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Alois Glück
"Es ist etwas in Bewegung gekommen"

Kardinal Marx hat Wiederverheirateten Hoffnung auf ein Entgegenkommen der Kirche gemacht. Durch Papst Franziskus sei eine neue Dimension in die Beratungen gekommen, sagte der Präsident des Zentralkomitees Deutscher Katholiken, Alois Glück, im DLF. Eine ernsthafte Offenheit sei bereits eingetreten.

Alois Glück im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Am Telefon ist Alois Glück, er ist Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, dem höchsten Laiengremium der katholischen Gläubigen hierzulande. Guten Morgen, Herr Glück!
    Alois Glück: Guten Morgen, Frau Engels.
    Engels: Wir haben es gemeinsam gehört: Kardinal Marx hat gestern in den "Tagesthemen" den Wiederverheirateten, die bislang nicht am Abendmahl teilnehmen können, Hoffnung auf Erleichterung gemacht. Was erwarten Sie hier von ihm?
    Glück: Es ist etwas in Bewegung gekommen. Wir haben dieses Thema ja auch vonseiten der Laiengremien in den letzten Jahren schon immer wieder intensiv beraten und gedrängt, dass Wege gesucht werden müssen. Und nun ist durch Papst Franziskus eben eine neue Dimension in die Beratungen gekommen. Die wesentlichen Impulse der gegenwärtigen Entwicklung gehen eben vom Papst aus. Er setzt neue Kräfte frei. Nun geht es allerdings auch darum - einerseits die Entscheidungen werden letztlich in Rom getroffen in diesen wesentlichen Fragen -, aber es ist auch ganz wichtig, dass die Katholische Kirche in Deutschland und dass die Deutsche Bischofskonferenz sich an dieser Wegsuche, um es so auszudrücken, intensiv beteiligt und unsere Erfahrungen, Anliegen, Situationen in Rom entsprechend einbringt und hier das offene Gespräch ermöglicht.
    Engels: Wie könnte denn eine konkrete Hilfe für wieder verheiratete Katholiken aussehen: Erst ein Beratungsgespräch und dann ist wieder die Teilnahme am Abendmahl möglich?
    Glück: Es wird natürlich keinen Automatismus geben können, denn die Situationen sind ja ganz unterschiedlich. Aber diejenigen, die sich dafür interessieren, die es möchten, weil sie weiter ihren Glauben leben, der Kirche sich verbunden fühlen, könnte der Weg ungefähr so aussehen, wie Sie es gerade beschrieben haben. Und das wäre dann auch ein entscheidender Weg nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern dass Kirche sich wieder mehr öffnet, zuwendet, begleitet in lebensprüfenden Krisensituationen, in Neuorientierungen, in neuen Aufbrüchen auch des einzelnen Menschen. Und nicht gewissermaßen nur beobachtend oder gar be-/verurteilend daneben steht.
    Engels: Glauben Sie, Kardinal Marx sagt so etwas zum Stichwort Abendmahl-Wiederzulassung, nachdem er sich angesichts seiner guten Verbindungen zum neuen Papst da schon abgesichert hat?
    Glück: Nein, das ist keine Absicherung. Ich meine, das Ergebnis ist ja auch nicht gefunden jetzt. Aber er hat das sicher gesagt unter dem Eindruck der Versammlung der Kardinäle kürzlich in Rom. Und das ist natürlich insoweit eine andere Welt. Der Papst wünscht, dass die Kardinäle offen darüber reden. Früher war es eher so, es hat einer referiert gewissermaßen im Auftrag des Papstes und dann wusste man, ach ja, da soll es langgehen. Dieser Papst bittet Kardinal Kasper, ein entsprechendes Referat zu halten, Fragen zu stellen, zu öffnen. Und über den Stand, dass die Kardinäle auch ihre unterschiedlichen Ansichten darlegen. Das bringt natürlich eine neue Offenheit, eine neue Dynamik, aber damit ist die Lösung noch nicht gefunden. Nur es ist eine ganz ernsthafte Suche. Es ist eine ernsthafte Offenheit, Und das ist natürlich eine wesentliche Veränderungen gegen den bisherigen Status quo oder dem von gestern.
    Engels: Soweit zum Thema Abendmahl für Wiederverheiratete. Schauen wir auf andere Themen, die ja sehr strittig sind. Beobachter erwarten von Kardinal Marx wenig Bewegung bei den Themen Frauenpriesterweihe oder Umgang mit Homosexualität, weil er eben doch als gemäßigt konservativ gilt. Und Sie?
    Glück: Die Frauenpriesterweihe ist eine der Grundsatzfragen, wo auch Theologen und Bischöfe, die sehr für Öffnung und Veränderung stehen, sagen, das wird aufgrund dessen, was im Evangelium steht, so nicht möglich sein. Es ist aber natürlich damit nicht alles beantwortet im Hinblick auf die Rolle der Frauen in der Kirche, auf ihre Beteiligung an Entscheidungen. Ich meine, es hängt nicht alles am Weiheamt. Das ist sicher eine nicht unwesentliche Frage. Aber wir sollten solche Themen und auch die Frage des neuen Aufbruchs oder der Veränderung der Kirche nicht auf so eine Thematik andererseits wieder verengen. Die eigentlich entscheidende Frage ist ja weit über die Ämter und Strukturfrage hinaus: Wie gelingt es der Kirche, die Botschaft des Evangeliums den Menschen von heute in ihren Lebenssituationen zugänglich zu machen, ihnen diese Botschaft zu erschließen? Und das wird vor allem heißen, Kirche muss sich einlassen auf die Menschen, auf die Situationen, eine hörende und dienende Kirche und nicht eine Kirche, wo Menschen den Eindruck haben, sie will uns reglementieren und sie will uns vereinnahmen. Alles andere, Ämter, Dienste, Strukturen, Reformen, haben eigentlich nur diesen Dienstcharakter und sind nicht Selbstzweck.
    Engels: Die Kirche muss hören auf die Gläubigen. Da gibt es ja in Deutschland einen ganz konkreten Fall, der bis heute viele umtreibt, nämlich den Fall Tebartz-van Elst. Kardinal Marx lehnte es gestern ab, sich zu diesem Fall um das Finanzgebaren des Limburger Bischofs zu äußern, da er den Prüfbericht nicht kenne, der ja seit einiger Zeit im Vatikan liegt. Muss er sich zügig angesichts der Kritik vieler Katholiken an diesem Fall damit befassen?
    Glück: Die Sache liegt jetzt zur Entscheidung beim Papst. Das kann und wird daher in Deutschland nicht entschieden werden. Aber ich finde den Weg, der durch den Papst wiederum gewählt wurde, nämlich eine unabhängige Bestandsaufnahme, ein Bericht, der später auch veröffentlicht wird, eine nachvollziehbare Entscheidung und dann die Entscheidung des Papstes, denn nur er kann über die Situation eines Bischofs entscheiden ...
    Engels: Aber glauben Sie nicht, dass Herr Marx da doch auch durchaus ein gewichtiges Wort mitzureden hat, wenn er will, bei seiner Beratung des Papstes?
    Glück: Ich glaube, wir dürfen davon ausgehen, dass sowohl er wie auch einige andere in Deutschland mit dem Papst über ihre Einschätzung der Situation längst geredet haben.
    Engels: Wann erwarten Sie denn dazu eine Entscheidung?
    Glück: Das kann ich jetzt auch nicht sagen. Aber ich erhoffe sie möglichst zügig, damit diese Hängepartie auch beendet wird und damit in der Diözese Limburg dann hoffentlich ein Neuanfang möglich ist.
    Engels: Marx wurde ja gestern erst im vierten Wahlgang gewählt. Beweist das nicht doch die anhaltende Zerrissenheit in der Bischofskonferenz zwischen sehr konservativem Flügel und eher liberalem Flügel?
    Glück: Nun ja, in den ersten Wahlgängen war ja eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig und es gab mehrere Kandidaten. Insofern ist es nicht so ganz ungewöhnlich, dass es dann erst in diesem Wahlgang zu einer Entscheidung kam, wo eine Zwei-Drittel-Mehrheit auch nicht mehr notwendig war.
    Engels: Aber die war schon im dritten nicht mehr nötig und da gab es noch keine.
    Glück: Bitte?
    Engels: Eine absolute Mehrheit hätte schon im dritten Wahlgang gereicht.
    Glück: Natürlich ist das schon auch ein Ausdruck, dass innerhalb der Bischofskonferenz auch manches auseinanderdriftet. Das ist nicht völlig neu. Deswegen wird vielleicht eine der schwierigsten Aufgaben des neuen Vorsitzenden sein, hier entsprechend integrierend zu wirken, um auch eine gewisse gemeinsame Handlungsfähigkeit der Bischöfe und damit letztlich auch der Katholischen Kirche in Deutschland zu ermöglichen.
    Engels: Sie loben ja die offene Gesprächskultur, die Reinhard Marx pflegt. Aber wie wird dann am Ende entschieden? Demokratischer oder nach wie vor doch von oben?
    Glück: Grundsätzlich ändert sich natürlich nicht die Grundstruktur der Kirche im Sinne des Lehramtes. Die Kirche ist ja nun nicht eine private und demokratisch organisierte Organisation. Es gibt Beratungen und Entscheidungen in der Bischofskonferenz, die mit Mehrheit entschieden werden. Das sind natürlich nicht Grundfragen des Glaubens und der Kirche. Was aber schon einmal ganz wesentlich ist, dass Beratungen transparent sind, dass Entscheidungswege transparent sind. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Rückgewinnung von Vertrauen ist Transparenz und Offenheit. Und dann werden auch Entscheidungen anders akzeptiert.
    Engels: Nun gilt ja Kardinal Marx als jemand, der auch eine gewisse Lebensfreude und ein gewisses barockes Lebensbild ausstrahlt. Wie passt das eigentlich dazu, wenn jetzt vielleicht unter Papst Franziskus auch die deutsche Kirche eher die Idee einer Kirche der Armen aufgreifen muss?
    Glück: Die Kirche der Armen ist zunächst und vor allem – und so formuliert ja auch der Papst immer wieder – eine Kirche, die sich den Menschen zuwendet, die Hilfe brauchen, Begleitung brauchen. Das können nicht nur materielle Fragen sein, das sind viele einsame Menschen in seelischen Nöten und viele andere Dinge mehr.
    Engels: Aber vielleicht auch, wenn man an die Pfründe der deutschen Kirchen denkt.
    Glück: Bitte?
    Engels: Aber vielleicht auch, dass sich die Katholische Kirche in Deutschland von einigen Pfründen trennt?
    Glück: Das kann ja durchaus sein. Natürlich stehen da viele Dinge mit auch auf dem Prüfstand. Zur Wirklichkeit gehört auch, dass diese Katholische Kirche in Deutschland im internationalen Maßstab natürlich eine wohlhabende ist, wie keine andere in der Welt engagiert ist für die Not in der Welt, etwa über die Hilfswerke wie Misereor und Ähnliches mehr. Aber der Papst ist natürlich auch ein Anlass, solche Dinge zu hinterfragen: Ist diese Art von Selbstdarstellung als Institution noch angemessen oder nicht? Und so gesehen ist dieses Thema auch für die Katholische Kirche in Deutschland auf der Tagesordnung und auch der einzelne muss immer wieder fragen. Lebensfreude hat auch der Papst. Lebensfreude drückt sich unterschiedlich aus und Kardinal Marx ist ein Mensch, der in dem Sinn wie vielleicht in Altbayern es auch eine Vitalität gibt, oder bei den Rheinländern eine quasi katholische Vitalität. Nur es kommt dann wieder darauf an, dass man sich ebenso den Armen, den Einsamen und den Schwachen zuwendet und da nicht getrennte Welten sind.
    Engels: Aber er ist gebürtiger Westfale, das wollen wir an der Stelle festhalten. – Vielen Dank an Alois Glück, er ist Vorsitzender des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Vielen Dank für das Gespräch.
    Glück: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.