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Afrika
Unicef warnt vor massiver Zunahme von Kinderheirat

700 Millionen Frauen weltweit sind vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet worden. Am häufigsten sind junge Frauen in Südasien von Kinderheirat betroffen. Aber das Kinderhilfswerk Unicef warnt jetzt, dass der afrikanische Kontinent Südasien überholen könnte. Die Zahl der Kinderbräute in Afrika könne sich mehr als verdoppeln, wenn nicht mehr gegen Kinderheirat getan werde.

Von Jan-Philippe Schlüter |
    In Rom protestieren Italiener gegen Kinderhochzeit auf der Welt
    In Rom protestieren Italiener gegen Kinderhochzeit auf der Welt (Imago)
    Lucia aus Mosambik ist gerade mal 15 Jahre alt. Sie träumt davon, in ihre Dorfschule zurückzukehren – aber stattdessen muss sie sich auf das Mutterdasein vorbereiten. Ihre Eltern haben beschlossen, sie zu verheiraten. Jetzt ist Lucia schwanger. Ihr Traum, einmal als Lehrerin zu arbeiten, wird für sie wohl unerfüllt bleiben.
    So wie Lucia geht es mehr als 125 Millionen Mädchen und jungen Frauen in Afrika. Ihre Eltern haben beschlossen, sie gegen ihren Willen als Minderjährige zu verheiraten. Neben Tradition und Kultur sind vor allem finanzielle Gründe dafür verantwortlich, sagt Fatoumata Ndiaye vom Kinderhilfswerk Unicef.
    Der finanzielle Nutzen
    "Kinderehen gibt es vor allem in ländlichen und verarmten Regionen. Meistens werden die Mädchen mit älteren Männern zwangsverheiratet, die wohlhabender sind. Da Männer in Afrika traditionell eine Mitgift zahlen, haben die Eltern sofort einen finanziellen Nutzen. Außerdem haben sie dann einen hungrigen Magen weniger zu füttern."
    Für die Mädchen sind solche Zwangsehen eine Katastrophe. Die Kindheit ist verloren, die Zukunft zerstört.
    "Sie bekommen keine Bildung, werden noch als Kind schwanger, werden Opfer von häuslicher Gewalt, viele werden mit HIV/AIDS angesteckt, weil die Männer noch andere Frauen haben. Und das Problem ist: Nicht nur ihr Leben ist verpfuscht, sondern das setzt sich meistens bei ihren Kindern in der nächsten Generation fort."
    Mehr Kinderbräute
    Paradoxerweise geht der prozentuale Anteil von Kinderehen in Afrika seit langem zurück. Vor 25 Jahren war fast die Hälfte der jungen Frauen zwangsverheiratet. Heute nur noch jede Dritte. Aber die Bevölkerung auf dem Kontinent wächst so rasant, dass der Rückgang nicht stark genug ist. Das Ergebnis: Wenn beide Trends anhalten, könnte sich die Zahl der Kinderbräute laut Unicef bis 2050 auf 310 Millionen verdoppeln.
    Bei einer Konferenz der Afrikanischen Union in Sambias Hauptstadt Lusaka soll jetzt das Bewusstsein für das Problem geschärft werden. Für Fatoumata Ndiaye vom Kinderhilfswerk Unicef ist klar, was getan werden muss, um den rasanten Zuwachs bei Kinderehen zu verhindern.
    Die möglichen Gegenmaßnahmen
    "Wir brauchen nicht nur Gesetze, die die Kinder schützen, sondern vor allem Regierungen, die die Gesetze umsetzen. Wir müssen auch in die Gemeinschaften reingehen und den traditionellen Führern klarmachen, dass Zwangsehen inakzeptabel sind. Außerdem brauchen wir bessere Bildung und Aufklärung. Und wir müssen für die Mädchen ein Hilfe-Netzwerk bieten, an das sie sich wenden können."
    Unicef und die Afrikanische Union haben prominente Unterstützung bei ihrer Kampagne gegen Kinderehen: Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Nelson Mandelas letzte Ehefrau Graca Machel setzen sich für die Selbstbestimmung von Mädchen ein. Zwangsehen raubten ihnen ihre Würde und ihre Chancen, ihr Potential zu verwirklichen.