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AfD-Politiker
"Natürlich ist die FDP Konkurrent"

Der AfD-Politiker Jörg Meuthen sieht die FDP als Konkurrent seiner Partei im bürgerlichen Lager, und zwar "in dem Maße, wie die Union immer schwächer wird", sagte er im Dlf. Eine Regierungsbildung mit anderen Parteien schließt er momentan aus, die Tolerierung und Unterstützung einer Minderheitsregierung jedoch nicht.

Jörg Meuthen im Gespräch mit Stefan Heinlein | 22.11.2017
    Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender der AfD
    Jörg Meuthen, Bundesvorsitzender der AfD (picture alliance / Peter Steffen/dpa)
    Stefan Heinlein: Guten Morgen, Herr Meuthen!
    Jörg Meuthen: Guten Morgen, Herr Heinlein.
    Heinlein: Hat Ihre Partei, hat die AfD schon eine Einladung in das Schloss Bellevue erhalten?
    Meuthen: Oh, da fragen Sie den falschen. Da müssten Sie die Fraktion fragen. Ich jedenfalls nicht. Ich habe keine Einladung.
    Heinlein: Gehen Sie davon aus, dass Sie eingeladen werden?
    Meuthen: Es würde zum guten Ton gehören, dass, wenn mit allen Parteien gesprochen wird, dann auch mit uns gesprochen wird, ja.
    Heinlein: Frank-Walter Steinmeier hat ja erklärt, er werde Gespräche mit allen Jamaika-Parteien führen und mit den Parteien, bei denen programmatische Schnittmengen eine Regierungsbildung nicht ausschließen. Haben Sie, Herr Meuthen, hat Ihre Partei Schnittmengen mit anderen Parteien, die eine Regierungsbildung nicht ausschließen?
    "Regierungsbildung schließen wir zum derzeitigen Zeitpunkt aus"
    Meuthen: Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass wir eine Regierungsbildung mit anderen Parteien zum derzeitigen Zeitpunkt ausschließen. Und ich denke, das würden die anderen Parteien auch so sehen. Wir sind ja eine immer noch zu Unrecht, wie ich meine, stark stigmatisierte Partei, und die anderen Parteien haben erkennbar kein Interesse daran, mit uns nach einer gemeinsamen Regierung zu suchen. Unsere Aufgabe ist jetzt auch für die nächsten Jahre, das ist nicht auf ewig in Stein gemeißelt, aber für die nächste Legislatur sicherlich die Aufgabe in der Opposition. Insofern werden wir mit einer Regierungsbildung nichts zu tun haben.
    Heinlein: In welchen Bereichen, Herr Meuthen, noch einmal die Frage, Außen-, Europapolitik, Finanzen, Wirtschaft, Soziales etc., haben Sie Berührungspunkte mit anderen Parteien?
    Meuthen: Na ja. Wenn Sie sich anschauen, was für Positionen mittlerweile CSU und FDP etwa zur Migrationspolitik vertreten, was ja ein heißes Thema ist, dann kann man nicht umhin festzustellen, dass die eins zu eins unsere Positionen übernehmen. Und auch in der Finanzpolitik gibt es durchaus eine Deckungssumme mit Positionen anderer Parteien.
    "Man kann auch aus der Opposition heraus wirken"
    Heinlein: Wie wollen Sie denn, wenn Sie nicht eine Koalition in Erwägung ziehen aktuell mit anderen Parteien, wie wollen Sie denn im Alleingang das Land zurückholen? So hat das ja Alexander Gauland noch in der Wahlnacht erklärt. Sie brauchen Partner, denn von einer absoluten Mehrheit ist die AfD ja noch ein ganzes Stück weit entfernt.
    Meuthen: Na ja. Nun kann man auch aus der Opposition heraus wirken, und das hat ja bereits eingesetzt. Ich kenne das aus der Arbeit im Landtag, und wir haben das eigentlich in allen Landtagen. Die AfD wirkt da schon sehr deutlich, weil unsere Positionen gehört werden und weil die anderen auch dadurch, dass wir stärker werden, gezwungen sind, auf unsere Positionen einzuschwenken. Das hat ja bereits eingesetzt.
    Heinlein: Aber warum sollte man die AfD wählen, wenn es denn jetzt zu Neuwahlen kommt, wenn Sie nicht bereit sind oder in der Lage sind, eine Regierungsverantwortung zu übernehmen mit anderen Parteien?
    Meuthen: Wir wollen um unserer Positionen willen gewählt werden und wir sind diejenigen, die konservative und freiheitliche Positionen glaubhaft und aufrichtig vertreten. Das tun die anderen nicht. Die beginnen zu kopieren. Wir sind das Original.
    Heinlein: Dazu müssen wir gleich noch kommen. Aber, Herr Meuthen, was ist denn Ihr politischer Masterplan Ihrer Partei? Auf welchem Weg, in welcher Konstellation wollen Sie Regierungsverantwortung übernehmen?
    Meuthen: Ich gehe davon aus, dass das eine gewisse Zeit dauert. Ich sage noch mal, das ist jetzt kein Thema, aber die Zeit geht weiter und wir sind auf einem Weg, dass wir uns vorstellen, wenn wir jetzt davon ausgehen, dass die Legislatur turnusmäßig weitergehen sollte, ab 2021 auch Regierungsverantwortung zu übernehmen. Es ist ja unübersehbar, dass im Ergebnis der Bundestagswahlen …
    Heinlein: In welcher Koalition 2021? In welcher Koalition könnten Sie sich das vorstellen?
    Meuthen: Nun, ich sage mal so: Es gibt ein bürgerliches Lager, das allerdings in Punkto CDU sehr weit nach links gerutscht ist und das in Punkto FDP sehr stark die eigentliche Freiheitlichkeit verraten hat in der Vergangenheit. Aber dessen ungeachtet sind das bürgerliche Parteien, und wenn Sie mal sehen, dass CDU/CSU, FDP und AfD zusammen als bürgerliches Lager, so würde ich das einmal bezeichnen, bei der Bundestagswahl 56 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten, dann haben wir eine klare bürgerliche Mehrheit in diesem Land.
    "Tolerierung einer Minderheitsregierung keine gute Lösung"
    Heinlein: Kommen wir, Herr Meuthen, noch zur aktuellen Situation. Da ist ja noch nicht ganz sicher, ob es Neuwahlen geben wird oder doch noch eine Minderheitsregierung. Können Sie sich denn jetzt aktuell vorstellen, eine Minderheitsregierung zu tolerieren und von Fall zu Fall zu unterstützen, etwa wenn es um die Obergrenze für Flüchtlinge geht?
    Meuthen: Es könnte gegebenenfalls passieren, dass sich eine solche Situation ergibt. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass ich da für meine Partei jetzt keine Festlegung treffen will. Das müssen wir in den Gremien besprechen. Da muss natürlich die Bundestagsfraktion ein entscheidendes Wort sprechen. Und ich glaube, dass wir uns da erst noch beraten müssen, sollte die Konstellation darauf hinauslaufen.
    Heinlein: Sie haben sich noch nicht beraten? Die Situation ist ja seit Montag schon aktuell.
    Meuthen: Wir haben ja im Moment eine geschäftsführende Regierung, die noch im Amt ist. Wir haben seit Montag eigentlich eine Situation völliger Offenheit, wo verschiedene Konstellationen denkbar sind. Die Tolerierung einer Minderheitsregierung, die sicherlich keine gute Lösung ist, weil Deutschland für meine Begriffe eine starke und klare Regierung braucht, und mit wechselnden Mehrheiten zu regieren, ist für unser Land für meine Begriffe keine sinnvolle Option. Neuwahlen sind, um der Wahrheit Genüge zu tun, es aber auch nicht – schon deswegen nicht, weil wir wahrscheinlich auch aus Neuwahlen so hervorgehen, dass sich auch daraus keine Konstellation ergäbe, die regierungsfähig wäre. Insofern müssen wir jetzt gemeinsam sehen – und der Bundespräsident ist ja im Moment sehr aktiv -, welche Optionen gibt es, dass es überhaupt zu einer Regierung kommt.
    "Mit Frau Merkel geht da überhaupt nichts"
    Heinlein: Würde denn der Weggang von Angela Merkel – das ist ja Ihre Hauptkonkurrentin; Ihr Slogan "Merkel muss weg" auch im Wahlkampf -, würde das denn erleichtern die Unterstützung einer Minderheitsregierung durch die AfD?
    Meuthen: Na ja. Es ist unübersehbar, dass es für Frau Merkel und ihre Politik in unserem Land keine funktionsfähige Mehrheit gibt. Es geht weniger um Personen als darum, welche Politik gemacht wird, und die Politik, die Frau Merkel gemacht hat über die letzten Jahre hinweg, ist in vielen Politikbereichen eine Politik multipler Rechtsbrüche. Das heißt, mit Frau Merkel geht da überhaupt nichts. Dadurch, dass Frau Merkel abginge, was für meine Begriffe eine Entwicklung ist, die längst eingesetzt hat, was Frau Merkel vielleicht noch nicht in dem Maße bewusst ist, aber in der CDU werden offenkundig die Messer gewetzt, ebenso wie übrigens in der CSU, aber durch eine personelle Erneuerung alleine ist ja noch nichts gewonnen. Wir wollen eine gute Politik für unser Land haben. Das heißt, wir brauchen einen Politikwechsel und der müsste sich mit der CDU glaubhaft vollziehen. Dann könnte man auch zusammenarbeiten.
    "Natürlich ist die FDP Konkurrent"
    Heinlein: Herr Meuthen, Sie haben vorhin noch erwähnt, dass die FDP sich in manchen Positionen angenähert hat an Ihre Partei. Nun hat Alexander Gauland gesagt, das ist unser Hauptkonkurrent bei möglichen Wahlen. Ist das tatsächlich Ihr Konkurrent in Zukunft? Driftet die FDP in Richtung Rechtspopulismus?
    Meuthen: Na ja. Jetzt kommt wieder das böse Wort des Rechtspopulismus. Schauen Sie: Die FDP hat sehr stark konservative Positionen verbal übernommen. Das ist aber für die FDP nichts Ungewöhnliches. Die übernehmen sehr gerne alle möglichen Positionen, mit denen sie glauben, Mehrheiten generieren zu können. Das ist nicht glaubwürdig. Derselbe Herr Lindner, der heute für eine harte Linie in der Migrationspolitik steht, hat noch vor zwei Jahren erfreut alle Migranten als Neuankömmlinge in unserem Land begrüßt und hat da vollständig Merkels Linie unterstützt. Das ist bei der FDP so, dass sie die Positionen häufiger wechseln als die Kleidung, und das ist das Problem dieser Partei. Natürlich ist die FDP Konkurrent. In dem Maße, wie die Union immer schwächer wird, ist im bürgerlichen Lager die FDP eine Konkurrenz. Aber wer genau hinschaut, wird die FDP ganz sicherlich nicht wählen.
    Heinlein: Ganz kurz noch, Herr Meuthen. Mit Christian Lindner hat die FDP einen sehr charismatischen Parteivorsitzenden. Ist das eine Gefahr, auch weil er so charismatisch ist und so nach außen wirkt?
    Meuthen: Ich sehe das nicht. Die Politik der FDP oder das politische Angebot der FDP ist stark auf diese Person zugeschnitten. Aber die Frage ist ja immer, was steckt dahinter, und das ist bei Herrn Lindner – ich bitte, mir das nicht zu verübeln – doch im gerüttelten Maß auch Schaumschlägerei. Da sind keine wirklich authentischen Positionen. Und ich glaube nicht, dass viele Menschen darauf hereinfallen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.