Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Wohnen in Großbritannien
Wie der Brexit den britischen Immobilienmarkt beeinflusst

Nach dem Brexit-Referendum waren die Immobilienpreise in London gefallen - seit der Parlamentswahl steigen sie wieder. Verunsicherung besteht weiterhin darüber, ob und an welche EU-Bürger britische Hausbesitzer künftig noch vermieten dürfen.

Von Natalie Klinger | 29.01.2020
EU-Bürgerinnen und -bürger machen sich Gedanken über ihre künftige Wohnsituation in Großbritannien.
EU-Bürgerinnen und -bürger machen sich Gedanken über ihre künftige Wohnsituation in Großbritannien. (picture alliance/ imageBROKER/ Silwen Randebrock)
Mareen Johnson kann gerade nur leise Besuch empfangen. Sie möchte ihre neugeborenen Zwillinge nicht wecken. "Eine ist gerade aufgewacht. Wollen wir in die Küche gehen? Die Küche ist später angebaut worden, ungefähr in den 80er-Jahren. Deswegen ist das Haus auch viel größer als das Original war."
Mareen Johnson führt durch ihr schmales Reihenhaus in South Woodford, einem Vorort von London. Der Kamin im Wohnzimmer ist noch das Original aus 1885. Mareen Johnson lebt hier mit ihrem britischen Mann, für den sie von Deutschland nach England gezogen ist. Vor 14 Wochen sind ihre beiden Töchter hinzugekommen. "Das Haus hier haben wir 2014 gekauft. Für einen guten Preis. Es hatte eine gute Größe für uns, bis wir dann festgestellt haben: Wir kriegen Zwillinge."
Preisverfall zum Nachteil von Hausbesitzern
Um ein größeres Haus kaufen zu können, müssten die Johnsons ihr jetziges verkaufen. "Wir haben den Dachboden ausgebaut und alles. Wir haben halt eine Menge reingesteckt."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Europas Immobilienmärkte - Kaufen, bauen, ausgrenzen.
Deshalb haben die Johnsons damit gerechnet, dass der Verkaufspreis für ihr Haus über dem ursprünglichen Kaufpreis liegt – sie also verdienen könnten. Doch seit dem Brexit-Referendum sind die Immobilienpreise in London gefallen. Nach der Abstimmung 2016 war das Haus der Familie weniger wert als vorher.
"Wenn du 120.000 Pfund weniger für das Haus bekommst als erwartet, kannst du entsprechend weniger für das nächste Haus bezahlen. Und da Häuser in London sowieso so teuer sind, war das für uns ein riesiges Problem. Und wir haben dann erst mal gesagt: Wir verkaufen nicht."
Käufer profitierten
Andere haben von den niedrigen Preisen profitiert: Erstkäufer etwa. Oder Vermieter wie Richard Blanco. Er kauft sanierungsbedürftige Häuser auf und renoviert sie - um sie dann zu vermieten und langfristig zu verdienen. Er öffnet die Tür zu seiner neuesten Immobilie im hippen Londoner Viertel Hackney.
Mit dem Haus mit fünf Schlafzimmern habe Blanco ein Schnäppchen gemacht, sagt er. "Das Tolle an diesem Haus ist, dass ich es für einen Preis 15 Prozent unter dem Marktwert gekauft habe – kurz vor der Brexit-Deadline vom 29. März 2019. Alle waren nervös. Niemand hat Häuser gekauft. Und auch Mieter sind weniger oft umgezogen."
Umstrittene Right-to-Rent-Richtlinie
Nicht nur der Brexit verunsichert Mieter: Theresa May hat als Innenministerin 2016 eine Reihe von Maßnahmen erlassen, die illegal Eingewanderte aus Großbritannien raushalten sollen. Unter der Right-to-Rent-Richtlinie müssen Vermieter seitdem in England überprüfen, ob ein potenzieller Mieter Bleiberecht hat. Vermieten Immobilienbesitzer an jemanden ohne Aufenthaltsgenehmigung, drohen ihnen Geld- und Gefängnisstrafen. Die Mieter werden womöglich abgeschoben.
Der High Court in London hat die Right-to-Rent-Regelung bereits vergangenes Jahr für gesetzeswidrig erklärt. Derzeit läuft der Berufungsprozess.
Die meisten Vermieter hoffen, dass die Regelung rückgängig gemacht wird, erzählt Richard Blanco. Er vertritt die Londoner Mitglieder der National Landlords Association, der nationalen Vermietervereinigung.
"Ich verstehe meine Kollegen, die sich darüber beschweren, dass wir quasi Grenzschutzbeamte sein sollen."
Kein Mietvertrag für EU-Bürger ohne Bleiberecht
In Zeiten des Brexits und dessen Unwägbarkeiten fürchten manche, dass die Richtlinie künftig auch EU-Bürger ohne Bleiberecht betreffen könnte. Zwar gilt noch bis Ende des Jahres ein EU-Pass als gültiger Nachweis für das Bleiberecht. Aber einer von zehn EU-Bürgern ohne britischen Pass hat schon jetzt Schwierigkeiten, einen Mietvertrag zu unterschreiben, wenn er oder sie kein gesondertes Bleiberecht nachweisen kann.
Das fand die Organisation "the3million" heraus, die sich für EU-Bürger in Großbritannien einsetzt. Ihr zufolge haben etwa eine Million EU-Bürger den Antrag auf Bleiberecht außerdem noch nicht gestellt – darunter ist auch Richard Blancos Schwester. Sie hat nur einen spanischen Pass.
"Sie macht sich Sorgen, dass sie abgeschoben wird und dass die Behörden denken könnten, ihre Papiere seien nicht in Ordnung. Theresa May hat diese Ängste mit ihrer Abschreckungspolitik geschürt."
"Ethnische Herkunft oder Nationalität spielen keine Rolle"
Dass Vermieter künftig Mietinteressenten mit britischem Pass jenen mit einer EU-Staatsbürgerschaft bevorzugen könnten, befürchtet Blanco allerdings nicht: Er selbst habe all seine 13 Immobilien an EU-Bürger vermietet, wie er erzählt.
"Ich suche nach dem besten Mieter. Was mich interessiert, ist: Wird er sorgsam mit der Immobilie umgehen? Wird er seine Miete bezahlen? Seine ethnische Herkunft oder Nationalität spielt für mich keine Rolle. Und ich glaube, die meisten Vermieter sehen das ähnlich."
Nummer sicher: die britische Staatsbürgerschaft
Mareen Johnson zumindest bleibt verunsichert. Sie will lieber auf Nummer sicher gehen.
"Wir dachten, wenn wir verheiratet sind, kann mir nichts mehr passieren. Aber die können mich tatsächlich auch noch aus dem Land schmeißen, wenn sie wollen, was äußerst unwahrscheinlich ist. Aber es könnte passieren, und deswegen bin ich gerade dabei, die britische Staatsbürgerschaft anzunehmen."
Und vielleicht klappt es doch noch mit ihrem Hausverkauf und einem größeren Heim: Seit dem Wahlsieg der Konservativen im Dezember steigen die Immobilienpreise wieder.
"Inzwischen ist das wieder 50.000 hochgegangen vom Preis. Was passiert, sobald der Brexit ganz durch ist, oder ob da noch irgendwas schiefgeht? Wer weiß, was die Zukunft bringt."