
Mit Blick auf die Frage, wie normal Rechtssein dort sei, erklärte der Soziologe Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal im Deutschlandfunk, die Lage sei unterschiedlich. In manchen ländlichen Gebieten gebe es regelrechte Hegemonien, sodass sich nicht-rechtsextreme Leute verstecken müssten. Es gebe Fälle, in denen sich Lehrer nicht mehr zur Arbeit trauten. Drohungen von jungen Menschen und teilweise von ihren Eltern seien "ein wirklich großes Problem, das sich hier Bahn bricht".
Der Vorsitzende des Kreisschülerrates im brandenburgischen Teltow-Fläming, Colin Schlegel, berichtete von Hitlergrüßen, rechtsextremen Schmierereien und anderem. Der Märkischen Allgemeinen sagte er, die Täter schüchterten mit solchem Verhalten andere Menschen ein oder grenzten sie aus.
Auch in urbanen Milieus wird das Problem Rechtsextremismus an Schulen größer
Auch der Sprecher des Landesschülerrates Brandenburg, Stefan Tarnow, berichtete im Deutschlandfunk von solchen Vorfällen. In Südbrandenburg sei das leider Realität, nicht nur im ländlichen Raum. So sei etwa ein Hitlerplakat vor einem Lehrerzimmer angebracht worden. Lehrer hätten in solchen Situationen oft Angst, von rechtsextremen Eltern angegriffen zu werden. Er habe nicht immer das Gefühl, dass die Schulleitungen die Lehrkräfte ausreichend unterstützten.
Auch in urbanen Milieus wird wahrgenommen, dass sich bei den Einstellungen von Schülern etwas verändert. Matthias Quent betonte, dort gebe es allerdings immer auch noch Gegenstimmen und andere Möglichkeiten. So könne man sich nach der Schule an Treffpunkte begeben, die nicht rechts dominiert seien. Das sei etwas anderes, als wenn man keine Wahl mehr habe. Der Wissenschaftler sprach von einer massiven quantitativen und qualitativen Radikalisierung im rechten Bereich.
Rassistisch aufgeladene Untergangsszenarien verfangen besonders bei bestimmten Personen
Quent sieht die Entwicklungen unter Schülern als ein Abbild gesellschaftlicher Verhältnisse. Bestimmte Milieus nähmen sich demnach als abgehängt wahr. Manche Menschen suchten dann nach Aufwertung über Erzählungen wie: Man werde unterdrückt, Deutschland sei bedroht, man dürfe nichts mehr sagen, alles gehe den Bach runter, das Land werde überfremdet oder islamisiert.
Diese "rassistisch aufgeladenen Untergangsszenarien" verfangen laut Quent besonders bei bestimmten Personen. Er beschreibt sie als solche, die sich mit einfachen Botschaften leichter identifizieren können. Diese leichtere Identifizierung komme unter anderem wegen fehlender Möglichkeiten zustande, sich in ihrem sozialen Umfeld darüber auszutauschen.
Mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle von Jugendlichen aufgedeckt
Das wiederum liege daran, dass sich Eltern durch Jobbelastung, aus inhaltlicher Zustimmung oder angesichts eigener Probleme zu wenig mit der Radikalisierung ihrer Kinder nach rechts auseinandersetzten. Und dass es an sozialer Arbeit fehle und Lehrer mit den multiplen Entwicklungen und Belastungen der Gegenwart überfordert seien. Der beschriebene Prozess "verdichte sich" bei jenen in der Gesellschaft, die es sowieso schon besonders schwer hätten, führte Quent aus.
Soziale Medien spielten dabei zwar eine wichtige Rolle. Zugleich schränkte er aber auch ein, letztlich medialisierten sie nur gesellschaftliche Konflikte, die man derzeit austrage. Dass nach der jüngsten Razzia Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren in Untersuchungshaft genommen wurden, sei zwar krass, aber es sei ein Stück weit repräsentativ für das, was man in der Gesellschaft derzeit sehe.
BKA-Präsident Münch: Jugendliche radikalisierten sich seit einem Jahr vermehrt
Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Münch, warnte vor einem Anwachsen krimineller Jugendgruppen. Seit etwa einem Jahr sehe man vermehrt, dass sich sehr junge Menschen weiter radikalisierten, sagte er den Funke Medien.
Die Geschäftsführerin vom Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern, Ina Bösefeldt, zufolge ist es zu einer großen Normalisierung rechtsextremer Haltungen gekommen. Die Politik habe Jugendbildung nicht priorisiert, sagte sie im Deutschlandfunk Kultur. Man traue der Jugendbildung nicht die Kraft zu, die sie ihr zutraue. Demokratiebildung müsse mehr sein als Wissensvermittlung. Es mangele jedoch an Räumen, Zeit und Personal.
Abimotto im NS-Jargon, Flyer der Identitären Bewegung an Schulen verteilt
Der Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbands Deutschland, Sven Winkler, betonte, es sei absolut nötig, dass sich Schulleitungen klar positionierten und den Lehrkräften den Rücken stärkten. Man sei in diesem Beruf per Eid verpflichtet, die Demokratie zu schützen, sagte er ebenfalls im Deutschlandfunk.
Zuletzt verursachte ein Fall aus Gießen bundesweite Debatten. Anfang der Woche war bekannt geworden, dass der 12. Jahrgang eines Gymnasiums online auf einem Portal Motto-Ideen gesammelt hatte. Dabei kamen teilweise antisemitische, rassistische und diskriminierende Vorschläge zusammen. Darunter war die Formulierung: NSDABI – Verbrennt den Duden; eine Anspielung auf Hitlers "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)" und die Bücherverbrennungen der Nazis. Schule und Schüler verurteilten die Aktion und distanzierten sich. Darüber hinaus wurden in jüngster Vergangenheit zum Beipsiel .
Diese Nachricht wurde am 24.05.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.