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Zweifel an Energiewende bis 2015

"Wir wollen die Energiewende", sagt Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), aber sie sei nicht ohne ein Mehr an Investitionen zu haben. Einen Atomausstieg bis 2015 hält Sander nur mittels Atomstromimports aus dem Ausland für möglich.

Hans-Heinrich Sander im Gespräch mit Anne Raith |
    Anne Raith: So richtig losgetreten wurde die Lawine am 14. März, nämlich als die Bundeskanzlerin ankündigte, die Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Atomkraftwerke vorerst auszusetzen und einen Tag später präzisierte, dass sieben von ihnen vorerst heruntergefahren werden sollen. Energiewende wurde das Schlüsselwort der darauf folgenden Wochen, doch wie, wo und vor allem mit welchem beziehungsweise wessen Geld, all diese Fragen blieben bislang umstritten und daher weitgehend unbeantwortet. Gestern nun hatte Merkel die 16 Länderchefs zum Energiegipfel ins Kanzleramt geladen, nun soll bis Mitte Juni ein neues Gesetz zur Energiewende auf den Weg gebracht werden. Am Telefon begrüße ich den FDP-Politiker Hans-Heinrich Sander, den Umweltminister von Niedersachsen. Einen schönen guten Morgen!

    Hans-Heinrich Sander: Guten Morgen, Frau Raith!

    Raith: Herr Sander, aus der Brückentechnologie ist in gewisser Weise eine Stegtechnologie geworden, schnellstmöglich will man jetzt raus - wann ist denn schnellstmöglich?

    Sander: Schnellstmöglich heißt, sobald sie andere Energieträger haben, die dann die Strommenge, die im Augenblick aus Kernkraft gewonnen wird, dann ersetzen können.

    Raith: Haben wir schon theoretisch, sagt der Sachverständigenrat für Umweltfragen, und nennt das Datum 2015.

    Sander: Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, das muss man jetzt den Bürgern genauso klar sagen. Der Wunsch, die Vorstellung ist, so schnell wie möglich auszusteigen, aber wiederum, diese Strommenge muss insbesondere in der Grundlast dann durch andere Energieträger ersetzt werden.

    Raith: Schnell soll es ja jetzt auch gehen, was ein Gesetz angeht - fast übereilt, wenn man bedenkt, dass man sich um klare Aussagen, was ja den Weg und die Kosten betrifft, gedrückt hat.

    Sander: Aber trotzdem ist es richtig, so schnell wie möglich ein Gesetz zu bekommen, damit man auch Rechtssicherheit bekommt, denn es müssen ja auch die Betreiber von Kernkraftwerken wissen, wie es weitergeht. Wir im Augenblick überprüfen ja nur, machen einen Sicherheitscheck, ob die Kernkraftwerke überhaupt noch wieder ans Netz gehen könnten, das ist ja auch immer ... Wir können ja nicht vorweg sagen, so entschieden, so wird es kommen, das kann man politisch machen, aber wir müssen ja auch technisch dementsprechend eine Grundlage haben, um, wenn man sagt, die sollen nicht wieder ans Netz gehen, das auch gegenüber den Betreibern rechtssicher durchzusetzen.

    Raith: Aber kosten wird eine solche Energiewende, und der Unionsfraktionsvize Fuchs fragt sich, woher das Geld dafür kommen soll. Mit welchen Zahlen kalkulieren Sie denn da?

    Sander: Ja, es sind erhebliche Investitionen. Wenn Sie nur einen Bereich nehmen, den Niedersachsen besonders forciert hat in der Vergangenheit und auch weiter noch forcieren wird, insofern haben wir dort eine Schlüsselrolle, das ist der Offshore-Bereich. Der Offshore-Bereich ist aber im Moment noch unsicher, solange wir noch keine Speichertechnologien haben beziehungsweise keine Speicherlösungen, um den Strom, insbesondere aus Wind, aber auch aus Photovoltaik, dann zu speichern, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.

    Raith: Und trauen Sie sich zu, eine Zahl zu nennen?

    Sander: Nein, das traue ich mir einfach nicht zu, dazu müssen Sie klare Berechnungen haben. Wir können doch nur jetzt von den Tatsachen ausgehen. Im Augenblick sind rund 5000 Megawatt vom Netz gegangen, das heißt, ich rechne die beiden Kernkraftwerke, die bisher auch schon stillgelegt worden sind oder vom Netz genommen wurden, nicht dazu. Wir müssen dann aber auch feststellen, dass es noch Revisionen gibt, die ab Mai erfolgen werden, sodass wir wahrscheinlich ab Mai eine Strommenge haben von ungefähr 8000 Megawatt, die wir durch andere Energieträger oder - das ist richtig, das ist Gott sei Dank die Möglichkeit - aus dem Ausland importieren können.

    Raith: Auch wenn man noch nicht genau weiß, wie hoch die Kosten sein werden, muss man sich doch jetzt schon Gedanken machen, woher das Geld kommen könnte. CDU und FDP haben sich gegen Steuererhöhungen ausgesprochen, gegen eine höhere Neuverschuldung, gegen ein neues Sparpaket - wer soll das am Ende bezahlen?

    Sander: Das wird nicht funktionieren. Bezahlen tut es sowieso immer zum Schluss der Bürger. Also egal, ob Sie Steuern erhöhen oder durch das EEG Beihilfen erhöhen, es ist immer wieder der Bürger, der es bezahlt. Und das ist die entscheidende Frage, glaube ich, die wir sehr schnell angehen müssen und auch die Karten auf den Tisch legen müssen. Wir wollen die Energiewende, aber die Energiewende ist nicht ohne Mehr an Investitionen und mehr an Geld, was wir dort hineinstecken, zu bekommen.

    Raith: Aber Herr Sander, wäre es da nicht sinnvoll, wie die SPD fordert, nämlich einen parlamentarischen Sonderausschuss einzurichten im Bundestag, der ja die Belange des Volkes vertritt?

    Sander: Ja, ich weiß nicht, ob wir noch mehr Ausschüsse brauchen, wir haben doch parlamentarische Gremien, die das behandeln können. Wir haben einen Umweltausschuss, wir haben einen Wirtschaftsausschuss, dort kann man das alles gemeinsam auch besprechen. Es ist ja auch die Frage des Energiekonsenses. Ich war gestern mehr als überrascht, im Bundesrat zu hören, dass es SPD-geführte Länder gibt, die sagen, wir müssen jetzt wieder sofort in die Kohleverstromung einsteigen, darüber muss geredet werden. Ja, da müssen Sie gleich auf der anderen Seite wieder fragen, wie sieht es denn da mit unseren CO2-Zielen aus? Wenn das geschehen würde, um diese Menge zu ersetzen, dann würden wir 6,3 Millionen Tonnen zusätzlich an CO2 erzeugen, und das ist nicht verträglich.

    Raith: Herr Sander, wenn die Energiewende zum Großteil am Ende am Verbraucher hängen bleibt, glauben Sie dann, dass die Akzeptanz für eine solche Wende bestehen bleibt?

    Sander: Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass wir jetzt klar und deutlich sagen, diese Energiewende ist möglich - ob sie bis 2015 möglich ist, bezweifle ich - oder sie heißt Energiewende, wir raus und besorgen uns den Strom wegen mir aus Europa oder wegen mir auch aus Westeuropa, Frankreich oder aus Tschechien oder wo es auch Meiler gibt, die aber vielleicht nicht alle die Sicherheitsstandards erfüllen, die wir in Deutschland immer mit unserer doch sehr großen Sicherheitsphilosophie erfüllt haben.

    Raith: Aber es gibt ja jetzt schon bereits Bürgerproteste gegen Windkraftanlagen zum Beispiel.

    Sander: Wir haben nur Bürgerproteste. Wir haben Bürgerproteste gegen Windkraftanlagen, wir haben Bürgerproteste gegen Stromtrassen, wir haben Bürgerproteste gegen Speicherentwicklung beziehungsweise Speicherseen. Also es gibt gegen alle Projekte jetzt Proteste. Und auch das muss dem Bürger klar und deutlich gesagt werden: Wenn wir das eine wollen, müssen wir bei dem einen oder anderen auch dann mal zurückstehen.

    Raith: Und gibt es dann wieder, wenn die Proteste anhalten gegen die Energiewende, einen neuerlichen Schwenk zurück?

    Sander: Das glaube ich nicht mehr. Einen Schwenk zurück kann es nicht mehr geben. Die Bürger, die Gesellschaft will das, dass wir in Deutschland aussteigen, aber einen Schwenk zurück wird es nicht mehr geben. Es kann sein, dass wir unsere Abhängigkeit vom Ausland noch mehr erhöhen, als sie sowieso schon besteht.

    Raith: Sagt der FDP-Politiker Hans-Heinrich Sander, er ist Umweltminister von Niedersachsen. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Sander!

    Sander: Danke schön, Frau Raith!