Jule Reimer: Spätestens seit dem Rückgang der Wildbienen und der Sorge um ihre Bedeutung für die Bestäubung von Pflanzen ist klar: Die Dienste der vermeintlich kostenlosen Natur gibt es doch nicht umsonst. Einer, der Leistungen der Natur im Auftrag der EU und der UNO einmal genau in Euro und Dollar ausgerechnet hat, ist Pavan Sukhdev. Und auch, was es kostet, sie zu belasten oder gar zu zerstören. Trinkwasserverluste, Müllberge, klima- und gesundheitliche Schäden in Höhe von elf Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes errechnete Sukhdev im Jahr 2012 pünktlich zur UN-Umweltkonferenz Rio+20: So hoch waren damals die sogenannten externen Kosten als Folgen unserer Wirtschaftsweise, die nicht in den Bilanzen der Konzerne auftauchen und meist von der Allgemeinheit getragen werden – stolze 9 Billionen Dollar.
Pavan Sukhdev, der indische Ökonom und Weltbürger, hatte zuvor bei der Deutschen Bank Karriere gemacht. Seit Anfang des Jahres ist er der Präsident des World Wide Fund for Nature, des WWF, der sich zu den großen internationalen Umwelt- und Naturschutzorganisationen zählt. Jule Reimer traf Sukhdev in Berlin und wollte wissen, wo wir sechs Jahre später bei den Kosten der Umweltzerstörung stehen:
Sukhdev: Diese externen Kosten unseres Wirtschaftens sind weiterhin sehr hoch. Wir haben keine aktualisierten Zahlen über diese wahren Kosten, aber sie fallen wahrscheinlich gar nicht anders aus. Es wird so weiter gemacht wie zuvor.
Reimer: Die deutsche Bundesregierung wird die der Welt versprochenen CO2-Emissions-Minderung bis 2020 deutlich verfehlen – trotz der Energiewende, die wir eingeleitet haben. Wie wirkt sich das für die gerade angesprochenen externen Kosten aus?
Sukhdev: Es ist immer traurig, wenn man Ziele verfehlt. Aber es ist sehr gut, dass die Erneuerbaren Energien bislang so energisch von Deutschland vorangebracht wurden. Es gibt so viele gute Nachrichten. Ehrlich, netzgebundene Solarenergie, also wirklich große Sonnenenergieanlagen sind heute die billigste Form, Strom zu erzeugen. Billiger als Kohlestrom, als Strom aus Gas, ja sogar als Wasserkraft. In meinem Land Indien wurde kürzlich ein Solarprojekt auf die Beine gestellt zu einem Dollar für ein Watt installierte Leistung, das heißt, dass ein Gigawatt-Projekt kostete um die 900 Millionen Dollar. Das sind gute Nachrichten, da ist ein Gewinn.
Sukhdev: Diese externen Kosten unseres Wirtschaftens sind weiterhin sehr hoch. Wir haben keine aktualisierten Zahlen über diese wahren Kosten, aber sie fallen wahrscheinlich gar nicht anders aus. Es wird so weiter gemacht wie zuvor.
Reimer: Die deutsche Bundesregierung wird die der Welt versprochenen CO2-Emissions-Minderung bis 2020 deutlich verfehlen – trotz der Energiewende, die wir eingeleitet haben. Wie wirkt sich das für die gerade angesprochenen externen Kosten aus?
Sukhdev: Es ist immer traurig, wenn man Ziele verfehlt. Aber es ist sehr gut, dass die Erneuerbaren Energien bislang so energisch von Deutschland vorangebracht wurden. Es gibt so viele gute Nachrichten. Ehrlich, netzgebundene Solarenergie, also wirklich große Sonnenenergieanlagen sind heute die billigste Form, Strom zu erzeugen. Billiger als Kohlestrom, als Strom aus Gas, ja sogar als Wasserkraft. In meinem Land Indien wurde kürzlich ein Solarprojekt auf die Beine gestellt zu einem Dollar für ein Watt installierte Leistung, das heißt, dass ein Gigawatt-Projekt kostete um die 900 Millionen Dollar. Das sind gute Nachrichten, da ist ein Gewinn.
Sukhdev: Auf jedes Land zugeschnitten Formen der Erneuerbaren kombinieren
Reimer: Die Frage ist, ob Solarenergie wirklich das billigste für Deutschland ist, wir haben nicht so hohe Sonnenscheinzahlen.
Sukhdev: Es muss nicht unbedingt nur Sonnenenergie verfügbar sein, aber die Möglichkeit, Sonnen- und Windenergie und andere Energiequellen zu kombinieren. Ich bin überzeugt, dass jedes Land die Möglichkeit hat, die alten Energieträger zu ersetzen und das wirtschaftlich vorteilhaft, indem es für sich zugeschnitten verschiedene Formen der Erneuerbaren kombiniert.
Reimer: Deutschland kämpft allerdings trotzdem stark mit der Frage, wann soll der Braunkohleausstieg vollzogen werden. Der WWF macht ja auch viele Analysen zu dieser Frage. Haben Sie eine Empfehlung an die deutsche Bundesregierung, wann man rausgehen sollte?
Sukhdev: Sehen Sie, Braunkohle und andere Formen der Kohleverfeuerung sind wirklich schädlich für die Gesundheit und fürs Klima und auf lange Sich auch für die Wirtschaft. Kurzfristig ergeben sich vielleicht Kosten in Form von Arbeitsplatzverlusten. Aber gleichzeitig würde ich sagen, dass alle Staaten ihre Arbeitsmarktsituation in diesem Bereich überdenken müssen. In China ist die Herausforderung noch viel größer, dort arbeiten fünf Millionen Menschen im Kohlebergbau, dort geht die Zahl schon zurück. In Indien ist es eine halbe Millionen, überall in der Welt gibt es diese Probleme im Energiesektor, Deutschland ist da nicht das einzige Land. Mir ist klar, dass man nicht über Nacht Lösungen findet, es geht ja schließlich um den Lebensunterhalt der Betroffenen. Aber Nichtstun für den Klimaschutz ist keine Option, wir brauchen ein Ausstiegsplan.
Sukhdev: Es muss nicht unbedingt nur Sonnenenergie verfügbar sein, aber die Möglichkeit, Sonnen- und Windenergie und andere Energiequellen zu kombinieren. Ich bin überzeugt, dass jedes Land die Möglichkeit hat, die alten Energieträger zu ersetzen und das wirtschaftlich vorteilhaft, indem es für sich zugeschnitten verschiedene Formen der Erneuerbaren kombiniert.
Reimer: Deutschland kämpft allerdings trotzdem stark mit der Frage, wann soll der Braunkohleausstieg vollzogen werden. Der WWF macht ja auch viele Analysen zu dieser Frage. Haben Sie eine Empfehlung an die deutsche Bundesregierung, wann man rausgehen sollte?
Sukhdev: Sehen Sie, Braunkohle und andere Formen der Kohleverfeuerung sind wirklich schädlich für die Gesundheit und fürs Klima und auf lange Sich auch für die Wirtschaft. Kurzfristig ergeben sich vielleicht Kosten in Form von Arbeitsplatzverlusten. Aber gleichzeitig würde ich sagen, dass alle Staaten ihre Arbeitsmarktsituation in diesem Bereich überdenken müssen. In China ist die Herausforderung noch viel größer, dort arbeiten fünf Millionen Menschen im Kohlebergbau, dort geht die Zahl schon zurück. In Indien ist es eine halbe Millionen, überall in der Welt gibt es diese Probleme im Energiesektor, Deutschland ist da nicht das einzige Land. Mir ist klar, dass man nicht über Nacht Lösungen findet, es geht ja schließlich um den Lebensunterhalt der Betroffenen. Aber Nichtstun für den Klimaschutz ist keine Option, wir brauchen ein Ausstiegsplan.
"Versuche, Klimawissenschaften in ein schlechtes Licht zu rücken"
Reimer: US-Präsident Trump hat beschlossen, noch stärker fossile Brennstoffe zu beanspruchen, da wird auch wenig in Betracht bezogen, was das für die Emissionen bedeutet und es gibt zahlreiche Deregulierung im Bereich von Umweltgesetzen. Kann es sein, dass dieses Konzept der externen Kosten an Bedeutung verliert im Vergleich zu vor zehn Jahren?
Sukhdev: US-amerikanische Öl- und Gasunternehmen standen bei den Kampagnen der Klimawandelleugner ganz vorne. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Laut Recherchen von Journalisten hat Exxon mehr als 30 Millionen Dollar investiert, um die Klimawissenchaften in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Geschichte wird über Unternehmen, die so wie Exxon handeln, einmal harsch urteilen. Diese Unternehmen – und auch ihre Vorstandvorsitzenden - sollten sich klarmachen, dass ihre Namen später mal in Blut geschrieben werden, denn es geht hier um die Zukunft unserer Kinder. Ist es fair, dass diejenigen, die diese klimaschädlichen Emissionen ausstoßen, ein schönes Leben genießen und dass zum Beispiel die Einwohner des Inselstaates Kiribati im Pazifischen Ozean damit leben müssen, dass sich die Fläche ihrer Insel aufgrund des ansteigenden und eindringenden Salzwasser halbiert? Ist das fair?
Reimer: Der WWF plädiert für eine Steuer auf Rohstoffe, für einen Preis auf CO2. Wenn die US-Administration gleichzeitig fossile Energien weiter verbilligt, also Kohle, Öl und Gas, dann bekommen die Europäer doch früher oder später ein Wettbewerbsproblem?
Sukhdev: Sie haben Recht. Jede bedeutsame Subvention wirkt sich auch auf die globalen Markt aus. Die Subventionen für den Öl- und Gassektor, die von verschiedenen Organisationen – unter anderem durch den IWF – erfasst werden, betragen zwei Billionen Dollar und wenn Sie noch die ganzen Schäden, also diese externen Kosten miteinbeziehen, dann sind es sogar fünf Billionen Dollar. Die Öl und Gasunternehmen sind der weltweit am höchsten subventionierte Industriesektor – und diese externen Kosten sind ein Teil davon, das sind die von dritten getragenen Kosten des Klimawandels. Anders ausgedrückt, das sind die gesellschaftlichen Kosten als Folge der privaten Profite. Das ist nichts anderes als eine riesige Extra-Freibier-Runde für die Öl- und Gasindustrie. Jeder Bürger oder auch NGOs wie der WWF kann jetzt bewerten, ob er das fair und richtig findet oder nicht.
Sukhdev: US-amerikanische Öl- und Gasunternehmen standen bei den Kampagnen der Klimawandelleugner ganz vorne. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Laut Recherchen von Journalisten hat Exxon mehr als 30 Millionen Dollar investiert, um die Klimawissenchaften in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Geschichte wird über Unternehmen, die so wie Exxon handeln, einmal harsch urteilen. Diese Unternehmen – und auch ihre Vorstandvorsitzenden - sollten sich klarmachen, dass ihre Namen später mal in Blut geschrieben werden, denn es geht hier um die Zukunft unserer Kinder. Ist es fair, dass diejenigen, die diese klimaschädlichen Emissionen ausstoßen, ein schönes Leben genießen und dass zum Beispiel die Einwohner des Inselstaates Kiribati im Pazifischen Ozean damit leben müssen, dass sich die Fläche ihrer Insel aufgrund des ansteigenden und eindringenden Salzwasser halbiert? Ist das fair?
Reimer: Der WWF plädiert für eine Steuer auf Rohstoffe, für einen Preis auf CO2. Wenn die US-Administration gleichzeitig fossile Energien weiter verbilligt, also Kohle, Öl und Gas, dann bekommen die Europäer doch früher oder später ein Wettbewerbsproblem?
Sukhdev: Sie haben Recht. Jede bedeutsame Subvention wirkt sich auch auf die globalen Markt aus. Die Subventionen für den Öl- und Gassektor, die von verschiedenen Organisationen – unter anderem durch den IWF – erfasst werden, betragen zwei Billionen Dollar und wenn Sie noch die ganzen Schäden, also diese externen Kosten miteinbeziehen, dann sind es sogar fünf Billionen Dollar. Die Öl und Gasunternehmen sind der weltweit am höchsten subventionierte Industriesektor – und diese externen Kosten sind ein Teil davon, das sind die von dritten getragenen Kosten des Klimawandels. Anders ausgedrückt, das sind die gesellschaftlichen Kosten als Folge der privaten Profite. Das ist nichts anderes als eine riesige Extra-Freibier-Runde für die Öl- und Gasindustrie. Jeder Bürger oder auch NGOs wie der WWF kann jetzt bewerten, ob er das fair und richtig findet oder nicht.
"Wiederverwertbare Verpackungen einsetzen"
Reimer: Wir haben ein weiteres Problem, wo sich externe Kosten gerade sehr bemerkbar machen, die Folge unserer wachsenden Plastiknutzung. Die Meere sind voll von Mikroplastik. Welche Maßnahmen empfehlen Sie gegen die Plastikflut? Müsste das mehr Mehrweg sein oder Recycln oder prinzipiell eine Steuer auf Plastikprodukte?
Sukdhev: Es kommt darauf an, wie gepfeffert die Steuern ausfallen. In Irland wirkten Steuern, in Botswana ein Verbot. Hohe Steuern oder auch ein Verbot wirken bei Einweg-Plastik. Außerdem müssen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich der Plastikmüll auswirkt, den wir in den Meeren finden, an dem die Fische ersticken und der sich dann zu Mikroplastik zersetzt. Das wird auch von den Fischen gefressen und später essen wir es dann mit den Fischen - und dieses Plastik treibt in der Folge absehbar auch unsere Gesundheitskosten in Höhe. Darüber sollten wir uns sorgen!
Zweitens ist die Verantwortung entlang der Lieferketten ein wichtiges Konzept. Die Lebensmittelproduzenten müssen sicherstellen, dass sie wiederverwertbare und biologische abbaubare Verpackungen einsetzen, die gibt es nämlich schon. Mag sein, dass sie ein paar zehntel Cent teurer sind, aber diese Kosten sollten Hersteller und Handel tragen. Denn derzeit gibt es viel höhere Kosten jenseits von Steuern und Verboten zu tragen, nämlich diese Gefahr für unser Leben und das unserer Kinder und die Kosten tragen wir alle. Das sollten sich die Leute mal bewusst machen.
Reimer: Sollte dieses verstärkte Recycling auf freiwilliger Basis eingeführt werden oder brauchen wir dafür Gesetze?
Sukhdev: Es gibt viele gute Beispiele für freiwillige Aktionen, aber ehrlich gesagt, in diesem Fall würden sie gerade mal an der Oberfläche des Problems kratzen. Wenn Sie wirklich einen Wandel wollen, dann brauchen Sie Gesetze und Vorgaben und manchmal Steuern. Das Plastikproblem ist keins, was sich lösen ließe, indem wir beide unser Verhalten ändern.
Sukdhev: Es kommt darauf an, wie gepfeffert die Steuern ausfallen. In Irland wirkten Steuern, in Botswana ein Verbot. Hohe Steuern oder auch ein Verbot wirken bei Einweg-Plastik. Außerdem müssen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich der Plastikmüll auswirkt, den wir in den Meeren finden, an dem die Fische ersticken und der sich dann zu Mikroplastik zersetzt. Das wird auch von den Fischen gefressen und später essen wir es dann mit den Fischen - und dieses Plastik treibt in der Folge absehbar auch unsere Gesundheitskosten in Höhe. Darüber sollten wir uns sorgen!
Zweitens ist die Verantwortung entlang der Lieferketten ein wichtiges Konzept. Die Lebensmittelproduzenten müssen sicherstellen, dass sie wiederverwertbare und biologische abbaubare Verpackungen einsetzen, die gibt es nämlich schon. Mag sein, dass sie ein paar zehntel Cent teurer sind, aber diese Kosten sollten Hersteller und Handel tragen. Denn derzeit gibt es viel höhere Kosten jenseits von Steuern und Verboten zu tragen, nämlich diese Gefahr für unser Leben und das unserer Kinder und die Kosten tragen wir alle. Das sollten sich die Leute mal bewusst machen.
Reimer: Sollte dieses verstärkte Recycling auf freiwilliger Basis eingeführt werden oder brauchen wir dafür Gesetze?
Sukhdev: Es gibt viele gute Beispiele für freiwillige Aktionen, aber ehrlich gesagt, in diesem Fall würden sie gerade mal an der Oberfläche des Problems kratzen. Wenn Sie wirklich einen Wandel wollen, dann brauchen Sie Gesetze und Vorgaben und manchmal Steuern. Das Plastikproblem ist keins, was sich lösen ließe, indem wir beide unser Verhalten ändern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.