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Alltag in Afghanistan
Hauptsache überleben

Anschläge, Bombenexplosionen, Raketenbeschuss: Kabul ist eine Stadt in ständiger Anspannung. Fast täglich gibt es Zwischenfälle. Die Behörden sind machtlos, der Regierung entgleitet die Kontrolle. Die Stadtbewohner führen ein Leben in Angst. Und die Hoffnung schwindet immer mehr.

Von Jürgen Webermann | 30.11.2017
    Das Archivbild vom 20.11.2001 zeigt einen Gemüseverkäufer auf einem Basar in Kabul. Auf den Märkten gibt es alles, Kinder fahren Gemüse und Obst auf Karren durch die ganze Stadt, doch es ist einfach zu teuer, damit es die Afghani kaufen. Berge von Schutt säumen die Straßenzüge. (zu dpa Korr-Bericht "Wir würden gerne hoffen - Kampf ums Überleben prägt Leben in Kabul).
    Zerstörte Straßenzüge, zerstörte Infrastruktur, zerstörtes Vertrauen: Alltagsleben in Kabul (dpa / Alexander Nemenov)
    Eine fast leere Wohnung in einem grauen Plattenbau vor den Toren Kabuls. Kahle Räume, keine Bilder an den Wänden. Der Teppich, auf den Nasimas vier Kinder starren, ist alles, was sie an ihr altes Leben erinnert. Während des Interviews mit ihrer Mutter hören Naeema, Hares, Arif und Sabsina stumm zu. Die Kinder, die Älteste ist 14, der Jüngste sieben Jahre alt, sitzen einfach nur da, während Nasima erzählt.
    "Ich habe den Knall gehört, morgens um 8 Uhr 30 war das. Ich habe mir aber nichts weiter gedacht. Erst als mein Mann abends nicht nach Hause kam und nicht ans Telefon ging, habe ich mir Sorgen gemacht. Am nächsten Morgen bin ich ins Zentrum gefahren und habe Polizisten nach meinem Mann gefragt. Ich bin in Krankenhäuser gegangen, um nach ihm zu suchen. Immer wieder. Bis Polizisten und Ärzte mir rieten, aufzugeben. Sie sagten, wahrscheinlich ist von seinem Körper nichts übrig geblieben."
    Wohnungsraum ist knapp, die Mieten hoch
    Nasir Ahmad, Nasimas Mann, starb am 31. Mai. Er hat als Autowäscher gearbeitet, ganz in der Nähe der Deutschen Botschaft. Beim Anschlag im Diplomatenviertel wurden 150 Menschen getötet. Auch die deutsche Vertretung wurde weitgehend zerstört.
    "Wir haben keinen Beschützer mehr. Wir leben in Furcht. Ich habe Angst um meine Kinder. Ich habe Angst, dass mir jemand meine Töchter wegnehmen könnte."
    Nasimas Angst ist begründet. Nasir Ahmads Tod bedeutet für die Familie auch, dass sie kein Einkommen mehr hat. Nasima konnte die 200 Dollar Monatsmiete für die Wohnung in der Nähe des Flughafens nicht aufbringen, das war schon Nasir Ahmad mit seinem Zehn-Dollar-Einkommen am Tag schwer gefallen. Die Mieten in Kabul sind selbst für einfachste Wohnungen extrem hoch, weil der Wohnraum knapp und die Stadt voller Kriegsflüchtlinge, Arbeitssuchenden und Menschen ist, die lange in den Nachbarländern oder in Europa gelebt haben und von dort heraus gedrängt wurden - entweder abgeschoben oder, wie in Iran und Pakistan, unerwünscht und so lange schikaniert, bis sie selbst ihre Sachen packten.
    Nasima war froh, dass die Familie überhaupt eine Wohnung hatte, auch wenn sie teuer war. Aber jetzt, ohne ihren Ehemann, ist Nasima dem erbarmungslosen Kampf um Wohnraum schutzlos ausgesetzt.
    "Drei Monate nach dem Anschlag sagte unser Vermieter: Wenn Ihr nicht bald die ausstehende Miete zahlt, nehme ich die älteste Tochter als Pfand."
    "Immer diese Angst"
    Überprüfen lässt sich die Geschichte nicht. Sie ist allerdings nicht ungewöhnlich. Es gibt Familien, die ihre Töchter verkaufen müssen, weil sie kein Geld mehr haben, und Geldverleiher, die Mädchen als Pfand einfordern. Das ist illegal. Aber zur Polizei zu gehen, ohne Ehemann, ohne Geld, das war für Nasima keine Option. Sie hat stattdessen ihre Kinder genommen und ist, so schnell es ging, umgezogen, weiter raus aus Kabul. Jetzt beträgt die Miete 120 Dollar im Monat. Wie Nasima das zahlen soll, weiß sie allerdings auch nicht.
    "Ich würde auch meine Kinder rausschicken. Damit sie Plastikmüll verkaufen oder so was. Aber meine Furcht ist zu groß, dass ihnen etwas passiert - durch einen Anschlag. Immer diese Angst. Ich will weg hier."
    NATO-Soldaten untersuchen den Ort eines Selbstmordanschlags in Kabul, der einem NATO-Konvoi galt. 
    Immer wieder erschüttern Selbstmordanschläge die Stadt (imago / Rahmat Alizadah)
    Seit Jahresbeginn gab es allein in Kabul 15 schwere Anschläge und eine noch viel höhere Zahl an Zwischenfällen, die es nicht in die westlichen Nachrichtensendungen geschafft haben. In den ersten sechs Monaten wurden nach Angaben der Vereinten Nationen allein in der Hauptstadt mehr als tausend Zivilisten getötet oder verletzt. Angehörige wie Nasima und ihre vier Kinder, die nach solchen Attacken ohne jedes soziale Netz, ohne jegliche Hilfe dastehen, tauchen in den Statistiken nicht auf.
    Behörden sind hilflos
    Eine Stunde nach dem Interview mit Nasima bringen Taliban-Kämpfer auf einem Haus in der Nähe des internationalen Flughafens Granatwerfer in Stellung. Sie feuern ihre Geschosse direkt in Richtung Rollfeld. Knapp verfehlen sie eine indische Passagiermaschine. Die amerikanische Luftwaffe setzt Hubschrauber ein, die aber das falsche Haus treffen. Eine Frau und ihre Kinder sterben. Erst nach vier Stunden sind die Kämpfe beendet. Große Schlagzeilen macht der Zwischenfall nicht, obwohl er die Lebensader Kabuls traf.
    "Seit die NATO-Kampftruppen 2014 abgezogen sind und seit wir 2014 eine neue Regierung erhalten haben, hat sich die Lage immer weiter verschlechtert, nicht nur in Kabul."
    Haroun Mir ist einer der renommiertesten Politikberater Afghanistans. Unter Präsident Karzai hat er für die Regierung gearbeitet.
    "Der Angriff auf den Flughafen zeigt, wie hilflos die Behörden sind. Es ist nicht so schwierig, einen Flughafen zu sichern. Die Regierung ist wie paralysiert. Der Angriff beweist, dass sie nicht mal das Herz Kabuls schützen kann. Und wenn man die Stadt verlässt oder auch nur in die Vororte fährt, stellt man fest, dass die Regierung dort gar nicht mehr präsent ist. Und selbst wenn: Schauen Sie sich die Verlustzahlen der Sicherheitskräfte an. Das geht nicht mehr lange gut."
    "Und dazu kommt, dass auch noch die ethnische Spaltung des Landes wieder ein Niveau erreicht hat, das wir nicht erwartet haben - und das auch in den Einheiten unserer Sicherheitskräfte. Diese Spaltung zwischen Paschtunen, Usbeken, Tadschiken und Hazara könnte zum Kollaps der Polizei und der Armee führen. So wie 1992, als das kommunistische Regime kollabierte. Es kollabierte nicht, weil die Mudschaheddin damals so viel Druck gemacht haben. Es ist implodiert, weil die Sicherheitskräfte wegen der ethnischen Spannungen versagt haben."
    Haroun Mir empfängt in einem großen Wohnhaus im schicken Stadtteil Qala-e-Fatullah. Draußen, vor der Tür, bauen schiitische Gläubige gerade Teestände auf. Ein hoher Feiertag steht an. Die Schiiten gehören in Afghanistan in der Regel zur Volksgruppe der Hazara und bilden eine Minderheit. Vor allem der sogenannte Islamische Staat hat es auf sie abgesehen. Die Kämpfer des IS sind sunnitische Extremisten. Bereits am Tag des Interviews gibt es unzählige Terrorwarnungen.
    "Die Regierung wird lediglich durch die internationale Gemeinschaft gestützt. Aber nicht von den Afghanen. Sie hat zu viele Fehler gemacht. Sie hat ihre Versprechen nicht gehalten."
    Distrikte entgleiten der Regierung
    Der Grund ist laut Mir klar - es gibt zu tiefe Gräben innerhalb der Regierung.
    "Nehmen Sie den Streit zwischen dem Präsidenten Ghani und dem Gouverneur Atta in Nordafghanistan, wo auch Deutschland Soldaten stationiert hat. Nehmen Sie den offenen Bruch zwischen dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten Dostum, der jetzt in der Türkei lebt, den Streit zwischen dem Präsidenten und seinem Regierungsgeschäftsführer. Ein offener Kampf um Macht und Ressourcen. Das macht den Staatsaufbau unmöglich. In den 90er Jahren haben die Parteien Waffen genutzt, um den Kampf auszutragen. Das können sie jetzt nicht, weil die NATO hier Soldaten stationiert hat."
    Zwei Tage nach dem Interview mit Haroon Mir jagt sich in seiner direkten Nachbarschaft ein Selbstmordattentäter in die Luft. Er wollte die Schiiten treffen, die in Qala-e-Fatullah zu Ehren ihres Märtyrers Hussein Tee an Passanten verteilt hatten. Sechs Menschen werden getötet.
    Die Lage in Afghanistan lässt sich auch in Zahlen ablesen. Sie stammen aus dem Bericht des Beauftragten der US-Regierung, der die Verwendung amerikanischer Hilfs- und Steuergelder in Afghanistan beobachtet. Im Juli 2017 stellte der Beauftragte fest, dass die afghanische Regierung nur 23,8 Prozent aller Distrikte des Landes kontrolliert, darunter die Hauptstadt Kabul. Drei Monate später, im Oktober, waren es nur noch 18 Prozent der Distrikte. Die anderen Distrikte sind rechtloser Raum, Kampfgebiet oder in der Hand der Extremisten. Dazu zählen neben den Taliban auch Gruppen, die dem sogenannten Islamischen Staat die Treue geschworen haben. Nach UN-Angaben mussten seit Januar 2017 mehr als 250-tausend Menschen in Afghanistan wegen anhaltender Kämpfe ihre Häuser verlassen. Die Verlustzahlen der Armee und der afghanischen Polizei sind inzwischen Verschlusssache. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es um die Moral vieler Einheiten nicht gut steht. 2016 wurden mehr als 18-tausend Polizisten und Soldaten getötet oder verwundet.
    Auch Matiullah muss sich immer wieder neu aufraffen. Zumindest nach außen wahrt der junge Mann die Fassade. Schickes Sakko, darunter ein schwarzes Hemd, sauber gestutzter Bart und nach hinten gegelte Haare. Er lächelt viel. Aber in ihm sieht es anders aus. Matiullah hadert mit seinem Schicksal. Er wurde vor knapp einem Jahr aus Deutschland abgeschoben.
    "Ich weine manchmal, warum ist mit mir so was passiert. Ich hab´ immer versucht, mein Bestes zu geben. Hauptschulabschluss gemacht. Ein Jahr Ausbildung. Ich war Pizzabäcker."
    Drei Polizisten neben und hinter ihm im Flugzeug, Matiullah in Handschellen, dann abgeladen in Kabul, mitten im Winter. In einer Stadt, die ihm längst fremd geworden war. Der 22-jährige hatte in Deutschland Miete, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Sieben Jahre lang hat Matiullah in Hessen gelebt. Er war kein Straftäter, sondern integriert, und er kann das belegen. Aber in Kabul will ihm das niemand glauben.
    "Jeder fragt Dich: Erzähle mir, was Du da für eine Scheiße gebaut hast. Bestimmt hast Du doch Scheiße gebaut. Du musst jeden Tag erklären: Hier, ich hab nichts gemacht. Das nervt, wirklich."
    Das Stigma der Abgeschobenen
    Während des letzten Interviews mit Matiullah im Februar, kurz nach seiner Ankunft in Kabul, war er noch völlig orientierungslos. Matiullah hatte keine Ahnung, wie er ein neues Leben in Afghanistan beginnen sollte. Inzwischen kennt er Leute in Kabul, er hat einige Freundschaften geschlossen. Aber trotzdem lässt ihn die Frage nach dem "Warum" nicht los.
    Masood Ahmadi hat die Ratlosigkeit, die auch Matiullah immer wieder ergreift, bei vielen Abgeschobenen beobachtet. Ahmadi arbeitet bei der Internationalen Organisation für Migration, kurz IOM, einem Ableger der Vereinten Nationen. Ahmadi und seine Kollegen leisten Nothilfe für Abgeschobene, sie organisieren ein Zimmer für die ersten Nächte in Kabul und den Weitertransport in ihre Heimatprovinzen.
    Risa Risjai (M), ein 40jähriger Asylbewerber aus Afghanistan, kommt am 13.09.2017 mit einem Abschiebeflug aus Düsseldorf in Kabul, Afghanistan, an, nachdem sein Asylantrag in Deutschland abgelehnt worden ist.
    Rückkehr voller Angst: Abgeschobene Asylbewerber aus Deutschland - ihre Heimat ist ihnen fremd geworden (picture alliance / dpa / Mohammad Jawad)
    "Wir sehen ganz klar, dass Abgeschobene dieses Stigma haben, weil sie es nicht geschafft haben. Sie sind mental nicht auf das Leben hier vorbereitet. Diese Enttäuschung ist ihnen anzusehen. Ihre Gesichter sprechen für sich."
    Zu dem Gefühl der Scham kommt die Angst vor dem Krieg, vor den Anschlägen. Wie selbstverständlich zeigt auch Masood Ahmadi vor dem Interview kurz den Weg zum Bunker. Man wisse ja nie, selbst auf dem schwer bewachten Gelände einer internationalen Organisation. Volatil nennen die Vereinten Nationen eine solche Lage. Das Wort "sicher" verwenden sie nicht.
    Schwindende Hoffnung
    Und weil es nirgendwo sicher ist, ist das Stadtbild von Kabul geprägt von hohen Sprengschutzmauern, die gefühlt mit jedem Jahr stärker und höher werden. Zum Beispiel an der berühmten Darulaman-Straße, die direkt auf den alten, zerstörten Königspalast zuläuft. Aber hinter hohen, dicken Mauern, die nur durch neu errichtete und schwer gesicherte Kontrollposten unterbrochen sind, finde sich auch Hoffnung, Wille und Zuversicht. Und zwar auf dem Campus der Amerikanischen Universität. Im August 2016 wurde diese wohl renommierteste Hochschule Afghanistans Schauplatz eines Massakers. Bewaffneten Männern gelang es, die Klassenräume zu stürmen. Sie schossen wahllos auf Lehrende und Studierende. Die Sicherheitskräfte hatten die Lage erst nach zehn Stunden unter Kontrolle. Bis dahin waren 20 Menschen tot und mehr als 50 schwer verletzt.
    "Einer der Angreifer öffnete die Tür, ich wusste, dass er uns erschießen würde. Ich wollte aus dem Fenster im zweiten Stock springen. Aber dann warf er eine Handgranate, und ich flog aus dem Fenster", beschreibt Mohammad. Auch Rahmatullah kann den Tag nicht vergessen:
    "Dieser Tag hat mich total verändert. Ich bin seitdem ein anderer Mensch. Ich kann einfach meinen Freund Zubair nicht vergessen. Ich sehe ihn noch niedergehen. Wie er am Boden ins Gras griff. Ich sagte ihm: Zubair, komm‘ , wir schaffen es. Aber er antwortete nicht mehr."
    Mohammad und Rahmatullah können sich an jedes Detail des Angriffs erinnern. Es gibt ein Foto, das in Afghanistan berühmt wurde. Es zeigt Mohammad, auf einer Liege, die Ärzte bereiten eine Notoperation vor. Mohammad schreit vor Schmerz.
    "Ich war drei Monate lang bettlägerig. Kopf und Wirbelsäule waren verletzt. Ich bekam Hilfe durch die Universität. Ich bin nach Indien gereist. Die Ärzte dort stellten fest, dass durch den Sturz auch ein Knochen am Ohr gebrochen war. Das hat mein Sehen beeinflusst. Ich hatte Kopfschmerzen. Ich kann mich immer noch nicht konzentrieren und nach unten schauen."
    Rahmatullah wurde von drei Kugeln getroffen. Weil die Universität gut vernetzt ist, konnte der 25-jährige Schwerverletzte in Berlin behandelt werden.
    "Ich musste bisher 14 Mal operiert werden. Ich habe neun Monate gebraucht, um mich halbwegs zu erholen. Es ist immer noch hart. Zwei Drittel meines Unterschenkelknochens mussten ersetzt werden. Das haben die Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin geschafft. Es sah so aus, dass das Bein amputiert werden müsste, aber ich laufe jetzt wieder. Es ist unglaublich."
    "Ich möchte den Angreifern nur sagen: Ihr habt Zubair getötet. Hier hat niemand versucht, mich zum Christentum oder Judentum zu bekehren oder politisch zu beeinflussen. Ich stamme aus einer sehr konservativen Familie. Ich sehe nichts, was diesen Angriff rechtfertigt. Das schmerzt."
    "Bildung ist die Antwort"
    Beide, Rahmatullah und Mohammad, sind zurück auf dem Campus. Die Universität hat im März wieder eröffnet, mit viel stärkeren Sicherheitsmaßnahmen als zuvor. Mohammad belegt wegen seiner ewigen Kopfschmerzen noch keine Kurse. Für ihn geht es darum, überhaupt wieder an der Universität zu sein.
    "Ich will meinen Optimismus nicht aufgeben. Ich habe eigentlich gute Aussichten, eine Perspektive hier in meinem Land. Ich habe keine Angst. Ich wäre auch zurückgekommen, wenn ich nicht mehr hätte laufen können. Bildung ist die Antwort. Nicht Granaten und Feuer."
    Zwei Jungen gehen in Kabul über einem Platz, auf dem am Nachmittag Bomben explodiert sind.
    Bildung statt Granaten? Viele hoffen auf eine bessere Zukunft, doch noch leben die Kabuler in ständiger Gefahr (dpa-Bildfunk / AP / Massoud Hossaini)
    Mohammad will es noch einmal versuchen, nächstes Jahr vielleicht. Er will auch das Wirtschaftsstudium so rasch wie möglich beenden. In fünf Jahren könnte er es schaffen, ins Parlament einzuziehen. Er sagt, er wolle Geschichte schreiben.
    Auch Rahmatullah, der zustimmend nickt, als Mohammad redet, will bleiben. Rahmatulla erzählt, dass seine Eltern aus den Provinzen Helmand und Kandahar stammen - dem Kernland der Taliban. Dorthin möchte er zurück, nach Musa Qala, einer Stadt in Helmand, die zu den meistumkämpften Städten des ganzen Landes zählt.
    "In meinem Heimatdorf haben sich 200, 300 Leute den Taliban angeschlossen. Ich könnte einer von ihnen sein. Aber jetzt sitze ich hier und studiere. Ich möchte im nächsten Jahr in Musa Qala eine Schule aufbauen. Das wird mein Beitrag sein!"
    Und dann humpeln Rahmatullah und Mohammad davon. Die Sonne taucht den Campus und auch die Ruine des alten Königspalasts, die von hier aus gut sichtbar ist, in rötlich schimmerndes Licht. Für ein paar Momente wirkt dieser Ort ruhig und friedlich, bis die grimmig schauenden, schwer bewaffneten Söldner an der Sprengschutzmauer wieder auftauchen. Sie erinnern daran, dass die Hoffnung, die Mohammad und Rahmatullah versprühen, in Kabul ein eher seltenes Gut geworden ist.