Die Stadt Famagusta schmiegt sich malerisch an die Küste des Mittelmeers im Osten Zyperns, dort, wo praktisch immer die Sonne scheint und wo die saubersten Strände Europas liegen. Wer den weichen Sand vom Strand Famagustas zwischen den Zehen spürt, kommt gleich ins Schwärmen. Sehr schön, sehr feinkörnig der Sand, lobt ein Besucher aus der Türkei: "Bei uns in der Türkei bezeichnet man besonders schöne Strände als 'Kleopatra'-Strände, weil man sagt: Kleopatra habe für diese Strände extra feinen Sand aus Nordafrika holen lassen. Und genau so ist der Strand in Famagusta: sehr fein und sehr schön."
Doch das Strandparadies auf dem türkischen Teil der Insel Zypern hat einen Schönheitsfehler. Keine zwanzig Meter neben den Urlaubern in Badehose und Bikini stehen Soldaten in Tarn-Uniform auf Wachttürmen an einem meterhohen Stacheldraht-Zaun, dahinter wuchert Unkraut zwischen verfallenden Hochhaus-Ruinen. Denn die südliche Hälfte Famagustas, der Stadtteil Varosha, ist seit 1974 vom türkischen Militär abgeriegelt und - menschenleer.
Schlangen tummeln sich in der Stadt
Damals, im Sommer 1974, tobte hier der Krieg um die Insel Zypern. Türkische Truppen hatten den Norden Zyperns besetzt, denn zuvor hatten griechische Nationalisten versucht, die gesamte Insel Griechenland anzuschließen. Die türkischen Soldaten rückten damals bis Famagusta vor - und dort stehen sie noch heute. Fast alle griechischen Zyprer wurden damals aus dem türkisch besetzten Norden der Insel vertrieben - in ihre Häuser zogen türkische Zyprer oder neu angeworbene Siedler aus Anatolien. Nur der mondäne Stadtteil Varosha im Süden Famagustas blieb leer, bis heute.
Alexis Galanos ist griechischer Zyprer aus Varosha. Mit Wehmut schaut er vom Grenzzaun im Süden aus auf seine Geburtsstadt mit der Hochhaus-Skyline: "Es sind nur noch Skelette. Die Stadt ist voller Schlangen; die Natur holt sich das Gebiet zurück. Wenn Du es aus der Ferne siehst, dann merkst du gar nicht, dass die Stadt leer ist. Sie sieht aus wie Miami, eine schöne Stadt mit hohen Häusern an der Küste, so richtig einladend."
"Wir haben alles. Was fehlt, ist die Stadt."
Alexis Galanos ist der Exil-Bürgermeister von Famagusta und Varosha. Auch 41 Jahre nach Flucht und Vertreibung aus ihrer Stadt halten die griechisch-zyprischen Bürger von Famagusta noch zusammen. Das Exil-Rathaus steht in der Stadt Limassol; der Fußballverein Anorthosis Famagusta hat sein Exil-Stadion in Larnaca gebaut, es gibt sogar eine Handelskammer Famagusta. "Wir haben fast alles", sagt Exil-Bürgermeister Alexis Galanos, alle Einrichtungen des sozialen Lebens in Famagusta sind vorhanden: "Was fehlt, ist die Stadt", klagt der Exil-Bürgermeister.
Dabei war es so schön am Strand von Famagusta, im Stadtteil Varosha. Hier hatte auch die Sängerin und Schönheitskönigin Sophia Loren ihre Luxus-Villa am Strand. Auch die Villa von Sophia Loren ist längst von Sträucher und Unkraut überwuchert, das Gebäude mit der Strand-Veranda verfällt seit nunmehr 41 Jahren. Die Villa steht zwischen den 45 leeren Hotels mit ihren 10.000 Betten, in denen seit 41 Jahren niemand geschlafen hat. Im Autohaus im Zentrum Varoshas stehen noch ein paar Neuwagen Baujahr 74. In den zwei Dutzend Theater- und Kinosälen Varoshas sind die Vorhänge seit 41 Jahren geschlossen; am verlassenen Traumstrand krabbeln nur ein paar Schildkröten, dort, wo Europas Jetset bis zum Sommer 1974 wilde Partys feierte.
Doch Alexis Galanos, der griechische-zyprische Exilbürgermeister, gibt die Hoffnung nicht auf: "Famagusta war ein schönes Mädchen, das plötzlich in den Schlaf fiel und immer noch schläft. Es wartet darauf, wachgeküsst zu werden."