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WTO-Entscheidung
EU darf Strafzölle auf US-Importe verhängen

Die Europäische Union darf Importwaren aus den USA mit Strafzöllen belegen - und zwar im Umfang von fast 4 Milliarden US-Dollar. Das hat die WTO in Genf mitgeteilt. Damit ist ein jahrelanger Rechtsstreit um US-Subventionen für den Flugzeughersteller Boeing zugunsten der EU zu Ende gegangen.

Von Peter Kapern | 13.10.2020
Ein Flugzeug des Typs Boeing 737 Max 9
Hintergrund des Handelsstreits ist der seit mehr als 15 Jahren andauernde Streit um Staatshilfen für den US-Flugzeugbauer Boeing. (imago images / Xinhua)
Die Europäer dürfen, den Regeln der Welthandelsorganisation folgend, durch diese Strafzölle Vergeltung dafür üben, dass der Flugzeugbauer Boing illegale, weil wettbewerbsverzerrende Subventionen erhalten hat. Damit ist dieser Rechtsstreit zugunsten der EU und zur Zufriedenheit von Bernd Lange, dem Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europaparlament, zu Ende gegangen: "Die klare Festsetzung der Höhe zeigt, wie viel Boing eigentlich vom Staat als Subventionen bekommen hat."
Eine Reihe von Flugzeugen am Himmel über dem Flughafen Heathrow in London
Zollstreit mit den USA: Brüssel droht mit GegenzöllenNach unerlaubten Subventionen für die Firma Airbus wollen die USA Strafzölle auf europäische Produkte verhängen. Brüssel will reagieren und führt unerlaubte US-Subventionen für Boeing ins Feld. Deeskalierende Stimmen fordern derweil gemeinsame Regeln für den Flugzeugbau in der EU und den USA.
Das ist aber nur die eine Hälfte der Geschichte. Die andere Hälfte handelt davon, dass die WTO den USA bereits im vergangenen Jahr das Recht zugesprochen hatte, europäische Waren mit Strafzöllen im Gesamtumfang von 7,5 Milliarden US-Dollar zu belegen. Der Grund: illegale, weil wettbewerbsverzerrende Subventionen der Europäer für den Flugzeugbauer Airbus. Damals reagierte US-Präsident Trump umgehend. Er bezeichnete das Urteil aus Genf als "Goldader" und belegte Flugzeugteile aus Europa mit einem 15-prozentigen und zahlreiche andere Waren vom Käse bis zu Oliven mit einem 25-prozentigen Strafzoll. Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange kündigt deshalb an, dass die EU jetzt nach dem jüngsten Urteil ebenfalls umgehend zur Tat schreiten wird: "Wir werden es nutzen. Es gibt eine Liste mit Produkten, die dann bezollt werden. Von daher ist das auch keine weitere Eskalation des Handelsstreits, weil es hier wirklich um das Nachvollziehen von Regeln der Welthandelsorganisation geht."
EU-Handelskommissar setzt auf Verhandlungen mit den USA
Der neue EU-Handelskommissar Valdis Dombrowskis klang aber vor dem heutigen Urteil deutlich zurückhaltender. Im Gespräch mit der Financial Times forderte er die US-Regierung auf, Verhandlungen über ein Ende des Subventionsstreits aufzunehmen. Als vertrauensbildende Maßnahme sollten die USA die bereits verhängten Strafzölle zurückzunehmen. Wenn das aber nicht geschehe, so Dombrowskis, dann bleibe der EU keine andere Möglichkeit, als selbst Strafzölle zu verhängen. Der Streit um die Flugzeugsubventionen dauert nun seit 2004 an. Die USA werfen den Europäern vor, Airbus illegal durch Infrastrukturprojekte und Forschungsgelder unterstützt zu haben. Und die EU verweist auf Subventionen der US-Bundesstaaten Washington und Kansas sowie auf Forschungsprojekte der NASA und des US-Verteidigungsministeriums, die dem Flugzeugbauer Boeing illegal die Kassen gefüllt hätten. Das Schiedsgericht gab beiden Klägern recht. Als sich die beiden Kontrahenten anschließend vorwarfen, das Urteil der WTO nicht umgesetzt zu haben, bekamen wiederum beide Kläger Recht. Und genau dasselbe wiederholte sich in der Berufungsinstanz. Was alles in allem 16 Jahre dauerte.
"Trump hat ja im Grunde das gemeinsame Regelwerk verlassen"
Dass mit der aktuellen US-Regierung nun noch eine Einigung erreicht werden könnte, um den Streit um Flugzeugsubventionen nicht noch weiter in die Zukunft zu tragen – das glaubt Bernd Lange, Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, nicht.
USA-Experte: Strafzölle sind "ein sehr zwiespältiges Instrument"Die USA setzen auf Sanktionen, zuletzt gegenüber Mexiko. Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund hält diese "Handelswaffen der ökonomischen Kriegsführung" für gefährlich. Ihr inflationärer Gebrauch werde auf Dauer die Macht der USA unterminieren, sagte der Transatlantiker im Dlf.
Aber nach einem Wahlsieg der Demokraten könnten die Karten neu gemischt werden:
"Trump hat ja im Grunde das gemeinsame Regelwerk verlassen. Das wird sicherlich Joe Biden nicht machen, aber es gibt natürlich auch Interessensunterschiede. Aber es wird stärker regelbasiert ablaufen und die Verhandlungen werden sich wieder zu realen Verhandlungen entwickeln."
Was Experten für dringend notwendig halten. Denn erst, wenn die EU und die USA im Rahmen der WTO ein Abkommen über die Flugzeugindustrie vereinbart haben, können sie einen glaubwürdigen Anlauf unternehmen, neue aufsteigende Flugzeugbauer etwa aus China in das Regelwerk einzubinden.