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Zukünftige Koalition an der Saar "ist noch lange nicht entschieden"

Der Kurs, den SPD und CDU im Saarland gehen wollen, bedeute Kürzungen im Schul- und Sozialbereich, sagt Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei im saarländischen Landtag. Viele Anhänger und Mitglieder der Saar-SPD seien daher nicht begeistert, Wahlkampf für eine Große Koalition zu führen.

Oskar Lafontaine im Gespräch mit Christoph Heinemann | 20.01.2012
    Christoph Heinemann: Das neue Jahr beginnt, wie das alte angefangen hat, mit einer überraschenden Neuwahl: damals Hamburg, diesmal im Saarland – möglicherweise am 25. März. Nach der Jamaika-Koalition, dem Bündnis von CDU, FDP und Grünen, konnten sich gestern auch CDU und SPD nicht auf die Große Koalition einigen, die vielleicht aber doch noch an der Saar regieren wird, nach der Wahl nämlich. – Am Telefon ist jetzt Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei im Saarland, vor vielen Jahren SPD-Vorsitzender übrigens. Guten Morgen!

    Oskar Lafontaine: Guten Morgen.

    Heinemann: Herr Lafontaine, SPD-Chef Heiko Maas hat eine Zusammenarbeit mit Ihnen, mit der Linkspartei ausgeschlossen. Bereiten Sie sich auf weitere Oppositionsjahre in Saarbrücken vor?

    Lafontaine: Wir haben keine Probleme mit der Opposition, aber die Frage, ob wir nicht doch nach der Landtagswahl eine Regierung bilden, ist noch lange nicht entschieden. Denn es ist nun einmal so, dass der Kurs, den die CDU mit der SPD gehen will - der hieße weitere Kürzungen im Schulbereich, weitere Kürzungen im Sozialbereich -, dieser Kurs ist noch lange nicht populär in der Anhängerschaft der SPD, aber auch nicht bei den Mitgliedern der Saar-SPD. Und nach meinen Erfahrungen – Sie haben ja darauf hingewiesen – ist die Saar-SPD nicht gerade begeistert, einen beherzten Wahlkampf für eine Große Koalition zu führen. Also: Die Dinge sind noch lange nicht entschieden.

    Heinemann: Sie hoffen, dass Herr Maas noch umfallen wird?

    Lafontaine: Es geht nicht um Umfallen; es geht darum, dass die SPD sich an dem orientiert, was sie in den letzten Jahren gesagt hat. Sie hat gesagt, sie will den Agenda-Kurs verlassen, sie möchte nicht die Finanzkrise, die wir jetzt haben, auf dem Rücken der Beschäftigten austragen. Das sehen wir ja in ganz Europa. Das heißt, die entscheidende Frage ist: Wir haben einen anderen Weg aufgezeigt, wir brauchen eine andere Steuer- und Abgabestruktur auf Bundesebene, die könnte man jetzt über den Bundesrat durchsetzen, da ja SPD und Grüne dort entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten haben, und entscheidend ist die Einführung der Vermögenssteuer. Es kann nicht sein, dass das Geld, das im Wesentlichen über den Finanzsektor verspielt worden ist, jetzt auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Rentner wieder eingetrieben wird.

    Heinemann: Welche Kröte wären Sie bereit zu schlucken? Stichwort zum Beispiel Schuldenbremse.

    Lafontaine: Ja. Die Schuldenbremse hat ja zwei Möglichkeiten, wenn man sie einhalten will. Einmal: Man lässt es beim jetzigen Einnahmen-Niveau, man tut also nichts, und dafür wird eben weiter gekürzt im Schulbereich und im Sozialbereich. Der andere Ausweg ist der, den wir vorschlagen, über die Vermögenssteuer, über die Transaktionssteuer, die Börsenumsatzsteuer und so weiter die Einnahmen des Staates zu verbessern. Und wenn jetzt selbst die CDU Vorschläge der Linken übernommen hat bei der Börsenumsatzsteuer, bei der Transaktionssteuer und bei einem höheren Spitzensteuersatz, zumindest hier an der Saar, dann müsste die SPD so mutig sein, ernsthaft eine andere Steuerstruktur im Bundesrat durchzusetzen. Wir haben das jetzt mit der Saar-SPD ...

    Heinemann: Wir waren jetzt bei den Kröten, die Sie schlucken sollten, Herr Lafontaine. Entschuldigung! Also Schuldenbremse ja oder nein?

    Lafontaine: Schuldenbremse ja, selbstverständlich. Das Problem ist ja nur, dass viele Diskussionsteilnehmer unter Schuldenbremse nur Ausgabenkürzungen verstehen. Das ist eine wirklich verheerende Folge, die der Neoliberalismus mit seinen Irrungen angerichtet hat. Man kann auch die Einnahmen verbessern und so die Schuldenbremse einhalten.

    Heinemann: Herr Lafontaine, wollen Sie nach Berlin, oder möchten Sie im Saarland bleiben?

    Lafontaine: Wir reden jetzt über die saarländische Landtagswahl. Meine Entscheidung ist klar: Ich werde mit viel Freude diesen Landtagswahlkampf führen.

    Heinemann: Streben Sie in der Partei oder in der Bundestagsfraktion den Vorsitz an?

    Lafontaine: Diese Entscheidung steht überhaupt nicht an und ich habe dafür geworben, in meiner Partei nicht über Personalentscheidungen zu quatschen, die gar nicht anstehen, und daran halte ich mich selbstverständlich.

    Heinemann: Schließen Sie das denn aus, dass Sie Linkspartei-Vorsitzender werden?

    Lafontaine: Sie können es versuchen wie Sie wollen, das nützt überhaupt nichts. Wir haben eine klare Vereinbarung. Wir wollen darüber reden, was die Partei Die Linke zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Deutschland beizutragen hat. Wir haben den entscheidenden Vorschlag, um die Finanzkrise zu lösen, der heißt: Die Europäische Zentralbank muss direkt Kredite an die Staaten vergeben, statt über die Geschäftsbanken. Wir haben ja ein verrücktes Geldsystem, das darin besteht, dass der Staat Geld druckt – ich sage es mal verkürzt – und gibt das für ein Prozent an die Geschäftsbanken, und die geben es dem Staat wieder für sieben Prozent oder mehr zurück. Dieses verrückte Geldsystem muss durchbrochen werden, und darüber muss die Linkspartei reden und muss dafür werben.

    Heinemann: Fragt sich nur, wer die Gesichter und wer die Münder sind, die das tun. Sollten die Linkspartei-Vorsitzenden Lötzsch und Ernst während des Wahlkampfs besser in Berlin bleiben? Die sind ja nicht besonders populär.

    Lafontaine: Sie können es noch so oft versuchen, Sie werden es wie gesagt nicht schaffen. Wir reden über politische Inhalte, und politische Inhalte sind das, was unsere Wählerinnen und Wähler interessieren. Das ist meine Erfahrung. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht.

    Heinemann: Wir sprachen jetzt über die Parteivorsitzenden, die nicht besonders beliebt sind, und die Frage lautete, ob die für Sie im Wahlkampf eine Unterstützung sind, oder eher ein Klotz am Bein.

    Lafontaine: Ich habe die Frage sehr wohl verstanden, aber auch die Absicht, die dahinter steckt, und die Antwort habe ich Ihnen gegeben.

    Heinemann: Welche Rolle wird Ihr Privatleben im Wahlkampf spielen?

    Lafontaine: Es wird ja noch dreister! Das wird überhaupt keine Rolle spielen. Wir reden im Wahlkampf über politische Inhalte hier an der Saar, und ich würde Sie bitten, das zu respektieren.

    Heinemann: Das tun wir natürlich. Aber genau Sie wissen als alter Profi, dass natürlich darüber geschrieben oder getratscht werden wird und jeder Auftritt von Sahra Wagenknecht wird genau verfolgt werden.

    Lafontaine: Ja, Sie haben recht: Es wird darüber getratscht. Aber auch an Tratsch beteilige ich mich nicht gern.

    Heinemann: Was schwebt Ihnen denn politisch genau für das Saarland vor?

    Lafontaine: Wir haben eine andere Richtung vorgegeben. Wir brauchen hier an der Saar bessere Schulen. Das ist auch erklärte Absicht der SPD. Wir haben zu hohe Klassenfrequenzen. Wenn man solche Ziele verfolgt, dass man die Klassenfrequenzen verbessert - das ist ja im Interesse unserer Kinder -, muss man natürlich die Frage beantworten, wie das bezahlt werden kann. Wir haben diese Frage jetzt gerade diskutiert und ich habe Ihnen die Antwort gegeben.
    Der zweite entscheidende Punkt ist, dass wir an der Saar anfangen wollen, die Belegschaft an ihren Betrieben zu beteiligen. Das geht auf folgendem Wege: Es gibt hier Fördergebiete, bei denen werden Steuergelder in Industrieansiedlungen und in Industrieerweiterungen und so weiter investiert. Diese Steuergelder wollen wir zukünftig daran knüpfen, dass die Belegschaften beteiligt werden, denn es hat keinen Sinn, etwa Hedgefonds, also Heuschrecken, mit solchen Steuergeldern auszustatten, wenn sie einzelne Betriebe übernehmen. Das ist ein zweiter, ganz entscheidender Punkt.
    Der dritte Punkt ist: Wir wollen den Sparkassensektor hier an der Saar neu ordnen. Die Sparkassen haben ja, wenn man so will, ihren öffentlich-rechtlichen Status etwas eingebüßt. Sie können auch nach dem jetzigen Gesetz mit Giftpapieren handeln. Sie erheben zu hohe Zinsen, auch Wucherzinsen, etwa wenn jemand mal ein Konto überzogen hat. Das sind dann 12 bis 18 Prozent. Diesen Sektor wollen wir neu ordnen. Das kann die Landespolitik, indem sie das Sparkassengesetz ändert. – Das sind beispielsweise drei wichtige Punkte, die wir hier an der Saar ändern wollen.

    Heinemann: Ganz kurz: Rechnen Sie mit dem Wahltermin 25. März?

    Lafontaine: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Das muss sich jetzt zeigen, wie im Landtag die einzelnen Entscheidungen getroffen werden. Da gibt es Fristen, die eingehalten werden müssen. Wir sind mit jedem Wahltermin glücklich.

    Heinemann: Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei im Saarland. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Lafontaine: Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.