Donnerstag, 25. April 2024

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Wowereit ist "nicht mehr im Amt zu halten"

Klaus Wowereit tritt als Chefaufseher des Berliner Großflughafens zurück. "Wer als Aufsichtsrats-vorsitzender seiner Position nicht gewachsen ist, kann auch nicht eine 3,5-Millionen-Stadt regieren", meint Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Oliver Luksic im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 08.01.2013
    Friedbert Meurer: Es ist längst eine unendliche Geschichte geworden: Am Sonntagabend kam zum dritten oder vierten Mal, je nachdem wie man es hält, die Meldung, die Eröffnung des neuen Flughafens in Berlin muss verschoben werden. Schuld daran sind Probleme mit der Brandbekämpfungsanlage, die einfach nicht gelöst zu werden scheinen, oder weiter Zeit brauchen. Das kostet den Steuerzahler alles viel Geld, die betroffenen Fluggesellschaften und Hunderte andere Unternehmen viel, viel Geduld und die Hauptstadt viel an Renommee.

    Klaus Wowereit gibt den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden des Berliner Flughafens an Matthias Platzeck aus Brandenburg ab, aber er will Regierender Bürgermeister bleiben, er lehnt einen Rücktritt ab. – Dirk-Oliver Heckmann, mein Kollege, fragte gestern spät Abend Oliver Luksic, den verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ob mit den Entscheidungen jetzt wieder alles gut werde.

    Oliver Luksic: Der Schritt war längst überfällig. Herr Wowereit trägt als Aufsichtsratsvorsitzender die Hauptverantwortung für das Chaos, die fünfte Verschiebung des Eröffnungstermins, Kostenexplosion und vor allem Desinformation der Öffentlichkeit und der Parlamente. Ob Herr Platzeck die richtige Wahl ist, wage ich zu bezweifeln, weil sämtliche Genehmigungsbehörden in Brandenburg hier auch keine gute Rolle gespielt haben bis jetzt. Wir brauchen meines Erachtens mehr Bau- und Finanzexperten und weniger Politiker in Aufsichtsräten.

    Dirk-Oliver Heckmann: Die Berliner Grünen, die fordern ja den Rücktritt Klaus Wowereits als Regierender Bürgermeister und sie haben einen Misstrauensantrag angekündigt. Ist das Ganze nicht ein bisschen überzogen, denn was kann Wowereit dafür, dass die entsprechende Gesellschaft nicht in der Lage ist, dieses Projekt durchzuziehen?

    Luksic: Herr Wowereit hat zahlreiche schwere Fehlentscheidungen getroffen. Abgesehen von einer katastrophalen Informationspolitik, ständiges Verschieben von Terminen, falsche Fakten genannt in den Ausschüssen und in den Parlamenten, hat er im Krisenmanagement versagt. Er hält fest an Herrn Schwarz, der offensichtlich eine Fehlbesetzung als Geschäftsführer ist, und er selber war es ja auch, der den Generalunternehmer Hochtief gefeuert hat, meines Erachtens ein zentraler Fehler während dieses ganzen Vorgangs, weil wir jetzt nun kollektive Verantwortungslosigkeit auf der Baustelle haben.

    Heckmann: Aber SPD-Chef Sigmar Gabriel beispielsweise, der sagt ja, die Verantwortung trägt die Geschäftsführung, nicht der Aufsichtsrat, und das sei auch gut so.

    Luksic: Herr Wowereit und auch Herr Platzeck halten ja die ganze Zeit an der Geschäftsführung fest, haben den Rücken gestärkt dem Geschäftsführer. Ich gehe davon aus, da es ein enges Vertrauensverhältnis gibt zwischen Geschäftsführer und Aufsichtsratsspitze, dass natürlich Herr Wowereit schon vorher genau wusste, dass die ganzen Termine nicht einzuhalten sind, und deswegen er an Herrn Schwarz festhält, weil sonst noch einiges anderes zum Vorschein kommt.

    Die politische Verantwortung trägt Herr Wowereit, und wer als Aufsichtsratsvorsitzender seiner Position nicht gewachsen ist, kann auch nicht eine 3,5-Millionen-Stadt regieren. Insofern ist er meines Erachtens auch als Regierender Bürgermeister nicht mehr im Amt zu halten.

    Heckmann: Was ist denn dann, wenn der Aufsichtsrat verantwortlich ist, mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer von der CSU? Der sitzt ja schließlich auch mit einem Vertreter im Aufsichtsrat und mit dem koalieren Sie im Bund in Berlin.

    Luksic: Es sitzen ein Staatssekretär aus dem Finanzministerium und ein Staatssekretär aus dem Verkehrsministerium dort. Immerhin hat das Verkehrsministerium frühzeitig dafür sich eingesetzt, hier aufzuklären, eine Sonderkommission eingesetzt, die auch zahlreiche Missstände aufgedeckt hat.

    Heckmann: Aufklärung hat auch Klaus Wowereit immer gefordert.

    Luksic: Ja, aber der Bund hat es aktiv betrieben, und der springende Punkt ist, auch der Bund wollte ja schon früher Konsequenzen bei der Geschäftsführung beispielsweise ziehen, aber die verweigert Berlin und Brandenburg bis heute. Deswegen muss der Bund sich auch fragen, wenn man mit 26 Prozent der Anteile immer wieder überstimmt wird, ob es überhaupt Sinn macht, sich an solchen Projekten zu beteiligen.

    Heckmann: Die "Bild"-Zeitung, Herr Luksic, die berichtet ja, der Aufsichtsrat habe bereits vor Weihnachten, nämlich am 18.12., schon von der neuen Terminverschiebung erfahren, und das Blatt zitiert aus einem internen Vermerk. Der Aufsichtsrat beziehungsweise die Mitglieder des Aufsichtsrats dementieren diese Meldung, man habe erst an diesem Wochenende von der neuen Lage erfahren. Kann man dieser Einschätzung, dieser Äußerung Glauben schenken?

    Luksic: Ich bin der festen Überzeugung, dass schon lange diskutiert wird, ob der Zeitplan einzuhalten ist, und auch nach dem Besuch des Bundestages, des Ausschusses dort, waren die Zweifel doch relativ groß vorhanden. Mich würde es nicht wundern, wenn solche Zweifel auch schon geäußert wurden, auch in den Kreisen des Aufsichtsrates.

    Ob und wo dies dann schriftlich geäußert wurde, da werden wir nachfragen, weil es kann nicht sein, dass dieser Dilettantismus am Flughafen letzten Endes immer wieder durch den Steuerzahler bezahlt wird, und auch gerade die Betroffenen, die vielen kleinen Unternehmen, die Airlines und andere, erwarten auch hier Aufklärung und mehr Transparenz.

    Heckmann: Jetzt ist es so, Herr Luksic, dass die Brandschutzanlage offenbar anders gebaut sein soll, als sie genehmigt wurde. Wie kann das eigentlich sein?

    Luksic: Das ist wirklich ein Punkt, der uns auch immer wieder fassungslos werden lässt. Die Sonderkommission hat ja auch festgehalten, dass schon teilweise hier von Sanierung im Bestand die Rede ist. Das ist wirklich so: In der Schlussphase, in den letzten Monaten wurden immer wieder wohl teilweise Sachen unter politischem Druck falsch gebaut. Jetzt ist die Frage, ob teilweise sogar Sachen rückgebaut werden müssen.

    Man kann eigentlich nur noch fassungslos sein vor dem Chaos, das jetzt an diesem Flughafen herrscht, auch vor den möglichen Berichten, dass natürlich verschiedene Sachen eventuell auch zu klein ausgelegt wären. Das Ganze ist wirklich kein Ruhmesblatt, sowohl für die Politik als auch für die ausführenden Unternehmen.

    Meurer: Oliver Luksic, der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk-Oliver Heckmann, über die Pannenserie beim neuen Berliner Flughafen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.