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Zypern-Verhandlungen
Letzte Chance für eine Wiedervereinigung

Derzeit verhandeln in Genf die Führer des türkischen und des griechischen Teils Zyperns über eine Wiedervereinigung. Nach 43 Jahren Teilung soll die Insel im Mittelmeer wieder ein Staat werden. Alle Hoffnungen ruhen auf einer Einigung der beiden Volksgruppen. Doch noch scheint in entscheidenden Punkten kein Durchbruch in Sicht zu sein.

Von Gunnar Koehne | 11.01.2017
    UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (Mitte) bereitet den Handschlag mit dem türkisch zyprischen Präsidenten Mustafa Akinci (links) und dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Nicos Anastasiades (rechts) am 07. November 2016 in Mont Pelerin in der Schweiz vor.
    Vorgespräche im November 2016: UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon (Mitte) mit dem türkisch zyprischen Präsidenten Mustafa Akinci (links) und dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Nicos Anastasiades (rechts) (AFP PHOTO / POOL / Fabrice Coffrini)
    Offensichtlich gut aufgelegt wünschte der türkisch-zyprische Volksgruppenführer Mustafa Akinci bei seiner Ankunft am Tagungsort in drei Sprachen einen "Guten Morgen": Auf Griechisch, Türkisch und Englisch. Auch sein Gegenspieler, der griechische Präsident Zyperns, Anastasiadis, zeigte sich am vergangenen Montag in Genf zuversichtlich. Gleichzeitig jedoch war ihnen die Anspannung anzusehen. Beide scheinen zu wissen: Ein erneutes Scheitern würde die Teilung der Insel auf unbestimmte Zeit festschreiben.
    Dabei stehen die Chancen für eine Einigung zwischen türkischen und griechischen Zyprern so günstig wie noch nie seit der Teilung der Insel vor 42 Jahren. Da wären zunächst die beiden Volksgruppenführer: Nikos Anastasiadis, der Präsident der Republik Zypern, hatte sich mit seiner Mitte-rechts-Partei DISY schon 2004 für den ersten Wiedervereinigungsplan, den so genannten Annan-Plan, eingesetzt.
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    Nikos Anastasiadis, der griechische Präsident Zyperns (picture alliance / dpa / Simela Pantzartzi)
    Alle Hoffnungen ruhen auf den Verhandlungen
    Das gleiche gilt für den langjährigen Oppositionspolitiker auf türkischer Seite, Mustafa Akinci. Mit seinem Versprechen, die Teilung zu überwinden und sich vom türkischen Mutterland zu emanzipieren, gewann der ehemalige Bürgermeister von Nord-Nikosia vor zwei Jahren die Präsidentschaftswahlen in der nur von Ankara anerkannten "Türkischen Republik Nord-Zypern". Vor seiner Abreise nach Genf beschwor Akinci die historische Bedeutung des Treffens:
    "Der Januar ist nicht nur der Beginn eines neuen Jahres. Lasst uns alle hoffen, dass er auch eine neue Ära für Zypern bedeuten wird."


    Und für die griechisch-zyprische Seite äußerte sich der Staatssekretär im Präsidentenamt, Constantinos Petrides, ähnlich:
    "Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase für Zypern. Der Präsident der Republik versucht alles, um eine erfolgreiche Lösung zu finden. Eine Lösung, die es uns ermöglicht alle in einem prosperierenden Zypern zu leben, einem modernen Staat innerhalb der EU, der nicht mehr von den Gefühlen der Vergangenheit bestimmt wird."
    Mustafa Akinci, Präsident der Türkischen Republik Nordzypern
    Mustafa Akinci, Präsident der Türkischen Republik Nordzypern (picture-alliance / dpa / Katia Christodoulou)
    Internationale Beteiligung sorgt für Fortschritt
    Seit 19 Monaten verhandeln die beiden Volksgruppen unter der Obhut des Sondergesandten der Vereinten Nationen für Zypern, dem Norweger Espen Barth Eide. In den vergangenen Tagen konferierten die drei zunächst alleine in Genf, nun sollen Vertreter der so genannten Garantiemächte Zyperns dazu stoßen. Harry Tsimatras, zyprischer Politologe, der den Konflikt in seiner Heimat für das norwegische Friedensforschungsinstitut Prio beobachtet, sieht darin den entscheidenden Fortschritt:
    "Das ist die erste internationale Konferenz zur Beilegung des Zypern-Konflikts überhaupt. Das ist der erste große Unterschied. Und der zweite ist, dass sich die internationalen Parameter verschoben haben. Es geht darum in Genf nicht allein um Zypern, sondern auch um die Akteure, die in dieser Region ihren Einfluss bewahren wollen.
    Nicht nur die so genannten Garantiemächte Zyperns, also die Türkei, Griechenland und Großbritannien, sondern auch die EU, die USA, Russland und andere Mitglieder des UN-Sicherheitsrates."
    Aus Nachbarn wurden Feinde
    Das Zypern-Problem ist ein Erbe der britischen Kolonialherrschaft. Als sich dessen Ende in den 50er Jahren abzeichnete, versuchten die beiden Volksgruppen mit Unterstützung ihrer jeweiligen "Mutterländer" ihre gegensätzlichen Ziele durchzusetzen. Die ursprüngliche Absicht der griechischen Mehrheit – sie stellt 80 Prozent der Bevölkerung - war "Enosis" - die Vereinigung mit Griechenland. Die türkische Minderheit, rund 18 Prozent der Bevölkerung, wollte die Teilung der Insel, auf Türkisch "Taksim".
    1960, nach dem Ende der britischen Herrschaft über die Insel, wurde die Republik Zypern gegründet – mit beiden Volksgruppen als gleichberechtigten Staatsvölkern. Großbritannien, Griechenland und die Türkei kam die Rolle von Garantiemächten zu. Doch 1963 brach ein Bürgerkrieg aus.
    Türken und Griechen, die bis dahin als gute Nachbarn gelebt hatten, wurden zu Feinden. Die Mehrheit der türkischen Zyprer musste fortan in Enklaven leben.
    Entstehung zweier "ethnisch gereinigter" Zonen
    Als 1974 Athener Obristen gegen die Regierung Makarios einen Putsch anzettelten, sah die Garantiemacht Türkei die türkische Minderheit in Gefahr. Sie ließ Truppen auf der Insel landen. Seitdem sind 36 Prozent des Territoriums von der Türkei besetzt. 160.000 griechische Zyprer mussten in den Süden flüchten, zehntausende Türken von dort in den Norden. Zwei so genannte "ethnisch bereinigte" Zonen entstanden: ein türkisch besiedelter Nordteil und der griechische Süden.
    Die türkischen Zyprer riefen im Norden die "Türkische Republik Nord-Zypern" aus. Sie wird aber nur von der Türkei anerkannt und ist wirtschaftlich völlig auf das Mutterland angewiesen. Besonders die Vereinten Nationen haben sich seitdem immer wieder um eine dauerhafte Lösung auf der Insel bemüht. Doch erst als die Europäische Union ins Spiel kam, keimte erstmals Hoffnung auf. Die südliche Republik Zypern sollte zum 1. Mai 2004 Mitglied der EU werden. Wenige Monate zuvor, im November 2003, waren der Türkei Beitrittsgespräche zugesichert worden.
    Griechen stimmten 2003 gegen Annan-Plan
    Auf Druck der Türkei hin öffnete die Regierung in Nord-Nikosia im Frühjahr 2003 die trennende »grüne Linie« zwischen Nord und Süd. Erstmals seit der Teilung konnten Griechen aus dem Süden fortan den Norden besuchen – und umgekehrt. Nach monatelangen Verhandlungen legte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan im November 2003 einen detaillierten Wiedervereinigungsplan vor. Dessen Kern bildete der Vorschlag einer Föderation zweier Teilstaaten unter dem Dach der EU. Beim Referendum über den Annan-Plan im April 2004 stimmte eine Mehrheit der Türken dafür, die Griechen jedoch mehrheitlich dagegen.

    Dennoch wurde die südliche Republik Zypern einen Monat später in die EU aufgenommen. Anhänger der Versöhnung gerieten danach auf beiden Seiten der Grenze in die Defensive, Hardliner hatten wieder das Sagen. Im Süden betonten die Nationalisten, die türkischen Zyprer seien doch mit einem Minderheitenstatus in einer griechisch dominierten Republik gut bedient. Im Norden breitete sich nach der Ablehnung des Annan-Plans durch die Griechen eine trotzige Haltung aus.
    Die EU reagierte darauf lange hilflos. Initiativen der EU-Kommission zugunsten der türkischen Zyprer hat Nikosia wieder und wieder blockiert, etwa die Idee, den Türken durch Direkthandel wirtschaftlich zu helfen. Überdies nutzten die Gegner einer türkischen EU-Mitgliedschaft den Stillstand auf Zypern um die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Frage zu stellen.
    Annan hat genug. Ende des Monats muss die UNO einen Nachfolger finden.
    2003 legte der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan einen detaillierten Wiedervereinigungsplan für Zypern vor (dpa / Justin Lane)
    Was für ein Staat soll Zypern sein?
    Obwohl gescheitert, gilt der Annan-Plan bis heute als Blaupause für Zypern-Verhandlungen, auch für die derzeit laufenden in Genf; gestritten wird um Details der einzelnen Kapitel "Machtverteilung", "Sicherheit" oder "Landfrage". Zuvorderst steht die Frage: Was für ein Staat wird Zypern nach der Wiedervereinigung sein? Die Griechen betrachten ihn als eine Fortsetzung der existierenden Republik Zypern, der die türkische Volksgruppe sozusagen nur wieder beitritt. Die türkischen Zyprer dagegen wollen gleichberechtigte Gründer eines neuen Staates sein.
    Der UN-Plan sieht einen Bundesstaat mit einer Staatsangehörigkeit, aber zwei administrativ geteilten Landesteilen vor: dem türkischen im Norden und dem griechischen im Süden. Jeder Landesteil behielte eine eigene Verwaltung und sogar eine eigene Polizei. Und jeder Landesteil bekäme sein eigenes Parlament. Nach außen hin würde das Land durch eine Regierung vertreten. Auf gesamtstaatlicher Ebene soll es ein Parlament geben, in dem die Zyperngriechen zwei Drittel, die Zyperntürken ein Drittel der Abgeordneten stellen.
    Wandbild an einem Haus in Paphos. Die Hafenstadt auf der geteilten Insel Zypern trägt gemeinsam mit dem dänischen Aarhus den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2017.
    Wandbild an einem Haus in Paphos. Die Hafenstadt auf der geteilten Insel Zypern trägt gemeinsam mit dem dänischen Aarhus den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2017. (picture alliance / dpa / epa / Constantinos Lakros)
    Der Senat bestünde jeweils zur Hälfte aus Vertretern beider Volksgruppen. Bei Streitfragen soll ein hohes Gericht angerufen werden können, dem neben Vertretern beider Volksgruppen auch ein Bürger eines neutralen Drittstaates angehören sollte. Die Präsidentschaft Zyperns würde unter Griechen und Türken rotieren. Die griechische Seite lehnt diese Idee jedoch noch ab.
    Streit um Gebiete und stationiertes türkisches Millitär
    Der türkisch-zyprische Norden soll nach einem Friedensabkommen rund sechs Prozent seines Territoriums an den Süden abtreten. Damit war die türkische Seite im Prinzip einverstanden, besetzt sie doch derzeit 35 Prozent des Inselterritoriums, obwohl sie nur knapp 20 Prozent der Bevölkerung stellt. Doch gestritten wird darüber, welche Gebiete abgetreten werden sollen. Die Türken bieten eher ländliche Gegenden an, die Griechen wollen dagegen den verlassenen Küstenort Varosha zurück.

    Streitpunkt Sicherheit: Heute sind im Norden der Insel noch rund 35.000 türkische Soldaten stationiert. Die Zyperntürken wollen, dass wenigstens ein Teil von ihnen für eine Übergangszeit bleibt. Die Rede ist von 5.000 Soldaten. Die türkische Armee in einem EU-Mitgliedsland? Für die griechische Seite wäre das nur schwer hinnehmbar. Harry Tsimatras glaubt dennoch, dass daran jedoch kein Weg vorbeiführen wird:
    "Die jüngste Umfrage unter den türkischen Zyprern zeigt, dass die überwältigende Mehrheit von ihnen, nämlich 89 Prozent, weiterhin eine wie auch immer geartete Sicherheitsgarantie durch die Türkei will. Präsident Erdogan hat gesagt, dass die Sicherheit der Türkei in Zypern und dem Balkan beginne. Mein Eindruck ist aber, dass die Türkei im Prinzip bereit ist zu einer Einigung für Zypern und sich konstruktiver verhält als in der Vergangenheit. Aber klar ist auch: Einfach so hergeben wird die Türkei den Norden auch nicht."
    Zwei Touristen waten im Oktober 1998 in Strandnähe durch das flache Wasser. Sie nähern sich dabei der durch einen Stacheldrahtzaun markierten Demarkationslinie, die ihren Hotelkomplex (r) in Gazimagusa (ehemals Famagusta) von den leerstehenden Hotelruinen (l) der früheren Touristenstadt Varosha (Vorort von Famagusta) trennt.
    Die Touristenstadt Varosha auf Zypern. (picture-alliance / dpa / Brix)
    Bis zu 20 Millionen Euro für die Entschädigung von Vertriebenen
    Aber wäre es in einem EU-Mitgliedsstaat zulässig, dass ein Bürger von einem Teil des Landes in den anderen nicht umziehen darf? Die türkische Seite möchte dieses Recht einschränken. Denn sie fürchtet, dass die wohlhabenderen Griechen den Norden einfach aufkaufen. Heikel ist auch die Frage, was aus dem Grund und Boden wird, den Griechen bei ihrer Flucht aus dem Norden 1974 zurücklassen mussten. Auf vielen Grundstücken der fast 160.000 Griechen, die vor den türkischen Truppen flohen, wohnen heute türkische Zyprer, Siedler vom türkischen Festland oder Ausländer.
    In der Eigentumsfrage soll ein Kompromiss bereits feststehen: Vertriebene auf beiden Seiten werden entweder entschädigt, bekommen ihr Eigentum zurück oder können es tauschen. Die Entschädigungen sollen aus einem Fonds bezahlt werden, für den auch im Ausland Geld gesammelt werden soll. Woher die veranschlagten 15 bis 20 Milliarden Euro jedoch kommen sollen, ist noch völlig unklar.
    Der Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs, Espen Barth Eide (M), bei einem Treffen mit dem Staatschef der zyprischen Republik, Nicos Anastasiades (L), und dem Präsidenten der Zyperntürken, Mustafa Akinci (R). 
    Treffen des Staatschefs der zyprischen Republik mit dem Präsidenten der Zyperntürken (picture alliance / dpa / Katia Christodoulou)
    Unklar ist auch noch wie sich die drei Garantiemächte Zyperns verhalten werden, sollten sich die Kontrahenten einigen. Da wäre zunächst Großbritannien, das auf der Insel noch zwei autonome Militärbasen unterhält und diese im Falle einer Friedenslösung früher oder später aufgeben müsste. Und da sind die beiden "Mutterländer" der Volksgruppen, Griechenland und die Türkei, ohne deren Zustimmung nichts geht. Beide Länder haben derzeit aber selbst so viele innenpolitische und wirtschaftliche Probleme, dass vieles darauf hindeutet, dass sie das leidige Zypern-Problem gerne los wären.
    Vor allem die Türkei wäre eine große finanzielle Bürde los. Ankara bezahlt 30 Prozent des Haushalts der international isolierten türkischen Nord-Republik. Und: ein von den Türken mitregiertes Zypern würde kein Veto mehr gegen eine Annäherung der Türkei an die EU einlegen. So gesehen wäre eine zyprische Wiedervereinigung ein Gewinn für die Türkei.
    Öl- und Gasfunde wecken Begehrlichkeiten
    Und dann gibt es noch die überraschenden Öl- und Gasfunde im östlichen Mittelmeer, die bei allen Anrainern Begehrlichkeiten geweckt haben. Gerade die Türkei ist dringend auf neue, von Russland unabhängige Energiequellen angewiesen. Für eine gemeinsame Ausbeutung der Vorräte müsste sich Ankara aber mit den anderen Beteiligten vertragen.
    Mitte Dezember des vergangenen Jahres überqueren türkische und griechische Zyprer in einem Friedensmarsch gemeinsam die Demarkationslinie in Nikosia. "Eine Lösung jetzt!" steht auf den mitgeführten Schildern geschrieben. Der gemischte Chor singt. Längst gibt es auch türkisch-griechische Fraueninitiativen, gemischte Historikerkommissionen und grenzübergreifende Sportveranstaltungen. Doch es fällt auf, dass solche Versöhnungsveranstaltungen vor allem von älteren Türken und Griechen besucht werden. Ein Zyperngrieche mit schlohweißem Haar ergreift das Wort:
    "Wir hoffen, dass dies der endgültige Schritt zur Überwindung des langjährigen Zypern-Problems ist. Wir sind hier, weil wir an einen Neuanfang der Beziehungen zwischen unseren beiden Volksgruppen für unsere gemeinsames Vaterland glauben."
    Junge Zyprer interessieren sich kaum für Wievereinigung
    Umfragen zeigen, dass das Interesse an einer Wiedervereinigung unter jungen Zyprern auf beiden Seiten gering ist. Nach fast einem halben Jahrhundert der Teilung kennen nur noch die wenigsten Griechen einen Türken persönlich - und umkehrt. Obwohl die Grenze leicht überquert werden kann, besuchen Zyprer den jeweils anderen Landesteil höchstens zum Einkaufen. Disco-Besuche von jungen Türken im Süden enden oft in Schlägereien.
    Marina Neofidou leitet das "Haus für Zusammenarbeit" in der Pufferzone zwischen Nord- und Süd-Nikosia. Es dient als Begegnungsstätte zwischen beiden Volksgruppen. Sie glaubt, dass es für einen dauerhaftes, friedliches Zusammenleben beider Seiten mehr braucht als nur einen Vertrag:
    "Wir müssen wieder lernen, konfliktfrei zusammen zu leben. Selbst wenn der politische und militärische Konflikt endgültig beigelegt ist, so bleiben doch viele Differenzen zwischen uns, derer wir uns oft gar nicht bewusst sind. Wir müssen wieder mehr zusammenkommen und miteinander reden."
    Eine Insel, zwei Zeitzonen
    Doch Begegnungen zwischen Türken und Griechen scheiterten häufig an ganz praktischen Hürden, für die die Politiker die Verantwortung trügen, beklagt Neofidou. So gelten derzeit in Nord und Süd unterschiedliche Winterzeiten, weil sich der türkische Teil an der Türkei orientiert.
    "Das ist doch absurd - zwei Zeitzonen auf so einer kleinen Insel. Unsere tägliche Arbeit macht das so viel komplizierter! Unsere Workshops zum Beispiel fangen für manche nun eine Stunde später an. So wird Kommunikation erschwert."
    Doch solche Probleme könnten Ende dieser Woche schon der Vergangenheit angehören, wenn es in Genf zu der lang ersehnten vertraglichen Einigung kommt. Bis Mittwochnacht schon müssten sich beide Seiten im Grundsatz geeinigt haben, sonst würde es keinen Sinn machen, die Konferenz auf die drei Garantiemächte Türkei, Griechenland und Großbritannien auszuweiten.
    Einem Plan müssten beide Volksgruppen per Referendum zustimmen
    Immer wieder heißt es in diesen Tagen übereinstimmend aus griechischen und türkischen Verhandlungskreisen: Noch kein Durchbruch in Genf. Bei den Themen "rotierende Präsidentschaft" und "türkische Truppen" sei man sich nicht näher gekommen. Die griechischen Zyprer wollen gar keine Garantiemächte mehr haben - das sei anachronistisch. Die Türken bestehen weiterhin auf die schützende Hand der Türkei.


    Selbst im Falle einer Einigung, müssten Anastasiadis und Akinci noch ihre jeweiligen Volksgruppen von dem Deal überzeugen, schließlich müssen beide Seiten noch in einem Referendum zustimmen. Ausgang ungewiss. Schon jetzt machen Nationalisten auf beiden Seiten Stimmung gegen zu viele Zugeständnisse. Der Politologe Harry Tsimatras erinnert daran, dass es in der Schweiz so oder so nur um die groben Parameter einer Wiedervereinigung geht.
    "Das werden nicht die letzten Verhandlungen sein. Sollte diese Woche erfolgreich verlaufen, wird dies zwar ein sehr großer Schritt sein, aber der Prozess muss dann in Zypern selbst weitergeführt werden. Selbst wenn die Frage der Sicherheitsgarantien in Genf erfolgreich beigelegt werden sollte, werden dennoch viele offene Fragen bleiben, über die weiter verhandelt werden muss."
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    Die Menschen in Zypern protestieren (Bild: picture alliance / dpa) (picture alliance / dpa)
    Letzte Gelegenheit für eine Lösung?
    Sollten die Verhandlungen in Genf scheitern, so prophezeien die meisten Beobachter des Geschehens, wird es sobald keine neuen mehr geben. Das Interesse der internationalen Staatengemeinschaft an der Insel - und ihre Geduld - wird wieder abnehmen, die Zyprer werden mit ihrem Problem wieder allein sein. Darum mahnte der Zypern-Unterhändler der Vereinten Nationen, der Norweger Espen Barth Eide auf einer Presskonferenz in Genf:
    "Vergessen Sie nicht, dass wir hier über ein europäisches Land im äußersten östlichen Mittelmeer beraten, nur 100 Kilometer von Syrien entfernt. Trotz der Teilung seit fast einem halben Jahrhundert blieb Zypern unberührt von den politischen Dramen, die um es herum geschehen.
    Aber, man sollte nicht davon ausgehen, dass Jahrzehnte alte "frozen conflicts" wie dieser nicht auch wieder aufbrechen können, wenn man sich nicht um eine Lösung bemüht. Es wäre also nicht klug, diese sich jetzt bietende Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen."