Sandra Schulz: Telefonisch ist mir jetzt der frühere Spitzenschwimmer Folkert Meeuw zugeschaltet, 1970 Vize-Europameister über 200 Meter Delphin und für das deutsche Team bei den Olympischen Spielen 1972 auf dem Startblock. Guten Morgen!
Folkert Meeuw: Guten Morgen!
Schulz: Herr Meeuw, Ihr Sohn Helge hat in Rom über 100 Meter Rücken vorgestern Silber geholt. In einer ganz normalen Badehose?
Meeuw: Nein. Auch Helge hat das ganz normale Badehosentragen abgeschafft und hat sich mit einem Hightech-Anzug versehen, damit er mit der Konkurrenz auf ebenbürtiger Höhe steht.
Schulz: Ab der kommenden Saison sollen diese Anzüge ja wieder außen vorbleiben. Dreht man da das Rad der Geschichte nicht zurück?
Meeuw: Zunächst mal muss man sagen, dass das eine wunderschöne Entscheidung ist, und ob man das Rad der Geschichte zurückdreht - das glaube ich nicht. Man geht nur wieder auf den Status zurück, in dem der Schwimmer mit dem, was er wirklich kann - von seiner Ausbildung her und von seiner Persönlichkeit her - die Hauptrolle spielt bei dem Erbringen einer Leistung. Im Moment ist das nicht mehr so.
Schulz: Warum ist es nicht mehr so?
Meeuw: Dieser Anzug ermöglicht Geschwindigkeiten, Leistungen auf der einen Seite, die unfair sind den Leuten gegenüber, die vorher geschwommen sind. Das ist jetzt gerade in Rom sehr deutlich geworden: wenn Rekorde von Ian Thorpe beispielsweise gebrochen werden, auch wenn es durch Biedermann ist. Aber das sind eben Zeiten, die dort erreicht werden, die den Leuten einfach nicht zustehen, weil der Anzug einen großen Teil dieser Zeiten ausmacht.
Gestern die 800 Meter Kraul, da ist der Weltrekord von Grant Hackett gebrochen worden, und da muss ich auch sagen: Das war damals so eine Superzeit und damals - ich rede von einem Abstand von fünf, sechs Jahren -, das waren tolle Zeiten und das ist einfach nicht mehr gerechtfertigt, diese Sachen miteinander zu vergleichen. Und das ist nicht mehr fair. Im Sport muss man vergleichen, was vorher war, und dann kann man einen Fortschritt feststellen. Nur durch technische Mittel Fortschritte festzustellen, das macht keinen Spaß mehr.
Schulz: Aber müsste dann nicht jeder Kunststoff verboten werden? Hieße das, zurück zur Baumwollhose?
Meeuw: Nicht zur Baumwollhose, aber wenn man die ganz normalen Textilanzüge nimmt, dann kommt man auch wieder an den Anblick, dass einige Leute sagen: Ja, gut, so einen Anzug mag ich eigentlich nicht. Ich nehme lieber eine textile Badehose oder einen normalen, textilen Badeanzug, so, wie er normal verkäuflich ist als Anzug für jedermann.
Und damit hätte man zwar die Entwicklung zurückgedreht, was die jetzigen Rekorde betrifft, aber ich denke, das ist noch eine zweite Entscheidung, die sich der Weltschwimmverband irgendwo noch mal geben muss.
Schulz: Und was soll mit diesen Weltrekorden, so, wie sie jetzt aufgestellt werden, passieren? Sollen die einfach gelöscht werden?
Meeuw: Ich würde das als die beste Lösung empfinden, ja: alles nach 2008. Es ist ja infam, wenn man das sieht, was da passiert ist: Von Februar 2008 bis jetzt sind, wenn mich nicht alles täuscht, über 150 Weltrekorde aufgestellt worden. Das kann doch nicht normal sein. Das ist völlig verrückt! Und es ist auch natürlich verrückt, wenn sich Leute - auch wie Phelps jetzt - hinstellen und so etwas sagen wie diese Geschichte mit dem Anzug, dass das unfair ist. Schließlich sind alle Schwimmer, auch alle Amerikaner und besonders Herr Phelps, im letzten Jahr quasi mit der Uroma dieser Hightech-Anzüge geschwommen und haben alle anderen in der Welt stehen lassen und plattgemacht und haben sich damals kein schlechtes Gewissen dabei gemacht, überhaupt nicht.
Schulz: Normalerweise, wenn es Spitzenleistungen gibt im Sport, dann ist ja schnell eine Dopingdebatte da, so in Rom jetzt nicht. Kann es sein, dass die Dopingdebatte auch dezent im Hintergrund läuft?
Meeuw: Das entzieht sich so ein bisschen meiner Kenntnis. Aber ich weiß, dass unsere deutschen Athleten am laufenden Band heftig kontrolliert werden. Die sinnvollste Dopingkontrolle wäre natürlich eine regelmäßige Blutkontrolle und damit ein Blutpass. Das hat nur so immense Kosten im Hintergrund, dass allein der Gedanke schon illusorisch ist. Es kann niemand bezahlen. Und ob die Anzugfrage ... Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass die Anzugfrage die Doping-Aufmerksamkeit irgendwo ein bisschen runterdrückt.
Schulz: Aber gleichzeitig gibt es auch Vorwürfe gegen den Weltverband FINA, der steht unter Druck, weil es wohl mangelnde Dopingkontrollen gegeben habe. Könnte es sein, dass man da auch das Kalkül hatte: Alle Welt spricht über die Schwimmanzüge, da brauchen wir uns um das Doping nicht so genau zu kümmern?
Meeuw: Da ich den Leuten von der FINA jede Schlechtigkeit zutraue, traue ich ihnen auch zu, dass sie sagen: Okay, solange die Welt über die Anzüge spricht, erwischen sie uns nicht dabei, dass wir schlampig umgegangen sind mit den Dopingkontrollen und kein Geld mehr haben dafür, weil wir das, weiß ich nicht, für unsere Bonzen und Funktionäre ausgeben.
Schulz: Sind die Anzüge technisches Doping?
Meeuw: Das würde ich klar sehen so, ganz klar würde ich das so beziffern.
Schulz: Und wo fängt die Grenze bei den Manipulationen dann an? Darf künftig dann auch kein Arm, kein Bein mehr rasiert werden?
Meeuw: Das sicherlich nicht. Das ist immer gewesen. Ob sich ein Schwimmer eincremt, weil er Haut hat wie ein Krokodil - das wäre Unsinn, so etwas zu verhindern. Selbstverständlich wird sich jeder rasieren noch, und ich rasiere mich morgens auch im Gesicht. Stellen Sie sich vor, das würde mir jemand verbieten und ich müsste als Waldschrat rumlaufen. Das ist eine Sache, die geht in der Fragestellung zu weit. Aber diese Anzüge vom Schnitt her sind, wenn man das sieht, was jetzt die FINA beschlossen hat, ja vernünftig: nur noch bis zum Knie, kein volles Bein mehr und eben jegliche Art von Plastik mit Auftriebhilfe verboten. Ich sagte es vorhin schon, dann ist man wieder bei dem alten Anzug und dann spielt es wieder eine Rolle, wie gut jemand tatsächlich schwimmen kann.
Schulz: Der frühere Spitzenschwimmer Folkert Meeuw heute in den Informationen am Morgen. Danke schön!
Meeuw: Bitte!
Folkert Meeuw: Guten Morgen!
Schulz: Herr Meeuw, Ihr Sohn Helge hat in Rom über 100 Meter Rücken vorgestern Silber geholt. In einer ganz normalen Badehose?
Meeuw: Nein. Auch Helge hat das ganz normale Badehosentragen abgeschafft und hat sich mit einem Hightech-Anzug versehen, damit er mit der Konkurrenz auf ebenbürtiger Höhe steht.
Schulz: Ab der kommenden Saison sollen diese Anzüge ja wieder außen vorbleiben. Dreht man da das Rad der Geschichte nicht zurück?
Meeuw: Zunächst mal muss man sagen, dass das eine wunderschöne Entscheidung ist, und ob man das Rad der Geschichte zurückdreht - das glaube ich nicht. Man geht nur wieder auf den Status zurück, in dem der Schwimmer mit dem, was er wirklich kann - von seiner Ausbildung her und von seiner Persönlichkeit her - die Hauptrolle spielt bei dem Erbringen einer Leistung. Im Moment ist das nicht mehr so.
Schulz: Warum ist es nicht mehr so?
Meeuw: Dieser Anzug ermöglicht Geschwindigkeiten, Leistungen auf der einen Seite, die unfair sind den Leuten gegenüber, die vorher geschwommen sind. Das ist jetzt gerade in Rom sehr deutlich geworden: wenn Rekorde von Ian Thorpe beispielsweise gebrochen werden, auch wenn es durch Biedermann ist. Aber das sind eben Zeiten, die dort erreicht werden, die den Leuten einfach nicht zustehen, weil der Anzug einen großen Teil dieser Zeiten ausmacht.
Gestern die 800 Meter Kraul, da ist der Weltrekord von Grant Hackett gebrochen worden, und da muss ich auch sagen: Das war damals so eine Superzeit und damals - ich rede von einem Abstand von fünf, sechs Jahren -, das waren tolle Zeiten und das ist einfach nicht mehr gerechtfertigt, diese Sachen miteinander zu vergleichen. Und das ist nicht mehr fair. Im Sport muss man vergleichen, was vorher war, und dann kann man einen Fortschritt feststellen. Nur durch technische Mittel Fortschritte festzustellen, das macht keinen Spaß mehr.
Schulz: Aber müsste dann nicht jeder Kunststoff verboten werden? Hieße das, zurück zur Baumwollhose?
Meeuw: Nicht zur Baumwollhose, aber wenn man die ganz normalen Textilanzüge nimmt, dann kommt man auch wieder an den Anblick, dass einige Leute sagen: Ja, gut, so einen Anzug mag ich eigentlich nicht. Ich nehme lieber eine textile Badehose oder einen normalen, textilen Badeanzug, so, wie er normal verkäuflich ist als Anzug für jedermann.
Und damit hätte man zwar die Entwicklung zurückgedreht, was die jetzigen Rekorde betrifft, aber ich denke, das ist noch eine zweite Entscheidung, die sich der Weltschwimmverband irgendwo noch mal geben muss.
Schulz: Und was soll mit diesen Weltrekorden, so, wie sie jetzt aufgestellt werden, passieren? Sollen die einfach gelöscht werden?
Meeuw: Ich würde das als die beste Lösung empfinden, ja: alles nach 2008. Es ist ja infam, wenn man das sieht, was da passiert ist: Von Februar 2008 bis jetzt sind, wenn mich nicht alles täuscht, über 150 Weltrekorde aufgestellt worden. Das kann doch nicht normal sein. Das ist völlig verrückt! Und es ist auch natürlich verrückt, wenn sich Leute - auch wie Phelps jetzt - hinstellen und so etwas sagen wie diese Geschichte mit dem Anzug, dass das unfair ist. Schließlich sind alle Schwimmer, auch alle Amerikaner und besonders Herr Phelps, im letzten Jahr quasi mit der Uroma dieser Hightech-Anzüge geschwommen und haben alle anderen in der Welt stehen lassen und plattgemacht und haben sich damals kein schlechtes Gewissen dabei gemacht, überhaupt nicht.
Schulz: Normalerweise, wenn es Spitzenleistungen gibt im Sport, dann ist ja schnell eine Dopingdebatte da, so in Rom jetzt nicht. Kann es sein, dass die Dopingdebatte auch dezent im Hintergrund läuft?
Meeuw: Das entzieht sich so ein bisschen meiner Kenntnis. Aber ich weiß, dass unsere deutschen Athleten am laufenden Band heftig kontrolliert werden. Die sinnvollste Dopingkontrolle wäre natürlich eine regelmäßige Blutkontrolle und damit ein Blutpass. Das hat nur so immense Kosten im Hintergrund, dass allein der Gedanke schon illusorisch ist. Es kann niemand bezahlen. Und ob die Anzugfrage ... Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass die Anzugfrage die Doping-Aufmerksamkeit irgendwo ein bisschen runterdrückt.
Schulz: Aber gleichzeitig gibt es auch Vorwürfe gegen den Weltverband FINA, der steht unter Druck, weil es wohl mangelnde Dopingkontrollen gegeben habe. Könnte es sein, dass man da auch das Kalkül hatte: Alle Welt spricht über die Schwimmanzüge, da brauchen wir uns um das Doping nicht so genau zu kümmern?
Meeuw: Da ich den Leuten von der FINA jede Schlechtigkeit zutraue, traue ich ihnen auch zu, dass sie sagen: Okay, solange die Welt über die Anzüge spricht, erwischen sie uns nicht dabei, dass wir schlampig umgegangen sind mit den Dopingkontrollen und kein Geld mehr haben dafür, weil wir das, weiß ich nicht, für unsere Bonzen und Funktionäre ausgeben.
Schulz: Sind die Anzüge technisches Doping?
Meeuw: Das würde ich klar sehen so, ganz klar würde ich das so beziffern.
Schulz: Und wo fängt die Grenze bei den Manipulationen dann an? Darf künftig dann auch kein Arm, kein Bein mehr rasiert werden?
Meeuw: Das sicherlich nicht. Das ist immer gewesen. Ob sich ein Schwimmer eincremt, weil er Haut hat wie ein Krokodil - das wäre Unsinn, so etwas zu verhindern. Selbstverständlich wird sich jeder rasieren noch, und ich rasiere mich morgens auch im Gesicht. Stellen Sie sich vor, das würde mir jemand verbieten und ich müsste als Waldschrat rumlaufen. Das ist eine Sache, die geht in der Fragestellung zu weit. Aber diese Anzüge vom Schnitt her sind, wenn man das sieht, was jetzt die FINA beschlossen hat, ja vernünftig: nur noch bis zum Knie, kein volles Bein mehr und eben jegliche Art von Plastik mit Auftriebhilfe verboten. Ich sagte es vorhin schon, dann ist man wieder bei dem alten Anzug und dann spielt es wieder eine Rolle, wie gut jemand tatsächlich schwimmen kann.
Schulz: Der frühere Spitzenschwimmer Folkert Meeuw heute in den Informationen am Morgen. Danke schön!
Meeuw: Bitte!