Frauen im Fußball
DFB will mehr Diversität in Führungspositionen

Eine Karriere von Frauen im Fußball ist noch selten. Die gemeinnützige Organisation "Fußball kann mehr" hat erstmals dazu Daten erhoben. Demnach haben nur vier Proficlubs eine Frau im Topmanagement. Ein DFB-Kongress soll Verbesserungen bringen.

Von Jessica Sturmberg |
Beim Kongress sitzen sechs Frauen auf der Bühne und sprechen miteinander.
Diskussionsrunde beim DFB-Kongress: Moderatorin Mirjam Lapp, Nicole Kumpis, Präsidentin Eintracht Braunschweig, Annemarie Heyl, Co-Gründerin Kale & Me, Dorothee Bär, Bundestagsabgeordnete CSU und Mitglied des Verwaltungsbeirats FC Bayern München, Bianca Rech Direktorin Frauenfußball FC Bayern München und Marleen Groß, Direktorin Marketing & Strategie FC Schalke 04. (Sturmberg/Dlf)
Anja Pfluger ist Mittelfeldspielerin bei der SGS Essen, spielt seit Jahren in der ersten Bundesliga der Frauen und ist aus doppelter Motivation zum Kongress "Frauen im Fußball" auf dem DFB Campus gereist. Zum einen, weil es ihr ein Anliegen ist, dass "die Frau als Mensch im Bereich Fußball mehr Aufmerksamkeit bekommt."
Und zum anderen: Da sie mit 30 Jahren inzwischen zu den erfahreneren Spielerinnen gehört, auch um sich schon auf das Leben nach der aktiven Karriere vorzubereiten: "Ich will natürlich im Fußballbereich bleiben, würde sich anbieten (lacht). Wie lange ich noch Fußball spiele, kann ich nicht sagen, aber das wird jetzt auch keine zehn Jahre mehr dauern."

Abgänge wegen einer "gläsernen Decke"

Die unterschiedlichen Vorträge, die sie an diesem langen Kongresstag hört, sind zum einen nützlich und zum anderen inspirierend. Es sprechen Personalerinnen, Psychologinnen, und Frauen, die es im Fußballkosmos in Top-Positionen geschafft haben.
Sie erzählen von zum Teil steinigen Wegen und auch Sackgassen, die sie selbst erfahren oder von anderen mitbekommen haben, wie Yvonne Kosian-Räker, Leiterin der VfB Stuttgart-Bildungsakademie: "Eine Art Perspektivlosigkeit, die auch verbunden ist mit einer hohen Fluktuation. Frauen, die gehen, weil sie sagen, da ist eine gläserne Decke und ich muss mich verändern um weiterzukommen. Hier kann ich keine Karriere machen."
Sie selbst wurde in einem ihrer Bewerbungsgespräche bei einem anderen Bundesliga-Verein nach der Abseitsregel gefragt, obwohl es nicht um einen Trainerinnenjob ging. Bei vielen Vereinen herrsche noch immer die Vorstellung, dass nicht die für die jeweilige Tätigkeit geforderte Kernkompetenz im Vordergrund steht, sondern wie der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, Axel Hellmann, selbstkritisch am Beispiel des eigenen Vereins zugibt, eher: "zu glauben, man müsse die Fußballtradition der Eintracht seit 1959 aus dem FF beherrschen."
Eintracht Frankfurt Vorstandssprecher Axel Hellmann auf dem Gang im DFB Gebäude
Eintracht Frankfurt Vorstandssprecher Axel Hellmann beim "Women in Football Summit" auf dem DFB Campus (Jessica Sturmberg)

Braunschweig-Präsidentin Kumpis: "Systeme reproduzieren sich selbst"

Wem dann nicht sofort und ohne Blick in die Vereinschronik klar ist, dass damals, Jahrzehnte vor dem ersten eigenen Stadionerlebnis, die Eintracht die bisher einzige deutsche Meisterschaft feierte, gilt schnell als ungeeignet.
Mit einer solchen Einstellung verlieren Vereine kluge Köpfe, was sich die Clubs eigentlich nicht mehr leisten können. Angesichts von Fachkräftemangel und der wissenschaftlich lange bekannten Erkenntnis, dass vielfältig statt homogen besetzte Teams bessere Leistungen hervorbringen.
Doch diese Erkenntnis ist im Fußballgeschäft noch wenig verbreitet, oder es wird nicht danach gehandelt. Das kennt die einzige Präsidentin eines Profifußclubs, Nicole Kumpis von Eintracht Braunschweig aus ihrer Gremienarbeit sehr gut: "Da reproduzieren sich Systeme selber. Immer wieder aufs Neue. Dass heißt, wenn ich nur Männer in diesen Ebenen sitzen habe, mit Verlaub ich muss das mal so sagen – hinter verschlossenen Türen entscheiden nicht immer die Geschäftsführer wie es läuft, sondern da sitzt dann der Aufsichtsratsvorsitzende, der Präsident und die sagen dann 'so Freunde wie machen das jetzt so und so'."

DFB will 30 Prozent Frauen in Führungspositionen

Meist ältere Herren mit ähnlicher Herkunft holten Ihresgleichen in den Verein, versorgen Freunde mit Posten und verengten so den Blick auf die Dinge.
Um das aufzubrechen will der DFB selbst mit gutem Beispiel vorangehen, und muss da auch selbst noch aufholen. Aktuell ist 30 Prozent der Belegschaft weiblich.
Doris Fitschen, die frühere Managerin der Frauen-Nationalmannschaft und heute Gesamtkoordinatorin Frauen im Fußball beim DFB, findet das noch zu wenig: "Da wollen wir einfach mehr Frauen in den Fußball reinbringen und dann die Talente fördern, dass sie auch in Führungspositionen kommen."

Vier Frauen von 15 Posten im DFB-Präsidium

Dazu hat der DFB vor zwei Jahren die Strategie FF27 ins Leben gerufen, die das Ziel bis 2027 verfolgt. Aktuell ist knapp 20 Prozent der Führungsebene weiblich. Im aktuellen Präsidium sind von 15 Mitgliedern vier Frauen. Davor war es jahrzehntelang nur Hannelore Ratzeburg, die alleine war und auch nur die Zuständigkeit für den Frauenfußball hatte.
Der Kulturwandel ist bereits spürbar, und ein wichtiger Baustein ist für Vizepräsidentin Celia Sasic: "Dieser Link von Frauenfußball, die sportliche Investition darin so wichtig ist für das Thema Frauen im Fußball."
Volle Stadien, Akzeptanz und Sichtbarkeit der Profispielerinnen führen dazu, dass sich Frauen – ob ehemalige Spielerinnen oder einfach Fußballbegeisterte – in diesem Kosmos wiederfinden, nicht allein sind und ermutigt, Jobperspektiven anzustreben. Die Historie des Frauenfußballs, der in Deutschland zuerst verboten und dann lange ins Lächerliche gezogen wurde, wirkt noch bis heute nach und bedeutet für Celia Sasic: "Wie kriegen wir das, was sich gar nicht entwickeln konnte über diese lange Zeit einfach auch aufgeholt?"

50+1 als mögliches Hindernis

Axel Hellmann, der sich im vergangenen Jahr für einen Investorendeal in der DFL stark gemacht hatte, sieht den Nachteil, dass bei Vereinen, in denen die Mitglieder durch 50+1 die Mehrheit und damit letzte Entscheidungsgewalt haben, es Frauen tendenziell schwerer hätten.
Weil das dort bedeute: "Wir brauchen ein gesellschaftliches Verständnis, wie wichtig es ist, Frauen in den Fußball bei Amateurvereinen in Verantwortung und Funktion zu bewegen, dass sich dieses Prinzip, die Normalität von Frauen in Führungsverantwortung im Fußball bis nach oben hin durchsetzt."
Wenn das über die mehrheitlich meist männlichen Mitglieder nicht gewollt werde, "werden die Frauen nicht ankommen in den Kontrollgremien und in den besetzten Vorständen und Geschäftsführungen, weil das entscheidet nicht die Operative. Das ist anders als in der Wirtschaft, wo sie Shareholder-Value kreieren müssen über die Qualität von Besetzungen."

Studie: Wenige Frauen in den Vereinsführungen

Wie wenig Frauen bisher noch im Top-Management, Kontrollgremien oder Aufsichtsräten vertreten sind, zeigt eine Studie der gemeinnützigen Organisation "Fußball kann mehr", die nach dem Vorbild der Berichte der Albright-Stiftung entstanden ist.
Frauen in Top-Positionen in den 36 Proficlubs der 1. und 2. Liga gibt es lediglich beim FC Schalke 04, beim FC St. Pauli, dem 1. FC Heidenheim und Werder Bremen. Vorreiter ist dabei klar der FC St. Pauli, weil hier die Gremien paritätisch besetzt sind und das eine beschlossene Strategie ist.
Eintracht-Frankfurt-Vorstandssprecher Axel Hellmann muss zugeben, dass auch sein Verein wie die große Mehrheit noch nicht gut bei dem Ranking abschneidet. Weder im Top-Management noch in Kontrollgremium und Aufsichtsrat ist bei der Eintracht derzeit eine Frau vertreten. Lediglich bei den Führungskräften unterhalb des Topmanagement rangiert die Eintracht im Mittelfeld. Dabei müsste die Denke längst eine andere sein, die besten aus beiden Geschlechtern zu holen:
"Bis hin zu den Cheftrainerinnen-Positionen, bei denen es auch, wenn man mal von Ingolstadt absieht, im Moment noch sehr spärlich zugeht im Männerfußball – können Sie das eigentlich bei Eintracht Frankfurt auch vorstellen? - Kann ich mir vorstellen."

Großes Interesse am Kongress

Unter den anwesenden 150 Frauen könnten sich das auch einige vorstellen. Das Interesse ist beidseitig groß, es gab mehr Anmeldungen als Plätze und eine Warteliste. Parallel zum Kongress präsentierten sich Arbeitgeber wie die DFL, Vermarkter Infront oder die Landes- und Regionalverbände.
"Ein großes Ziel der Veranstaltung zu zeigen, wie vielfältig die Jobmöglichkeiten im Fußball sind. Es ist nicht immer nur eine Trainerausbildung oder ein Trainerjob, man muss nicht immer technisches Wissen bis ins Detail mitbringen. Sondern wenn man eine gewisse Offenheit, Grundkenntnis hat und eben die Leidenschaft und das Interesse für Fußball, da gibt unglaublich viele Jobmöglichkeiten", erläutert Christina Gassner, DFB-Direktorin für Institutionelle und politische Beziehungen und Strategie. Sie selbst verließ als Beamtin den Staatsdienst um in den Fußballkosmos zu wechseln, ohne selbst aktive Spielerin gewesen zu sein. Als Fanvertreterin hatte sie sich in der Szene zuvor engagiert.
Von den vielen Frauen wie Christina Gassner, die auf dem Kongress ihren Weg ins Fußballgeschäft erzählt haben, ist SGS Essen-Bundesligaspielerin Anja Pfluger angetan: "Man bekommt schon an einem Tag sehr, sehr viele zusammen, die sich dafür interessieren und hat man da auch so ein paar Role Models, die dann auch aus ihrem Leben erzählen, wie es möglich ist, in diese Bereiche reinzukommen."