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Wüstenstrom
Afrika denkt um

In jüngster Zeit haben einige deutsche Unternehmen die Initiative Desertec verlassen, die Solarenergie in der sonnenreichen afrikanischen Wüste gewinnen und nach Europa transportieren will. In Afrika hat das Projekt zu einem Umdenken geführt, denn der Energiebedarf des Kontinents ist riesig.

Von Barbara Renne | 14.04.2014
    Englisch, Französisch, Afrikaans - ein Sprachen- und Stimmengewirr ist in der Lobby des Hamburger Elysee Hotels zu hören. Viele afrikanische Staaten haben ihre Energieminister oder andere Vertreter zum Deutsch-Afrikanischen Energieforum geschickt. Das wohl spektakulärste Projekt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Energiepolitik, ist Desertec. Riesige Solaranlagen und Windräder in den Wüsten Nordafrikas sollen auch Europa mit Energie versorgen - so die Idee.
    Boris Westphal von der Hamburger Firma Suntrace arbeitet als Berater für das Desertec-Projekt. Von der Ursprungsidee – eine zuverlässige Energiequelle für Europa zu haben, rücke man mehr und mehr ab, beobachtet Westphal: "Man hat also gemerkt, dass Europa ziemlich übersättigt ist und es auch nicht so einfach ist mit den Übertragungsleitungen und es auch eine ganze Menge politische Widerstände dagegen gibt. Während auf der anderen Seite Nordafrika einen großen Bedarf hat an zusätzlichen Stromkapazitäten."
    Mehrere deutsche Firmen sind bereits aus dem Wüstenstromprojekt ausgestiegen. Siemens, Bosch, die HSH-Nordbank und jetzt auch der Baukonzern Bilfinger und Deutschlands größter Energiekonzern E.on.
    Trotzdem könne man von einem Erfolg des Projektes sprechen, sagt Berater Westphal. Denn in vielen nordafrikanischen Staaten habe es zu einem Umdenken geführt: "Als Konsequenz kann man sehen, dass viele Länder eine Reihe von Anstrengungen unternehmen, um Solar- und Windenergie voranzutreiben."
    Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Christoph Kannengießer. Der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft beobachtet ein zunehmendes Interesse der afrikanischen Staaten an Windkraft und Solarenergie.
    Bis auf Südafrika hätten alle Länder auf dem Kontinent einen enormen Nachholbedarf, sagt Kannengießer. Die Afrikanische Union will in den kommenden 30 Jahren die Energieerzeugung in ihren Ländern versiebenfachen: "Natürlich ist der Energiehunger in den Ländern besonders groß, die sich stark industrialisieren, die hohe Wachstumsraten haben. Da spielen der Rohstoffreichtum und der Energiebedarf Hand in Hand. Die Länder können sich nur dann industrialisieren, wenn sie eine entsprechende Energieversorgung haben. Und daraus ergeben sich Investitionschancen in Ländern wie Angola, Mosambik, in Nigeria. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen."
    Deutsche und europäische Firmen könnten den afrikanischen Ländern bei dem Aufbau ihrer Energie-Infrastruktur helfen und davon enorm profitieren, sagt Kannengießer: "Wir haben mal ausgerechnet, wenn sich die deutsche Wirtschaft auch nur annähernde auf dem Niveau daran beteiligt, wie das in übrigen Teilen der Welt der Fall ist, dass das für die deutsche Firmen allein ein Auftragsvolumen von über 80 Milliarden Euro bedeutet."
    Noch immer leiden viele afrikanische Staaten unter Misswirtschaft, Korruption und unsicheren politischen Verhältnissen. Trotzdem hält Afrika-Experte Kannengießer das Risiko für deutsche Unternehmen für überschaubar: "Afrika ist kein Standort in dem die Risiken, die man eingeht, als in anderen Schwellenmärkten dieser Erde."
    Eine deutsche Firma, die bereits in Afrika aktive Entwicklungshilfe leistet ist das Unternehmen Lucas-Nülle aus Kerpen. Stefan Welp und seine Kollegen bilden vor Ort afrikanische Ingenieure und Techniker aus: "Es gibt in Nigeria zum Beispiel das Problem, dass ein Großteil der Ingenieure, die im Bereich der Ölindustrie arbeiten, Auslandänder sind. Das bedeutet, dass sämtliche Gehälter aus dem Land rausgebracht werden und das Land selber nicht profitiert."
    Nigeria, sagt Stefan Welp sei das beste Beispiel dafür, wie groß der Bedarf an neuen Kraftwerken in Afrika sei. Mit seinen 170 Millionen Einwohnern habe Nigeria gerade mal eine installierte Kraftwerksleistung von 4.000 Megawatt. Der Bedarf des Landes, so Welp, sei jedoch 100mal höher.