Yakuza Mafia in Japan
Gangster im Zeitenwandel

Das Beispiel Japan zeigt: Auch Verbrecherstrukturen ändern sich. Die Yakuza waren lange die japanische Mafia-Variante. Inzwischen haben Überalterung, Digitalisierung und strengere Gesetze ihre Spuren hinterlassen.

    Ein Mann mit Ganzkörpertätowierung, möglicherweise ein Mitglied der japanischen Mafia oder Yakuza, besucht das Sanja Matsuri im Stadtteil Asakusa.
    Die Yakuza sind für ihre kunstvollen und bunten Tätowierungen bekannt, die oft große Teile des Körpers bedecken. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Rodrigo Reyes Marin)
    Die Kriminalität in Japan hat sich verlagert. Die neue Form des Verbrechens löst eine alte Form ab, die Japan jahrzehntelang in Atem gehalten hat: die Yakuza. Seitdem der japanische Staat der Yakuza-Bewegung und damit der Organisierten Kriminalität den Kampf angesagt hat, erlebt Japan einen neuen Verbrechertypus, der sich auf digitalem Weg für Überfälle und Betrügereien zusammenfindet. Der japanische Gangster alter Schule stirbt in Japan allmählich aus.

    Inhaltsverzeichnis

    Wer sind die Yakuza?

    Die Yakuza sind organisierte Kriminelle in Japan, die als eine Art Gangster-Syndikat oder Mafia angesehen werden. Der Begriff "Yakuza" bezieht sich sowohl auf die Banden als Ganzes als auch auf ihre individuellen Mitglieder. Ursprünglich entwickelten sie sich aus sozialen Außenseitergruppen im feudalen Japan und spielten in der japanischen Gesellschaft eine vielschichtige Rolle.
    Früher wurden sie teilweise als moderne Samurai angesehen, die soziale Hierarchien, Rituale und Verhaltenskodizes hatten. Es waren vermeintlich ehrenwerte Gangster mit hohem Moralanspruch, die durch ihre Straftaten keine Normalbürger treffen wollten. Ihr schriftlicher Kodex verbot ihnen zum Beispiel den Gebrauch von Drogen, Raubüberfälle und generell jede Handlung, die den Ruf der Bande beflecken könnte. Nach Erdbeben und anderen Naturkatastrophen war die Yakuza oft zuerst vor Ort und leistete Hilfe, etwa mit Suppenküchen.
    Doch dieses positive Selbstbild erfüllte die Yakuza ab Mitte der 1980er-Jahre nicht mehr, nachdem sie an politischem Einfluss gewonnen hatten. Sie wurden in illegale Aktivitäten wie Drogenhandel, Glücksspiel und Schutzgelderpressung verwickelt. Mit der Zunahme von Bandenkriegen, insbesondere dem "Yama-Ichi-Krieg", verlor die Yakuza an Ansehen und wurde als Bedrohung und Quelle der Gewalt wahrgenommen.

    Warum opfern Yakuza einen Finger?

    Die Ursprünge dieser Yakuza-Sitte, sich selbst ein Fingerstück zu amputieren, sind unklar. Hauptsächlich drückt ein Bandenmitglied durch diese rituelle Selbstverstümmelung auf brutale körperliche Weise seine absolute und bedingungslose Hingabe an den Boss und die Ziele der Bande aus. Wer sein eigenes Fingerglied kappt und übergibt, kann sich rehabilitieren und sogar eine Kreditschuld abtragen, heißt es in der Gangsterwelt. Die fehlenden Fingerglieder sind ein Symbol für die japanische Gangsterwelt alter Schule.

    Welche Bedeutung haben die Tätowierungen bei den Yakuza?

    Die Yakuza sind für ihre kunstvollen und bunten Tätowierungen bekannt, die oft große Teile des Körpers bedecken. So wird geschätzt, dass zwei Drittel der Yakuza dieser Sitte folgten. Diese Tätowierungen sind nicht nur Dekoration, sondern haben auch eine symbolische Bedeutung. Sie dienen als Zeichen der Zugehörigkeit zur Bande, zeigen den sozialen Status innerhalb der Hierarchie an und drücken die Bereitschaft zur Hingabe an die kriminelle Lebensweise aus. Tätowierungen wurden traditionell von Hand gestochen und galten als schmerzhafte Initiation, um in die Welt der Yakuza aufgenommen zu werden.

    Was versteht man unter dem „Yama-Ichi-Krieg“?

    Der "Yama-Ichi-Krieg" war ein brutaler interner Konflikt und Straßenkrieg zwischen den rivalisierenden Yakuza-Gruppen Yamaguchi-gumi und Ichiwa-kai und fand in den 1980er-Jahren statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Yakuza ihren Höhepunkt von Macht und Reichtum in Japan erreicht. Die größte Bande, die Yamaguchi-gumi mit 800 Ortsgruppen, galt als das am besten organisierte Syndikat der Welt. Die Jahreseinnahmen aus illegalem Glücksspiel, Schutzgeld und Aktienhandel schätzten Experten damals auf 10 Milliarden Dollar.
    Der Krieg begann nach einem Attentat auf den Chef der Yamaguchi-gumi, Masahisa Takenaka. In den folgenden Jahren nach Ausbruch des internen Bandenkriegs starben bei mehr als 300 Gewalttaten, darunter viele Schießereien auf offener Straße, 25 Yakuza. 66 wurden schwer verletzt und 400 verhaftet, bis die Ichiwa-kai aufgab.
    Der "Yama-Ichi-Krieg" gilt als einer der blutigsten und gewalttätigsten Auseinandersetzungen in der Geschichte der Yakuza. Die urbane Gangsterschlacht epischer Brutalität ging in die Annalen der Unterwelt ein und lieferte den Stoff für viele Yakuza-Szenen auf der Kino-Leinwand.

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    Warum erlebten die Yakuza ihren Niedergang?

    40 Jahre nach diesem "Yama-Ichi-Krieg" hat die Yakuza massiv an Bedeutung verloren. Anfang der 1960er-Jahre gab es noch mehr als 180.000 Yakuza. Heute gehören den Banden nur noch 25.000 Mitglieder an. Die Yakuza-Welt schrumpft, viele Gangster sehen keine Zukunft und möchten aussteigen. Die neuen Mitglieder tätowieren sich nicht mehr, um nicht erkannt zu werden. Für den Niedergang sind laut dem Soziologen und Yakuza-Buchautor Wolfgang Herbert vor allem drei Faktoren verantwortlich: das Anti-Yakuza-Gesetz, das Ende des japanischen Wirtschaftswunders und die Digitalisierung.
    Der japanische Staat schränkte nach dem "Yama-Ichi-Krieg" mit einem neuen Gesetz und speziellen Verordnungen 1992 den Aktionsradius der Gangsterbanden stark ein. Dadurch wurden sie aus klassischen Geschäften wie Schutzgelderpressung und Drogenhandel gedrängt. Das Gesetz kündigte eine bis dahin geltende, stillschweigende Abmachung zwischen den Yakuza und der Justiz auf. Bis dahin galt: Solange die Yakuza nur untereinander morden, sich überfallen, drangsalieren und solange normale Bürger nicht zu Schaden kommen, erlaubt die Polizei ihnen, öffentlich präsent zu sein. Das Gesetz definiert die Yakuza nun als „gewalttätige Gruppen“, auf Japanisch "Bouryokudan". Dieser Begriff hat die Bezeichnung Yakuza in den Medien weitgehend ersetzt.
    Zugleich endete das japanische Wirtschaftswunder, der Kuchen schrumpfte, es gab weniger zu verteilen. Gleichzeitig verpassten die Yakuza den Anschluss an die Digitalisierung, was es neuen Formen der Kriminalität ermöglichte, sich zu etablieren, erklärt Soziologe Herbert im Dlf: "Die Yakuza, die an der Spitze stehen, die sind in einem Alter, in dem sie mit dem Internet schlecht klarkommen. Die sind 60, 70 Jahre alt, und sehr viel Kriminalität ist ins Internet abgewandert. Das gilt auch für traditionelle Domänen wie das Glückspiel oder die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt. Und selbst Drogen werden heute vor allem über das Netz gehandelt. Und da sind die Yakuza einfach nicht präsent genug."

    Welche Formen der Kriminalität haben die Yakuza abgelöst?

    Der Zusammenbruch der traditionellen Yakuza-Banden in Japan hat zu einem Wandel in der kriminellen Szene geführt. Junge, technisch versierte Kriminelle, bekannt als "Hangure" oder Halbgangster, sind jetzt vermehrt aktiv. Sie begehen eine Vielzahl illegaler Aktivitäten wie Raub, Einbrüche und Betrug.
    Ihre Anpassungsfähigkeit und die Vorteile des Internets ermöglichen es ihnen, der polizeilichen Aufmerksamkeit zu entgehen, da sie nicht den strengen Anti-Yakuza-Gesetzen unterliegen. Für die Hangure gilt zudem die alte Yakuza-Regel nicht mehr, dass „Normalbürger" möglichst verschont werden sollten: Nun sind Raubüberfälle, Einbrüche und Betrügereien wie der Enkeltrick am Telefon nicht mehr tabu, sondern gang und gäbe.
    Zudem bilden sich Hybridstrukturen: Die orthodoxen Yakuza-Banden setzen die neuen Halbgangster, die Hangure, für ihre Zwecke ein, lassen sie zum Beispiel Schutzgeld kassieren. Die Kriminalitätslandschaft in Japan hat sich somit verschoben - weg von den etablierten Yakuza-Banden hin zu diesen neuen, vielfältigeren Formen von Verbrechen.

    Martin Fritz, og