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Wo das Wetter den Umsatz bestimmt

Der Augustiner-Biergarten von Wirt Christian Vogler in München bietet Platz für 5000 Gäste. Cafébesitzerin Vera von Rimscha dagegen darf nicht mehr als drei Tische auf den Gehsteig stellen, sonst bekommt sie Ärger mit der Stadt. Bei beiden ist das Wetter entscheidend fürs Geschäft - und die Steuerpolitik ein wichtiges Thema bei der Wahl.

Von Michael Watzke | 19.08.2013
    Der älteste Biergarten Münchens ist eine der größten Freischankflächen Europas: der Augustiner am Hauptbahnhof. Hier bietet Biergarten-Wirt Christian Vogler Platz für 5000 Gäste.

    "Ein Biergarten ist dann ein Biergarten, wenn alte Kastanien da sind. Bier vom Holzfass. Kiesboden. Und die Leute können ihr Essen selber mitbringen."

    Letzteres sorgt dafür, dass Voglers Jahresumsatz nur im einstelligen Millionenbereich liegt. Aber der Münchner Wirt will nicht klagen:

    "Uns geht's ja trotzdem nicht schlecht. Ich glaub' nicht, dass ich deswegen meine Kinder nicht ernähren kann."

    Genaue Wirtschafts-Daten rückt Biergarten-Chef Vogler nicht raus. Auch nicht die seiner Hausbrauerei. Betriebsgeheimnis.

    "Wir bei Augustiner, wir sind ja privat geführt. Die Brauerei gehört einer Stiftung der Familie Inselkammer. Augustiner ist sowieso speziell - wenn sie sehen, dass 70 Prozent der Münchner Augustiner trinken, obwohl es die kleinste Brauerei Münchens ist."

    Augustiner braut pro Jahr rund 130 Millionen Liter Bier. Ein großer Teil davon fließt auf dem Münchner Oktoberfest und im Augustiner Biergarten, in dem Christian Voglers Mannschaft aus 100 Mitarbeitern die Gäste bewirtet.

    "Wir haben 124 Stammtische, und die Stammgäste kommen einfach regelmäßig. Die Stammtische, die Sie hier überall sehen, diese runden Tische, die gehören den Gästen tatsächlich. Die Gäste bringen die im Frühjahr mit und holen sie im Herbst wieder ab. Der älteste Stammtisch, den wir hier haben, ist vom Alpenverein. Aus dem Jahr 1896."

    Der Sommer vor der Bundestagswahl beschert dem Groß-Gastronomen Vogler ein Traumergebnis. Vera von Rimscha dagegen wünscht sich ein paar mehr Regentage. Sie führt eines der kleinsten und verträumtesten Cafés Münchens: das Cafe Käthe im Stadtteil Au.

    "Wir haben drei Tische draußen und fünf Tische drinnen. Natürlich merkt man, wenn es im Sommer an den Wochenenden regnet. Dann hab ich besseren Umsatz im Caféhaus. Wenn die Sonne scheint, kann ich abends den Pilgerreisen zur Isar nachschauen. Das merkt man schon."

    Denn mehr als drei Tische darf Vera von Rimscha nicht auf den Gehsteig vor die Tür stellen. Die Kontrolleure der Stadt überprüfen regelmäßig genauestens, ob die Außenmöbel innerhalb der genehmigten Markierung stehen.


    "In München musst Du eine Freischankfläche mieten. Und die musst Du mit Punkten mit 50 Zentimetern Abstand mit fünf Zentimetern Durchmesser in weißer, wasserfester Farbe kennzeichnen."

    Überhaupt – die Bürokratie. Wenn die Café-Besitzerin an die letzten vier Jahre der schwarz-gelben Regierung denkt, kann sie keine Verbesserung erkennen – im Gegenteil.

    "Es ist schwierig. Als kleiner Laden hat man viel Bürokratie. Viel Buchhaltung. Alles, was so nebenbei läuft. Wo man sich immer selbst erkundigen und rausfinden muss: Haben sie jetzt eine Umlage erhöht oder nicht? Räume werden immer mit 100 Quadratmetern berechnet, und das muss man dann mit 25 Quadratmetern erwirtschaften. Die kleinen Läden oder Ich-AGs, wie sie früher hießen, die kriegen halt keine Unterstützung – oder fast keine."

    Anders als die Großen in der Tourismusbranche, die von der sogenannten Mövenpick-Steuer der schwarz-gelben Regierung profitieren. Für Vera von Rimscha hat die Mehrwertsteuer-Senkung dagegen nichts gebracht. Weil sie nur für Hotelübernachtungen, nicht aber fürs Frühstück gilt. Wenn sich die Gäste des benachbarten Aurbacher-Hotels in ihr Café setzen, zahlen sie weiterhin 19 Prozent und nicht sieben Prozent Mehrwertsteuer. Aber wichtiger ist für die Wirtin sowieso das Wetter.

    "München ist eine Draußen-Stadt. Sobald die Sonne scheint, wollen alle draußen sitzen. Sobald sie zwei Tage scheint, wollen sie einen Schirm. Aber wenn sie drei Tage scheint, kann es sein, dass sie sich reinsetzen, weil es draußen zu heiß ist."

    Also hofft Vera von Rimscha auf noch heißeres oder deutlich kälteres Wetter. Mitten im Hochsommer träumt die Münchner Caféwirtin von Frühjahr, Herbst und Winter.

    "Der 1.Mai ist immer gut. Da gibt's die ersten Mai-Ausflügler, die sich's gut gehen lassen wollen. Und die ersten Herbstwochenenden. Wenn es ein bisschen trüb und regnerisch ist. Wenn die Leute einen dicken Kakao und Schokokuchen brauchen. Das sind gute Tage für mich."

    Mitte September, wenn in Bayern und im Bund gewählt wird, hofft Vera Rimscha auf einen Wechsel in Bayern:

    "Erdrutsch-Siege der CSU brauchen wir keine weiteren. Alles, was sich ändert, wäre schön. Ich will nicht sagen: Es kann nur besser werden. Aber Veränderung ist immer gut. Und wenn sie grundlegend ist, schadet uns das auch nix."

    Das sieht Wirt Christian Vogler im Augustiner-Biergarten genauso. Er mag den bayerischen SPD-Kandidaten Christian Ude. Der hat sogar seinen 65. Geburtstag bei Vogler gefeiert. Der Augustiner-Wirt hofft allerdings, dass eine SPD-geführte Regierung keine Steuern erhöhen würde. Und weniger Bürokratie wäre ihm auch recht. Aber egal wie die Wahlen ausgehen – im Augustiner wird es ein heißer und turbulenter Herbst.

    "Am 21. haben wir Brauchtumsfest mit Schuhplattler, Goaßlschnalzer und Musik. Dann haben wir Sommerfest mit Live-Band und modernerer Musik. Kinderfest. Volkstanz mit altem Brauchtum. Da können die Leute sogar mittanzen, die regen zum Mitmachen an..."

    … und, und, und. Man muss den Sommer schmieden, so lange er heiß ist. Besonders, wenn man Biergarten-Wirt in München ist.