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Zum Tod von Robert Frank
Beatniks, Hippies, kleine Leute

Wie kein anderer hat Robert Frank die USA nach dem Zweiten Weltkrieg in Film und Fotografie porträtiert. Seine Bildsprache war radikal neu. "You got eyes", urteilte Beatnik Jack Kerouac über ihn. Nun ist Robert Frank im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von Beatrix Novy |
Der Schweizer Fotograf und Filmemacher Robert Frank ist gestorben
Der Fotograf Robert Frank ist tot (Keystone Niklaus Stauss)
Ob man sich Robert Frank als einen glücklichen Menschen vorstellen darf? Das wusste nur er selbst. Obwohl er in seinem Werk viel über sich selbst mitteilte. In einigen seiner weniger verrätselten Botschaften ging es um die Tragödie des Elternseins schlechthin: um den Tod der eigenen Kinder. "Für meine Tochter Andrea, die bei einem Flugzeugunglück starb", schrieb er in eine Collage - ein Schnappschuss von der 21-Jährigen, Ansichten des gemeinsamen Wohnhauses, vor das sich unförmige Schatten drängen wie ausgegossene Tinte, und blinde Felder, Zeichen der Auslöschung.
Das war 1975. 20 Jahre später sollte Robert Frank auch seinen psychisch kranken Sohn Pablo verlieren. "The suffering, the silence of Pablo", das Leiden und Schweigen des jungen Mannes fasste er in ein Stilleben: Ein Stuhl vorm Fenster, auf einer verhüllten Kiste zwei Gummifische, alles in einem nebligen Grau, wie es Frank schon in seinen frühen Berufsjahren entdeckt hatte, als Mittel gegen zuviel Schönheit.
Das Widersprüchliche, die Kontraste interessierten ihn
Mit dem Einfangen gängiger Schönheit für Magazine wie Harper's Bazaar war die amerikanische Karriere des jungen Einwanderers gut angelaufen. Als Robert Frank war er, Kind eines Frankfurter Geschäftsmanns, 1924 in der Schweiz zur Welt gekommen. Schweizer durfte er aber erst 21 Jahre später werden. Seit Hitlers Machtantritt hatte seine deutsch-jüdische Familie, von den Nazis der Staatsbürgerschaft beraubt, im ungewissen Zustand der Staatenlosigkeit gelebt. Einer landestypischen Qualitäts-Ausbildung in Fotografie stand das immerhin nicht im Wege.
1947 wurde es Robert Frank in der Schweiz zu eng, er ging in die USA. Doch sein solider Erfolg dort als Mode- und Illustriertenfotograf reichte ihm auf Dauer nicht. "Ich wollte frei sein und das so machen, wie ich es sehe, ich wollte nicht für eine Revue arbeiten.", so Frank.
Das Widersprüchliche, die Kontraste interessierten ihn mehr, wo immer er sie entdeckte. Er reiste viel herum. Paris in den frühen 1950er-Jahren, das war für ihn der Straßenhändler, der hechelnd seinen Handwagen zieht, und daneben ein pompöses seidenbespanntes Hinterteil unter einer Nerzstola. In London, bei den Treffpunkten der Reichen, nahm er hier zylinderbehütete Herren, dort ihre Chauffeure vor nebelverhangenen Limousinen auf. Um jeden denkbaren Grauton zu erwischen, fotografierte er erst spätnachmittags oder abends. In Wales blickte er nicht von außen auf das Leben der Minenarbeiter - ein beliebtes Motiv sozialkritischer Dokumentaristen - sondern begleitete einen von ihnen. Hier wie später lieferte Frank keinen dokumentarischen Ablauf, keine Erzählung von gesellschaftlichen Umbrüchen. Er hielt Beiläufiges fest, ließ Komposition und perfekte Ausleuchtung sausen für den Augenblick. Das nahe Herangehen, das unbekümmerte Drauflosknipsen dokumentierte er, der später Filme machen sollte, immer wieder mit Kontaktstreifen.
Radikale und einflussreiche Bildsprache
Franks radikale, später ungeheuer einflussreiche Bildsprache wurde von großen Illustrierten wie "Life" nicht übermäßig geschätzt. Und auch sein berühmtestes Werk stieß in den USA keineswegs auf spontane Begeisterung: das Fotobuch "The Americans". 83 Bilder, destilliert aus Zehntausenden, mit einem Vorwort von Jack Kerouac. "Die Idee ist entstanden, ‚when I applied for Guggenheim‘, für ein Stipendium. Ich sagte mir: Ich will durch das Land reisen, will mir das ansehen, und so habe ich das Land erlebt: als Europäer."
Das war 1955. Zwei Jahre lang durfte Frank den Blick auf das All-Amerikanische richten, in Kleinstädten, wo es öfter unerfreuliche Begegnungen mit feindseligen Bewohnern und Ortssheriffs gab, in Fabriken, Diners, Fahrstühlen, an Stränden und Highways, in Straßenschluchten und Wüsten. Das Ergebnis entsetzte viele: Gesichter, die aus Autofenstern hängen und von der traurigen Seite der Konsumkultur erzählen; Politiker bei einer Freiluft-Veranstaltung, die auch von Martin Scorsese erfunden sein könnten; die Straßenbahn in New Orleans mit ihren nach weiß und schwarz getrennten Abteilen; die Stars-and-Stripes-Flagge bei einer Parade, die ironischerweise vor die Köpfe patriotischer Zuschauer weht.
Und doch: "The Americans" setzte sich durch, denn Franks skeptische und mitfühlende Perspektive wurde von mehr und mehr Menschen geteilt. Er und seine Weggefährten gehörten zum großen Strom der Beatnik- und Hippie-Aufbruchbewegungen der 1960er-Jahre; die Selbstfindung durch Rückzug ins ländliche Kanada, der zeitweilige Abschied vom Fotografieren gehörten für Frank dazu. Der Künstler ging zum Filmen über, kehrte zu einer nunmehr filmgeprägten Fotografie zurück. Seine Polaroid-Experimente, seine Subjektivität, sein spontanes Herangehen an Dinge und Menschen könnte man als eine Art Vorgriff auf die Massenknipserei des Handy-Zeitalters verstehen. Aber das wäre ein leichtfertiger Vergleich. Robert Franks Bilder gehen nämlich ans Herz.