. Aber auf das heutige Spiel bezogen erhoffe ich mir natürlich ein europäisches Fußballspiel, dass die Franzosen ähnlich geartet sind und mit einer ähnlichen Spielauffassung ins Spiel gehen, und da habe ich die Hoffnung, dass die deutsche Mannschaft sich weitaus variantenreicher und variabler zeigen wird.
Abstimmung zwischen Offensive und Defensive muss stimmen
Barenberg: Was ist denn das Gefährlichste an der französischen Mannschaft? Worauf müssen die Deutschen am meisten achten heute bei dem Spiel?
Bruchhagen: Die Deutschen müssen weniger auf die Franzosen achten, als dass wir die richtige Abstimmung zwischen Offensive und Defensive in ihrem eigenen Team finden, und dazu gehört die absolute Geschlossenheit in der Innenverteidigung, denn wenn sich der Raum öffnet, dann hat Mertesacker ohne weitere Unterstützung Probleme. Wir müssen ein kompaktes Mittelfeld präsentieren und vorne müssen wir auch Mut haben zum Risiko, indem Özil, Götze, Müller und auch die Individualisten auch mal etwas riskieren. Ich glaube aber, dass das der Fall sein wird.
Barenberg: Es wird ja viel diskutiert in diesen Tagen über die Spielphilosophie, über die Spielstrategie, über die Aufstellung von Bundestrainer Löw. Welche Position haben Sie da?
Bruchhagen: Jeder Bäckermeister, jeder Taxifahrer, jeder Journalist und jeder Fußballfunktionär hat sicher seine eigene Meinung gebildet und das ist ein fester Bestandteil des Fußballs. Ich habe da Vertrauen in diejenigen, die sich von morgens bis abends mit unserer Mannschaft beschäftigen und eng da dran sind. Die genießen bei mir größtes Vertrauen und von daher habe ich zwar auch eine Meinung, aber ich bin nicht so arrogant zu glauben, dass meine Meinung fundiert genug ist im Vergleich zu der des Bundestrainers.
Der Bundestrainer kann sich eine fundiertere Meinung bilden
Barenberg: Sie wollen uns nicht verraten, wie Ihre Meinung ist zum System Löw?
Bruchhagen: Doch, das kann ich Ihnen schon verraten. Ich schätze sicherlich auch Philipp Lahm. Ich hätte ihn sogar in der Viererkette links nominiert und hätte auch gegen ein Mittelfeld Khedira, Schweinsteiger, Kroos nichts einzuwenden. Aber das ist meine persönliche Meinung. Ich weiß aber, dass der Bundestrainer, der täglich mit den Spielern zusammenarbeitet, da weitaus fundierter sich eine Meinung bilden kann.
Barenberg: Zum Schluss, Heribert Bruchhagen: Was ist Ihr Tipp für das Spiel heute Abend?
Bruchhagen: Ich denke, dass es wieder ganz, ganz eng sein wird, und ich wünsche mir, dass wir uns gegenüber einem so unterschiedlichen Frankreich durchsetzen. Aber dazu müssen wir hoch konzentriert spielen. Wir haben auf jeden Fall die Voraussetzungen und die Qualität, uns gegen Frankreich durchzusetzen. Da bin ich mir sicher. Aber es wird genauso ein enges Spiel wie alle anderen Spiele auch und wir brauchen auch etwas Fortune.
Barenberg: Wir haben die Qualität, aber es wird ein enges Spiel heute Abend in der Auseinandersetzung mit der französischen Nationalmannschaft. Die Telefonverbindung hat einigermaßen gehalten. Ich bedanke mich für das Gespräch. Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt. Danke schön!
Bruchhagen: Ja, gerne! Auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.