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Zehn Jahre nach Ende des Briefmonopols
Die gelbe Post im Wettbewerb

Vor zehn Jahren verlor die Post ihr letztes Monopol: den Briefversand. Da war das einstige Staatsunternehmen längst in Postdienst, Postbank und Telekom zerfallen. Inzwischen ist der Briefzusteller als Deutsche Post DHL Group ein Global Player im Bereich Post und Logistik.

Von Henning Hübert |
    An einer Straßenecke in Idstein (Hessen) steht ein Briefzustellerwagen der Deutschen Post.
    Auf einem Bein kann man nicht stehen: Daher kam erst die Aufteilung, dann die Privatisierung (pa/dpa/von Erichsen)
    "Mein Name ist Edgar Knispel, ich bin seit 35 Jahren bei der Deutschen Post als Verbundzusteller. Einer der letzten Beamten hier. Ich bin im ZSP Niederkassel und bin heut auf Zustellung."
    Der Mann, der die Briefe und Pakete bringt – und mehr:
    "Verbund ist halt: Briefe, Pakete, Zustellungsaufträge, Einschreiben. Was alles dazugehört."
    Dafür füllt er seinen gelben Lieferwagen mit sieben Boxen Briefpost und ungefähr 120 Paketen. Über einen Barcode scannt er sie ein - auf dem Zustellstützpunkt Niederkassel, gelegen auf der Grünen Wiese zwischen Köln und Bonn. Später wird er sein Handlesegerät an der Haustüre seinen Kunden hinhalten, damit diese mit ihrer Unterschrift die Auslieferung bestätigen. Die meisten Pakete, die Knispel transportiert, sind bedruckt mit den Firmenlogos von Online-Handelsriesen.
    In der Paket-Zustellbasis Groß Schwaß bei Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wartet am 16.12.2014 eine LKW-Ladung Pakete auf die Verteilung. 
    Vorweihnachts-Hochbetrieb beim Post-Paketdienst (dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck)
    "Ja ich hab hier angefangen bei der Deutschen Bundespost. Mittlerweile sind wir ja DHL beziehungsweise Deutsche Post AG. Bin einer der letzten Beamten dann hier. Postbetriebsassistent. Angefangen hab ich als Postjungbote. Hat sich schon alles schwer verändert. Ist alles viel, viel mehr geworden. Also Pakete, Briefe dazu – früher bin ich mit dem Rad rausgefahren, war einfacher. Seit dem Internet hat das ja schwer zugenommen, das Ganze. Heute ist das kompakter alles."
    Als Autorität in Uniform
    In dem Jahr, in dem Edgar Knispel bei der Bundespost anfing, hetzten die Briefträger noch nicht von Haustür zu Haustür, sondern schritten in ihrer Uniform als Autorität durch die Straßen. Zu dieser Zeit war im Kabinett Kohl Christian Schwarz-Schilling Bundespostminister. Heute lebt der 87jährige in Büdingen bei Frankfurt. Er erinnert sich an die Ausgangslage vor der Post-Privatisierung:
    "Die Gelbe Post war ein Kostgänger des Fernmeldewesens. Der Staat hat die Post benutzt als ein sehr gutes Vehikel, Geld zu bekommen pro Jahr und nicht umgekehrt. Aber das ganze Geld wurde bezahlt vom Fernmeldewesen. Und deswegen waren in Deutschland Telefongespräche auch irrsinnig teuer. Ich als Student - in den Jahren 51 bis 56 hab ich in München studiert – ich kann ihnen sagen, ich habe höchstens an einer Hand fünfmal mit meinen Eltern telefoniert, weil es einfach zu teuer ist. Ich sage: Ich komme dann und dann mit dem Zug an, habt ihr verstanden? Ja. Und dann hat man schnell wieder aufgelegt. Das war natürlich eine wortgetreue Wiedergabe der Telefonhäuschen: Fasse dich kurz! Das stand da ja ganz groß drauf."
    Alte gelbe Telefonzellen stehen hinter einem Briefkasten in Frankfurt/Main
    Sie werden auch immer weniger: Telefonzellen (AP)
    In den 1980er Jahren ging es unter Post-Minister Schwarz-Schilling erstmal darum, im Telefonnetz den ISDN-Standard zu etablieren. Dazu kam, dass die Drahtlos-Telefonie noch in klobigen Kinderschuhen steckte. Nur den Automobilfunk gab es da bereits:
    "Das war das so genannte B-Netz. Mit so einem riesen Ding: Da mussten sie einen ganzen Koffer mitnehmen mit Batterien und allem, um überhaupt telefonieren zu können. Das war also unser Stand damals vom Mobilfunk."
    Startschuss für das duale Rundfunksystem in Deutschland
    Lange vor dem Entstehen des Internets interessierte den CDU-Politiker aber ganz besonders ein anderes Netz, welches unter seine Zuständigkeit als Postminister fiel: Das Kabelnetz fürs Fernsehen. Verlegt wurde es nach langem Hin und Her durch einen Verbund von Handwerksbetrieben und Technikern der Bundespost. Los ging es erst 1984 mit dem Kabelpilotprojekt Ludwigshafen - der Startschuss für das duale Rundfunksystem in Deutschland.
    C-Netz Telefonkarte 
    Alte C-Netz Telefonkarte (imago stock&people)
    "Und das in einer Zeit, wo bereits in Benelux rund 70 Prozent der Haushalte verkabelt war. Wir hatten noch nicht einmal die Möglichkeit, dass man in Hamburg Bayern sehen kann und in Bayern den Norddeutschen Rundfunk sehen kann. Ausgeschlossen! Da gab’s ja den so genannten Kabelstopp von Helmut Schmidt. Der ja damals sagte, es wäre viel gescheiter, einen Tag in der Woche überhaupt kein Fernsehen zu haben. Warum wollte man das nicht haben? Und jetzt komme ich natürlich als Politiker: Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen war in dieser Zeit mit einer absoluten linken Schlagseite versehen."
    Auftrennung in Telekom, Postbank und Postdienst
    Das Kalkül der Union: Wenn man schon nicht Sendungen wie "Monitor" und "Panorama" beeinflussen kann, dann soll es zumindest Konkurrenz von außen geben: durchs Privatfernsehen, eingespeist in die Kabelnetze.
    Also wurde die Bundesrepublik aufgebuddelt, und es wurden von der Bundespost Kupferkabel verlegt. Die kosteten damals weniger als ein Drittel der Glasfaser.
    Die Frage war: Wie schafft man es, dass zukünftig auch privates Kapital in solch riesige Investitionen fließt? Nur durch die Privatisierung der Bundespost. Für Schwarz-Schilling war die erste Postreform, die Auftrennung in Telekom, Postbank und Postdienst, der richtige Weg:
    "Einen andern gab es nicht. Aber die Gewerkschaften haben natürlich bis zum Schluss alles getan, um das zu verhindern. Und deswegen war meine Reform damals glaub ich der vierte Versuch seit den fünfziger Jahren, eine Postreform hinzubekommen. Aber es war der erste Versuch, der gelungen ist."
    Eine Reform, die für den ehemaligen Leiter der Wirtschaftsredaktion im Deutschlandfunk, Klaus Harke, logisch war - als Konsequenz aus der Idee, einen europäischen Binnenmarkt zu etablieren:
    "Und zu einem europäischen Binnenmarkt gehört auch Postdienstleistungen und Telekommunikationsdienstleistungen zu liberalisieren. Und zu dieser Liberalisierung gehört eben auch, dass man diese entsprechenden Unternehmen privatisiert. Die konnten nicht länger in Staatsbesitz bleiben. Aber natürlich war Kohl dem aufgeschlossen, weil er ja auch die europäische Einigung wollte. Er wollte ja auch die Währungsreform. Und so wollte er auch den europäischen Binnenmarkt natürlich verwirklichen. Wenn Kohl es nicht gewollt hätte, dann wäre es sicherlich gescheitert. Oder zumindest verzögert worden."
    Ein Staatsunternehmen mit vielen Beamten?
    Im Jahr 1989 vollzog sich die Trennung zwischen betrieblichen und hoheitlichen Aufgaben der Bundespost - und die Spaltung in Telekom, Postbank und Postdienst. Die Frage war: Wer soll sie führen, die Gelbe Post, den bisherigen Kostgänger der anderen Sparten? Die Wahl fiel auf Klaus Zumwinkel, Topmanager aus Nürnberg, den Postminister Schwarz-Schilling holte. Klaus Harke:
    "Zumwinkel war vorher bei Quelle gewesen, war dort Chef. Und das war für ihn natürlich schon eine Überlegung: Soll ich das machen, ein Staatsunternehmen mit vielen Beamten? Krieg ich das hin, diesen Staatsapparat auf Vordermann zu bringen und als erfolgreichen Dienstleister zu etablieren? Zumwinkel hat diese Aufgabe dann aufgrund von Zureden von Schwarz-Schilling tatsächlich übernommen. Und die weitere Überlegung der Privatisierung der Post-Nachfolgeunternehmen, der Anstoß kam 1991 dann sogar von einem SPD-Politiker, Arne Börnsen. Schwarz-Schilling hat nicht lange gezappelt oder überlegt, sondern das sofort aufgegriffen."
    Es wird noch Jahre dauern, bis aus dem Postdienst der Deutschen Bundespost eine Deutsche Post AG wird, die an die Börse geht - im Jahr 2000, mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 23 Milliarden Euro. Zumwinkel reizte 1990 die unternehmerische Aufgabe. Und er pokerte zu Beginn beim Gehalt nicht zu hoch.
    Ex-Postchef Klaus Zumwinkel vor dem Landgericht Bochum
    Ex-Postchef Klaus Zumwinkel vor dem Landgericht Bochum (AP)
    "Das war auch sehr angenehm für mich. Denn jetzt überzeugen sie erst einmal die Politiker, dass sie Vorstandsvorsitzende besorgen, die etwa das Fünffache verdienen gegenüber dem, was der beamtete Staatssekretär oder so etwas verdient hat", so Christian Schwarz-Schilling.
    "Dann wurden eben die Post-Nachfolgeunternehmen privatisiert. Es gab viel Widerstände der Gewerkschaften und auch in der SPD. Es musste ja auch eine Verfassungsänderung her. 1992 schließlich hat dann eine Bundestagsarbeitsgruppe das Eckpunktepapier zur Postreform II verfasst", so Klaus Harke.
    Privatisierter Staatsbesitz
    Die kam 1995. Es entstand ein bemerkenswerter Zustand: Nach dem Postneuordnungsgesetz war die Post zwar privatisiert, befand sich aber noch immer in Staatsbesitz, weiter mit Klaus Zumwinkel an der Spitze. Insgesamt 18 Jahre lang war er Postchef -bis zu seinem harten Abgang 2008. In seinem Prozess wegen Steuerhinterziehung wurde er zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Danach sorgte noch einmal eine Reisen-Summe für Empörung: 2009 wurde bekannt, dass die Deutsche Post ihm auf einen Schlag seine kompletten Pensionsansprüche ausgezahlt hatte. 20 Millionen Euro wies der Geschäftsbericht dafür aus. Geld, das Zumwinkel nun im Ausland ausgibt. Deutschland hat er den Rücken gekehrt.
    Im Gesamt-Rückblick steht Ex-Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling zu seiner Personalentscheidung:
    "Das ist das entscheidende: gute Leute. Der Zumwinkel war ein erstklassiger Mann, da kann man also reden was man will. Der hat bereits im Jahr 1994 den gesamten gelben Postdienst in die positiven Zahlen gebracht. War für keinen überhaupt denkbar."
    Christian Schwarz-Schilling, ehemaliger Bundespostminister
    Christian Schwarz-Schilling: ehemaliger Bundespostminister (imago stock&people)
    Weil es bis zu den Postreformen quasi Gesetz war, dass die Einnahmen aus dem Fernmeldewesen die Brief- und Paketdienste querfinanzierten.
    "Und er hat den Beweis gebracht, dass es tatsächlich möglich ist mit Klugheit, unternehmerischer Weitsicht und sofort."
    Dass die Deutsche Bundespost unter Klaus Zumwinkel privatisiert und umgewandelt wurde in die Deutsche Post AG, sieht man seit April 1995 auch auf den deutschen Briefmarken. Darauf weist Andreas Hahn hin, Leiter des Archivs für Philatelie Bonn bei der Museumsstiftung Post und Telekommunikation:
    "Da steht jetzt einfach nur noch Deutschland drauf. Erst die Wiedervereinigung, dann die Privatisierung der Deutschen Post – das ist natürlich schon eine Änderung. Heute ist offiziell verantwortlich für die Herausgabe der Postwertzeichen das Bundesfinanzministerium. Statt damals eben das Bundespostministerium. Diese Aufgabe ist also übergegangen. Technisch und von der Abwicklung her ist es aber die Deutsche Post AG, die den ganzen Prozess steuert und betreut."
    Einstieg beim US-Expressunternehmen DHL International
    Von 1995 bis 2007 war sie weiterhin Monopolist auf dem Briefmarkt. Die garantierten Einnahmen aus diesem Bereich halfen mit beim Expansionskurs. International gab es mehr als 150 Akquisitionen, viele auf Kredit. Die berühmteste: Der schrittweise Einstieg beim US-Expressunternehmen DHL International ab 1998, dem damals weltweiten Marktführer für internationale Kuriersendungen. Der Börsengang im Jahr 2000 schließlich spülte Milliarden in die Kasse – nicht in die des Konzerns, sondern in die der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Post-Vorstandschef Klaus Zumwinkel bilanzierte damals:
    "Der Ergebnisbeitrag des Unternehmensbereichs Brief ist zwar nach wie vor signifikant, die anderen Unternehmensbereiche haben ihre Ergebnisse jedoch kontinuierlich gesteigert."
    Erst auf Nachfrage nannte Zumwinkel anlässlich des Börsengangs genauere Zahlen: Das monopolisierte Briefgeschäft trug damals, im ersten Halbjahr 2000, nur zu 35 Prozent zum Umsatz, aber zu 77 Prozent zum Ergebnis bei. Die Deutsche Post lebte also damals noch ganz überwiegend vom Briefmonopol. Sein Ende wurde mehrfach hinausgezögert, warf der Briefbereich doch gute Gewinne ab. Letztlich sollte es erst am 31. Dezember 2007 auslaufen.
    Als Universaldienstleister muss die Post eine Komplettversorgung anbieten. Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Das führte und führt zu Querelen, etwa der Frage, wie groß die maximalen Abstände zwischen den Briefkästen sein dürfen. Dass mit dem 31. Dezember 2007 das letzte Monopol der Deutschen Post fiel – der Transport von Privatbriefen unter 50 Gramm, war da verkraftbar: Es gab mit dem aufblühenden Online-Handel attraktiveres, als bloß Briefe zu transportieren. Für Andreas Hahn schloss sich damit ein Kapitel, das im Jahr 1900 mit der Herausgabe der Germania-Briefmarken der Deutschen Reichspost begonnen hatte. Doch auch nach dem Ende des Briefmonopols hat es die Konkurrenz schwer.
    Briefwahlunterlagen im Schweriner Stadthaus für die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4.9.2016
    Die Briefwahl ist eine immer beliebter werdende Wahlmethode (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    "Manches große Unternehmen hat versucht, da wirtschaftlich ein Bein rein zu bekommen. Hat viel Geld investiert. Aber viele dieser Privatpostanstalten, die es damals, jetzt vor wenigen Jahren, neu gab, existieren heute nicht mehr. Und es ist offensichtlich nicht so leicht, da der Post, der Deutschen Post AG mit ihrer Jahrhunderte langen Erfahrung Paroli zu bieten."
    Das lag auch am Wählerverhalten bei der Bundestagswahl
    Der inzwischen weltweit führende Post- und Logistikkonzern meldet seit zwei Jahren in Folge Rekorde beim operativen Konzerngewinn. Für 2017 rechnet er mit einem Plus von 3,75 Milliarden Euro. Und hält an seiner Prognose fest, bis 2020 den operativen Gewinn im Schnitt um 8 Prozent zu steigern. Zu diesem Wachstum haben alle Unternehmensbereiche beigetragen, diesmal sogar die Briefsparte. Das lag auch am Wählerverhalten bei der Bundestagswahl: Weil mehr als 13 Millionen Wahlberechtigte nicht mehr selber zur Wahlurne gingen, sondern die Briefwahl bevorzugten, hatte die Post auch in diesem Bereich kräftig zu tun. Besonders dynamisch entwickelten sich zuletzt jedoch erneut die Bereiche DHL Express sowie das deutsche und das internationale Paket- und eCommerce-Geschäft. Zumwinkel-Nachfolger Frank Appel, seit dem Konsolidierungsjahr 2008 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Post DHL, zählt auf seinen Quartalsbilanz-Pressekonferenzen immer wieder Innovationen seines Konzerns auf. Angefangen bei der Netzwerkplanung mit Big Data bis zu den Mehrweg-Multiboxen, in denen die Paketboten frische Nahrungsmittel anliefern. Frank Appel in diesem November:
    "Nachhaltige Zustellung mit unserm StreetScooter, den Sie gut kennen. Jetzt haben wir den ersten Piloten auch, die Automatisierung der letzten Meile mit dem PostBOT, wo eben dieses Fahrzeug, dieses Zustellgerät, hinter dem Zusteller herfährt autonom. Wir haben Empfängerlösungen, Kofferraumzustellung. Wir hatten jetzt einen Piloten getestet: Konsolidierung von Sendungen von jedem Logistikunternehmen bei uns und wir machen nur die letzte Meile. Und wir machen eben die Erschließung neuer Geschäftsfelder wie eben den Lebensmittel-Market-Platz, den wir betreiben und wo wir ja auch Partner von andern Spielern, oder andern Teilnehmern sind bei der Zustellung von Lebensmitteln."
    Jürgen Gerdes, Konzernvorstand Post, Postzustellerin Cindy Rexrodt und Bürgermeister Thomas Fehling (parteilos) präsentieren am 04.10.2017 in Bad Hersfeld (Hessen) einen Zustell-Roboter "PostBOT" für Briefträger.
    Die Deutsche Post testet erstmals in der Briefzustellung einen Zustell-Roboter mit dem Namen "PostBOT" (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Zurück zum Zustellstützpunkt Niederkassel. Während Edgar Knispel die Pakete in seinen Wagen lädt, hängt dieser noch an der Steckdose. Er fährt einen von 5000 StreetScootern der Post – sie machen heute gut 5 Prozent der Fahrzeugflotte aus: reine Elektro-Transporter, die tagsüber eine Reichweite von 80 bis 200 Kilometern haben und nachts ihre Batterien volladen. Achim Gahr, Pressesprecher der Deutschen Post, weist nicht ohne Stolz darauf hin, dass das Unternehmen inzwischen unter die Autobauer gegangen ist, um seine Ökobilanz zu verbessern. Zu weit über 90 Prozent nutzt der Konzern in Deutschland Ökostrom.
    "Wir sagen nicht Auto dazu, wir nennen es Werkzeug"
    "Wir bauen die StreetScooter momentan noch in Aachen. Weil die Nachfrage sowohl bei uns intern als aber auch schon mittlerweile von Drittkunden so groß ist, werden wir jetzt in Düren ein weiteres Werk aufbauen. Das besondere an dem StreetScooter ist, erstens: Die Deutsche Post baut selbst Autos, was kaum jemand weiß. Das Zweite, noch besondere daran ist, dass diese Autos konzipiert worden sind mit unsern Zustellern. Wir sagen nicht Auto dazu, wir nennen es Werkzeug."
    Das Elektrofahrzeug "Work" des Herstellers Streetscooter für die Deutsche Post
    Ein Streetscooter der Deutschen Post (dpa / picture-alliance / Jan Woitas)
    Ausgestattet mit Sitzheizung, glatter Ladefläche und Schiebetüren – sowie – Referenz ans Pferdekutschenzeitalter – dem Posthorn - als Automarken-Symbol vorne an der Motorhaube. Inzwischen kaufen Kommunen diese etwas klobigen StreetScooter mit E-Kennzeichen bei der Post, und auch Handwerksbetriebe wie Bäckereien und Gärtnereien. Sie zahlen ungefähr 30.000 Euro für so einen nahezu verschleiß- und wartungsfreien Transporter und sind damit ein neuer Kundenkreis für den Konzern. Neben dem klassischen Kunden, der auf sein Paket wartet:
    "Mittlerweile gibt es einen ganzen bunten Strauß an Dingen, die wir dem Empfängerkunden bieten: Wunschzustellung, Wunschzustelltag, Wunschnachbar, Wunschfiliale. Er kann sogar im Internet sein Paket noch steuern. Also viele Dinge machen es dem Empfängerkunden viel leichter, sein Paket zu bekommen. Was dazu führt, dass der Paketmarkt in Deutschland wächst und wir sehen uns als DHL da als der Innovationstreiber schlechthin. Nicht nur wegen der StreetScooter, sondern auch wegen der andern Dienstleistungen, die wir anbieten", so Achim Gahr.
    Geliefert werden diese Pakete von der grünen Wiese aus – keines der 34 Paketzentren steht mehr in den Innenstädten. Statt der Nähe zu den Bahnhöfen zählt heute für DHL – Stau hin oder her - ein guter Autobahnanschluss. In vielen Heckscheiben der Postautos hängt dauerhaft das Schild: Kollege gesucht! Der tarifliche Stundenlohn beginnt bei 10 Euro 75. Alteingesessene bekommen deutlich mehr als 20 Euro die Stunde. Die täglich zu verteilenden Pakete summieren sich inzwischen auf knapp 4 Millionen an Normal-Tagen, in der Weihnachtszeit waren es an die 8,5 Millionen. Generell rückläufig ist hingegen die Zahl der verteilten Briefe: Täglich 59 Millionen waren es vergangenes Jahr, nach noch 70 Millionen in der Endphase des Briefmonopols vor zehn Jahren.
    Immer noch genug zu tun
    Und wenn der letzte Brief, das letzte Paket des Tages ausgetragen wurde? Dann bleibt für Postbetriebsassistent Edgar Knispel immer noch genug zu tun:
    "Dann wird sich angeschnallt, zurück zum Postamt gefahren. Wenn das letzte Paket zugestellt ist, dann ist ja noch nicht Feierabend. Müssen ja erst die, die eventuell benachrichtigt wurden, an die Filiale übergeben werden. Ist immer noch was zu tun. Und die Pakete werden auch immer größer."
    So genau hat Edgar Knispel noch gar nicht im Kopf, wann er in Pension gehen wird. Für uns hat er nachgerechnet: im Jahr 2032 wird das sein. Dann hat der Beamte 50 Jahre lang Briefe und Pakete ausgetragen und ausgefahren – für Bundespost, Deutsche Post und die DHL Group. Mit und ohne Monopol.